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Datum:
05.01.2001
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Zeitung:
Neue Luzerner Zeitung
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Titel:
Was war, das bringt heute Zoff
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JOSCHKA FISCHER
Was war, das bringt heute Zoff
Der deutsche Aussenminister Joschka Fischer trifft in diesen Tagen
auf den früheren Frankfurter Sponti Fischer. Photos von einer
Strassenschlacht und der Prozess gegen den früheren Terroristen
Hans-Joachim Klein sind Anlass für das Rendez-vous mit der
bewegten persönlichen Vergangenheit (Ausgabe von gestern).
Am 16. Januar wird Fischer vor die Schranken des Frankfurter Landgerichts
treten: Als Zeuge. Angeklagt ist der frühere Terrorist Hans-Joachim
Klein, der am Überfall auf die Konferenz der Erdöl exportierenden
Länder (Opec) 1975 in Wien beteiligt war und in den Siebzigerjahren
zur gewalttätigen Frankfurter Sponti-Szene gehörte, ebenso
wie Joschka Fischer.
Die Geschichte ist nicht neu, aber das deutsche Magazin "stern"
hat jetzt ein Interview und wenig bekannte Fotos einer Frankfurter
Strassenschlacht von 1973 publiziert. Die Bilder zeigen, wie die
so genannte "Putzgruppe", ein Trupp gewalttätiger
Frankfurter Spontis, einen Polizisten umringt und verprügelt.
Der Beamte geht zu Boden, ein Mann mit schwarzem Motorradhelm schlägt
in jenem Moment noch immer auf ihn ein. Der Schläger sei Joschka
Fischer, erklärt der "stern" seiner Leserschaft.
Dieser bestätigt dies im Gespräch implizit "wenn
das Bild jene Szene zeigt, an die ich mich erinnern kann".
Denn das Magazin konnte die einschlägigen Fotos zum Zeitpunkt
des Interviews nicht vorlegen. Die Bilder gehören der Tochter
der RAF-Terroristin Ulrike Meinhof, Bettina Röhl, die schon
in der Vergangenheit Fotos nur für teures Geld abgegeben hat.
Im Internet (www.bettinaröhl.de) hat sie elf Bilder veröffentlicht
und auf ihrer Homepage massive Attacken gegen Joschka Fischer formuliert.
"Da gibt es nichts schönzureden", sagt Fischer im
"stern"-Interview: "Ja, ich war militant."
Bereits 1998 nicht zufällig kurz vor der Bundestagswahl
hatte Fischer zu Gewaltvorwürfen Stellung genommen und
deutlicher als gestern gestanden, "dass ich fast zehn Jahre
lang auch unter Einsatz von Gewalt die verfassungsmässige Ordnung
der Bundesrepublik umstürzen wollte". Und schon 1985,
als Joschka Fischer in Hessen zum ersten grünen Umweltminister
avancierte, hatte ihn die CDU einer Verwicklung in den so genannten
Karry-Mord verdächtigt. Mit Fischers Auto wurde die Waffe transportiert,
mit der 1981 der hessische Wirtschaftsminister Herbert Karry (FDP)
ermordet wurde. Fischers Erklärung, er habe das Auto für
den Einbau eines neuen Motors an Hans-Joachim Klein ausgeliehen
und erst später vom Waffentransport erfahren, schenkten die
Ermittlungsbehörden Glauben.
Am rachsüchtigsten aber ist der frühere Bielefelder Hausbesetzer
Christian Schmidt. Er schreibt in seinem Buch "Wir sind die
Wahnsinnigen", Joschka Fischer habe die "Putzgruppe"
zum brutalen Kampf mit der Polizei trainiert. Fischer habe sich
für den Einsatz von Molotow-Cocktails stark gemacht, die an
der Demonstration zum Tode von Ulrike Meinhof im Juni 1976 einem
Poliz isten fast das Leben gekostet hätten.
Das bestreitet Joschka Fischer energisch. Er wurde damals zwar
in Untersuchungshaft genommen, nach der Vernehmung durch den Haftrichter
aber wieder freigelassen. Danach hat Fischer der Gewalt abgeschworen.
An einen Rücktritt denkt er nicht. "Das bin ich, Joschka
Fischer", sagt er im Interview, "ohne meine Biografie
wäre ich heute ein anderer, und das fände ich gar nicht
gut." Gar nicht gut finden das jedoch seine Kritiker. Für
den bayerischen Innenminister Günter Beckstein ist die Vorstellung
"unerträglich, dass Deutschland einen ehemaligen Gewalttäter
zum Aussenminister hat". Die Gewerkschaft der Polizei verlangt
von Fischer eine Entschuldigung. Die hat Fischer gestern Abend geliefert:
Es sei "ein grosser Fehler und schlimmer Irrtum" gewesen,
in der politischen Auseinandersetzung auf das Mittel der Gewalt
zu setzen.
PETER VÖGELI
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