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Presse

Datum:
04.01.2001

Zeitung:
Südostschweizerpresse AG.

Titel:
Der Mann mit dem schwarzen Helm

Der Mann mit dem schwarzen Helm

Joschka Fischer wird mit seiner Vergangenheit konfrontiert

Der deutsche Aussenminister Joschka Fischer trifft in diesen Tagen auf den früheren Frankfurter Sponti Fischer. Fotos von einer Strassenschlacht und der Prozess gegen den früheren Terroristen Hans-Joachim Klein in Frankfurt sind Anlass für das Rendezvous mit dem Gestern.

Am 16. Januar wird der deutsche Aussenminister Joschka Fischer vor die Schranken des Frankfurter Landgerichts treten: als Zeuge. Angeklagt ist der frühere Terrorist Hans-Joachim Klein, der am Überfall auf die Konferenz der Erdöl exportierenden Länder (Opec) 1975 in Wien beteiligt war (siehe Kasten) und in den Siebzigerjahren zur gewalttätigen Frankfurter Sponti-Szene gehörte, ebenso wie Joschka Fischer. Die Geschichte ist nicht neu, aber der "Stern" hat gestern ein Interview und wenig bekannte Fotos einer Frankfurter Strassenschlacht von 1973 publiziert.

"Da gibt es nichts schönzureden"

Die Bilder zeigen, wie die so genannte "Putzgruppe", ein Trupp gewalttätiger Frankfurter Spontis, einen Polizisten umringen und verprügeln. Der Beamte geht zu Boden, aber ein Mann mit schwarzem Motorradhelm schlägt noch immer auf ihn ein. Der Schläger sei Joschka Fischer, insinuiert der "Stern". Dieser bestätigt dies implizit - "wenn das Bild jene Szene zeigt, an die ich mich erinnern kann", denn das Magazin konnte die einschlägigen Fotos zum Zeitpunkt des Interviews nicht vorlegen. Sie gehören der Tochter der RAF-Terroristin Ulrike Meinhof, Bettina Röhl, die schon in der Vergangenheit Fotos nur für teures Geld abgegeben hat. Auf dem Internet hat sie 11 Bilder (www.bettinaroehl.de) veröffentlicht und massive Attacken gegen Fischer formuliert.

"Da gibt es nichts schönzureden", sagt Fischer im "Stern"-Interview: "Ja, ich war militant". Bereits 1998 - nicht zufällig kurz vor der Bundestagswahl - hatte Fischer zu Gewaltvorwürfen Stellung genommen und deutlicher als gestern gestanden, "dass ich fast zehn Jahre lang auch unter Einsatz von Gewalt die verfassungsmässige Ordnung der Bundesrepublik umstürzen wollte". Schon 1985, als Fischer in Hessen zum ersten grünen Umweltminister avancierte, hatte ihn die CDU einer Verwicklung in den so genannten Karry-Mord verdächtigt. Mit Fischers Auto wurde die Waffe transportiert, mit der 1981 der hessische Wirtschaftsminister Herbert Karry (FDP) ermordet wurde. Fischers Erklärung, er habe das Auto für den Einbau eines neuen Motors an Hans-Joachim Klein ausgeliehen und erst später vom Waffentransport erfahren, schenkten die Ermittlungsbehörden Glauben.

Fischers "Putzgruppe"

Am rachsüchtigsten ist der frühere Bielefelder Hausbesetzer Christian Schmidt. Er macht in seinem Buch "Wir sind die Wahnsinnigen" Joschka Fischer zu einem Hauptverantwortlichen der Gewalt in Frankfurt. Fischer habe die so genannte "Putzgruppe" systematisch zum brutalen Kampf mit der Polizei trainiert. "Blitzschnell stiessen sie aus der Menge der Demonstraten hervor, um einzelne Polizisten einzukreisen, mit ihren Knüppeln zu bearbeiten und anschliessend wieder genauso schnell zu verschwinden", schreibt er. Fischer habe sich als massgebliche Führungsfigur für den Einsatz von Molotow-Coctails stark gemacht, die an der Demonstration zum Tode von Ulrike Meinhof im Juni 1976 einem Polizisten fast das Leben gekostet hätten, schreibt Schmidt. Das bestreitet Fischer energisch. Er wurde damals zwar einen Tag in Untersuchungshaft genommen, nach der Vernehmung durch den Haftrichter aber wieder freigelassen.

Gestern Abend hat Fischer sich öffentlich entschuldigt. Es sei ein "grosser Fehler und schlimmer Irrtum" gewesen, in der politischen Auseinandersetzung auf das Mittel der Gewalt zurückzugreifen. Nach einem schmerzhaften Prozess habe er sich klar davon distanziert. Einen Rücktritt lehnte der Grünen-Politiker ab.

PETER VOEGELI

MAIL
http://www.freilassung.de/presse/opec/sw040101.htm