|
Datum:
18.10.2000
|
Zeitung:
die tageszeitung
|
Titel:
Immer an vorderster Front
|
Immer an vorderster Front
Seit gestern steht Hans-Joachim Klein wegen des Opec-Attentats
in Frankfurt vor Gericht
Die Tat, die in Saal 165 C des Frankfurter Landgerichts verhandelt wird,
liegt ein Vierteljahrhundert zurück. Die politischen Verhältnisse
"und mit ihnen auch die Menschen" hätten sich seither
nachhaltig verändert, sagt der Vorsitzende Richter Heinrich Gehrke.
Trotzdem müsse verhandelt werden, da Mord nicht verjähre.
Angeklagt ist Hans-Joachim Klein, dem die Staatsanwaltschaft
Geiselnahme, Mord in drei Fällen sowie dreifachen Mordversuch
vorwirft. Der 52-Jährige war 1975 an einem Überfall auf die
Ministerrunde der Opec in Wien beteiligt, der im Auftrag der
palästinensischen Befreiungsbewegung von Illich Ramirez Sanchez alias
"Carlos" geleitet wurde. Mit angeklagt ist der 58-jährige
Rudolph Schindler, der an der Vorbereitung der Tat beteiligt gewesen sein
soll. Gehrke kritisierte die Staatsanwaltschaft scharf, weil sie
öffentlich über Verbindungen Kleins zur alten Frankfurter
Sponti-Szene und den Mord an dem hessischen Wirtschaftsminister Heinz
Herbert Karry 1981 spekuliert hatte.
Am ersten Prozesstag erzählte Klein gestern, wie er 1967 als
gelernter Autoschlosser zur Studentenbewegung kam. Nach dem Tod der Mutter
hatte ihn der Vater zunächst in ein Heim gegeben. Gegen seinen Willen
muss Klein schließlich zum Vater zurück, einem Trinker. Klein
rebelliert und schließt sich einer Gruppe von Kriegsdienstverweigern
an. Dann entscheidet er sich, zur Bundeswehr zu gehen - "in dem ganz
naiven Glauben", diese revolutionieren zu können. Klein lernt die
Galionsfiguren der 68er-Revolte kennen - Rudi Dutschke, Daniel Cohn-Bendit
und Joschka Fischer. Bei Straßenschlachten und im Häuserkampf
sei er immer "an vorderster Front" gewesen. Klein engagiert sich
in der "Roten Hilfe" und betreut RAF-Gefangene. Doch er
überwirft sich mit der RAF und wird 1974 von den
"Revolutionären Zellen" rekrutiert. "Das war ein
Konkurrenzunternehmen." 1975 wird er Sanchez vorgestellt. Nach dem
Opec-Attentat, so habe er damals geglaubt, könne er unerkannt wieder
in Frankfurt leben. Der Prozess wird morgen fortgesetzt.
HEIDE PLATEN
|