Datum:
20.10.2000
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Zeitung:
taz
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Titel:
Fluch der Vergangenheit
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klein verpfeift gaddafi
Fluch der Vergangenheit
Für Muammar al-Gaddafi war der gestrige Tag ein rabenschwarzer.
Seine Vergangenheit als revolutionärer Kämpfer gegen die
westlichen Imperialisten hat ihn wieder einmal eingeholt. Der ehemalige
Terrorist Hans-Joachim Klein bezeichnete den libyschen Staatschef vor dem
Frankfurter Landgericht als den eigentlichen Urheber des Opec-Attentats im
Jahr 1975 - das könnte für Gaddafi und Libyen unangenehme Folgen
haben.
Kommentar
Der Frankfurter Prozess kommt dem libyschen Staatschef denkbar
ungelegen. In der arabischen Welt wird er auf Grund seiner exzentrischen
Art mehr gefürchtet als geschätzt, und auch ansonsten hat Gaddafi
als jahrelanger Unterstützer des internationalen Terrorismus nicht
viele Freunde. Bis vor einem Jahr war Libyen sogar weltweit fast
völlig isoliert: Von 1992 bis 1999 litten Gaddafis Untertanen unter
einem UN-Embargo, weil ihr "Führer" als Drahtzieher des
Lockerbie-Anschlags von 1988 gilt. Im letzten Jahr lieferte Gaddafi dann
die Attentäter aus, um in die internationale Gemeinschaft
zurückzukehren. Nun steht er wieder am Pranger - nur zwei Monate,
nachdem er im Geiseldrama von Jolo erfolgreich vermittelte und sich dadurch
erstmals wieder ein wenig internationales Renommee verschaffen konnte.
Doch nicht nur Gaddafi ist von Kleins Aussage betroffen. Auch die
EU-Außenminister werden aufmerksam verfolgen, was der Exterrorist zu
Protokoll gibt. Im Gegensatz zu den USA haben die Europäer die
Verbindungen zu Libyen nie ganz abbrechen lassen. Besonders Italien pflegte
enge inoffizielle Kontakte zu seiner ehemaligen Kolonie. Wie so oft geht es
dabei um Rohstoffe: um Erdgas und um Öl, von dem Libyen im letzten
Jahr 500 Millionen Barrel produzierte.
Nach Einschätzung des Bundeswirtschaftsministeriums dürfte
diese Menge durch die Aufhebung des Embargos deutlich zunehmen. Weil der
Irak nur kleine Kontingente des schwarzen Goldes fördern darf und die
übrigen Golfstaaten als Quasi-Monopolisten derzeit hohe Preise
diktieren, ist Libyen ein willkommener Handelspartner. Deshalb werden die
Europäer den Kontakt nicht vollständig abbrechen - trotz Kleins
Aussage
Empörung über den libyschen Staatsterrorismus der letzten 30
Jahre hin oder her - Gaddafi hat seine Politik verändert. Heute
sprengt Libyen keine Flugzeuge mehr und lässt keine Konferenzen
überfallen. Das interessiert die Außen- und vor allem die
Handelsminister der EU. Nicht die blutige Vergangenheit.
FLORIAN HARMS
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