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Datum:
05.02.2001
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Zeitung:
taz
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Titel:
Rasches Ende im Opec-Prozess
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Rasches Ende im Opec-Prozess
Im Frankfurter Prozess gegen den Exterroristen Hans-Joachim Klein
plädieren morgen die Verteidiger. Doch nach 26 Jahren ist der
Tathergang nicht mehr zu rekonstruieren
Selten ging ein Terroristenprozess vor einem deutschen Gericht so
schnell zu Ende wie der gegen Hans-Joachim Klein. Im Oktober hatte der
Prozess gegen den 53-Jährigen vor der 21. Großen Strafkammer des
Frankfurter Landgerichts begonnen, morgen werden die Verteidiger des
Hauptangeklagten plädieren.
Nur 24 Tage brauchte der Vorsitzende Richter, Heinrich Gehrke, zur
Beweisaufnahme. Eine Rekonstruktion des Attentats auf die Minister
Erdöl exportierender Länder (Opec) in Wien hatte er während
des Verfahrens rasch aufgegeben. Damals, im Dezember 1975, hatte Klein
zusammen mit Mitgliedern palästinensischer Gruppen und unter Leitung
des Topterroristen Illich Ramirez Sanchez schwer bewaffnet das
Opec-Gebäude gestürmt. Auftraggeber, sagte er im Prozess aus, sei
Libyen gewesen. Am Ende waren drei Menschen tot, Klein wurde durch einen
Bauchschuss schwer verletzt. Zusammen mit seinem Kommando und 33 Geiseln
wurde Klein nach Algier ausgeflogen, tauchte im Jemen unter und sagte sich
1977 vom Terrorismus los. 24 Jahre lebte er versteckt in Frankreich.
Er selbst, betonte er immer wieder, habe niemand erschossen und auch
nicht mit Toten gerechnet, als er von Mitgliedern der Revolutionären
Zellen (RZ) in Frankfurt rekrutiert wurde. Das deutsche RZ-Mitglied
Gabriele Kröcher-Tiedemann, Deckname Nada, habe einen irakischen
Leibwächter erschossen. Er selbst habe nur auf die Telefonanlage
gezielt. Um die Wahrheit herauszufinden, ist zu viel Zeit vergangen. Viele
Zeugen sind tot oder zu alt und mittlerweile aussagemüde. Auch ein
aufwendig erstelltes Pappmodell des Gebäudes half dem
Sachverständigen nicht weiter: In Österreich waren die Spuren
verwischt. Geiseln und Attentäter hatten sich der Partronenhülsen
als Souvenirs bemächtigt. Gleich nach dem Attentat hatten Putzfrauen
Beweismittel beseitigt und Handwerker die Einschusslöcher an Decken
und Türen repariert.
Das Gericht muss nun entscheiden, ob es Klein glaubt. Richter Gehrke
gilt als kluger, aber eigenwilliger Kopf mit spitzer Zunge. Er scheint es
zu genießen, gerade jenen Zeugen zuzusetzen, die sich zu den
Mächtigen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft zählen: Von
Außenminister Joschka Fischer, dem grünen Europaabgeordneten
Daniel Cohn-Bendit und Kabarettist Matthias Beltz hatte der Vorsitzende vor
allem Aussagen über Kleins Charakter vor dem Attentat erhofft. Sie
alle kannten Klein aus der Spontiszene, hatten während der
68er-Revolte und des Häuserkampfs gemeinsame Straßenschlachten
geschlagen. Sie alle aber machten es dem Gericht schwer, wichen den
bohrenden, manchmal fast bittenden Fragen aus. War Klein als armer Leute
Kind gegenüber den intellektuellen, bürgerlichen Studenten
benachteiligt? Versuchte er dies durch Sprüche zu kompensieren? Hat er
die damaligen Diskussionen wirklich verstanden? Gehrke kämpfte fast um
solche Aussagen. Doch keiner der früheren Kampfgefährten mochte
sich im Angesicht des Angeklagten zu dessen intellektuellem Vermögen
äußern.
Die Staatsanwaltschaft hatte in der vergangenen Woche die Anwendung
der Kronzeugenregelung und 14 Jahre Haft für Klein gefordert.
Das morgige Plädoyer der bis dahin ungewohnt passiven Verteidiger
Eva Dannenfeldt und Eberhard Kempf wird mit Spannung erwartet. Fast
schien es bisher, als hofften sie darauf, die nur selten durchbrochene
Lethargie ihres Mandanten spreche für sich und das Gericht
werde sich sein Bild schon machen.
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