Datum:
21.02.2001
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Zeitung:
Jungle World
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Titel:
Urteil im Opec-Prozess
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Urteil im Opec-Prozess
Hauptsache RZ
Fast eineinhalb Jahre saß Rudolf Schindler zu Unrecht angeklagt im
Knast. Das ist mit der Urteilsverkündung im Frankfurter Opec-Prozess
amtlich. Somit ist auch der Versuch von Hans-Joachim Klein fehlgeschlagen,
durch die Belastung Schindlers in den Genuss der Kronzeugenregelung zu
kommen. Doch Richter Heinrich Gehrke rechnete ihm seine prinzipielle
Aussagebereitschaft ebenso an wie sein Buch "Rückkehr in die
Menschlichkeit", das zehn Jahre vor dem Erlass des Kronzeugengesetzes
erschienen ist. So kam er mit neun Jahren für dreifachen Mord davon.
Es sei ihm gegönnt.
Der Freispruch für Schindler, der wegen Beihilfe angeklagt war,
erfolgte nur aus Mangel an Beweisen. Damit wird über den eigentlichen
Skandal, dass wegen einer offensichtlich falschen Anschuldigung
überhaupt ein Haftbefehl ausgestellt wurde, locker hinweggegangen.
Trotzdem muss die Tatsache eines Freispruchs anerkannt werden. Noch in
den achtziger Jahren wäre Schindler bei einer vergleichbar windigen
Anklage ohne Probleme zu etlichen Jahren Knast verurteilt worden.
Hauptsache, er war irgendwie bei den Revolutionären Zellen (RZ) dabei.
Inzwischen ist die Untersuchungshaft die eigentliche Strafe und die nun
fällige Entschädigung von zwanzig Mark pro Tag verdient ihren
Namen nicht.
Damit ja keine Freude über den Freispruch aufkommt, erinnerte die
Bundesanwaltschaft noch am selben Nachmittag an den zweiten Haftbefehl
gegen Schindler. Vor über einem Jahr wurde er auch von dem Berliner
Kronzeugen Tarek Mousli beschuldigt, an Aktionen der RZ beteiligt gewesen
zu sein. So wird Schindler wohl am 22. März wieder vor Gericht stehen,
diesmal in Berlin.
Natürlich geht es um etwas anderes, als Schindler wegen der
Knieschüsse auf den Chef der Berliner Ausländerbehörde
Harald Hollenberg 1986 und den Asylrichter Günter Korbmacher 1987
anzuklagen, sind doch beide Taten inzwischen verjährt. Denn die
deutschen Sicherheitsbehörden haben mit Schindler ein Hühnchen zu
rupfen. Sowohl westliche Ermittlungsbehörden als auch ihre
konkurrierenden Brüder im Osten hielten und halten ihn seit vielen
Jahren für einen führenden Kopf der Revolutionären
Zellen.
Fleißig beantwortete eine IM "Beate Schäfer" alle
Fragen der Stasi nach dem Who is Who der linksradikalen Szene in
Westdeutschland und Berlin und erwähnte dabei auch Schindler. Doch
Stasi-Akten sind nach einem BGH-Beschluss kein Beweis. Und die Erkenntnisse
der westlichen Seite sind eigentlich auch nicht zu verwerten. Sie beruhen
auf den über tausend Seiten dicken Protokollen der Fieberphantasien
des schwerverletzten RZ-Mitglieds Hermann Feiling von 1978.
So warten also seit Jahren die Fahnder auf ihre Chance. Und irgendwann
findet sich immer ein armes Schwein, das in die Falle tapst. Dreimal
lebenslänglich wegen dreifachen Mordes oder ..., lautete das
unmissverständliche Angebot an Klein. Was aber im Verhörzimmer
genau gesprochen wurde, welche Angebote oder Andeutungen gemacht wurden,
wie per non-verbaler Kommunikation auf die richtigen Fotos gedeutet wurde,
die der Kronzeuge wiederzuerkennen habe, wird leider nur aus weniger
publicity-trächtigen Drogenprozessen bekannt. Aber man kann davon
ausgehen, dass die Vermutungen der Ermittler dem Kronzeugen in den Mund
gelegt werden.
Doch diese bis weit in die SPD hinein verbreitete Kritik am
Kronzeugengesetz wollte Richter Heinrich Gehrke auf keinen Fall gelten
lassen. So wurde auch völlig vergessen, dass Klein noch eine weitere
Person wegen angeblicher logistischer Zuarbeit zur Opec-Aktion belastet
hatte: Sonja Suder, die im Januar vergangenen Jahres im französischen
Exil festgenommen wurde. Kaum zu erwarten, dass die Frankfurter
Staatsanwaltschaft nach dem Freispruch für Schindler den
Auslieferungsantrag zurückziehen wird. Im Gegenteil: Sie ging gegen
das Urteil über Schindler und Klein in Revision.
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