Datum:
18.10.2000
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Zeitung:
Frankfurter Rundschau
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Titel:
Für zehn Minuten Opec zahle ich seit 25 Jahren
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"Für zehn Minuten Opec zahle ich seit 25 Jahren"
Der ehemalige Terrorist Klein steht jetzt wegen des Anschlags
auf die Konferenz der Ölminister vor Gericht
25 Jahre nach dem Anschlag auf die Konferenz der Erdöl exportierenden
Länder (Opec) in Wien steht der als Attentäter angeklagte
52-jährige Hans-Joachim Klein seit Dienstag in Frankfurt vor
Gericht.
"Dies ist eine Gerichtsverhandlung und kein historisches
Seminar", betonte der Vorsitzende Richter Heinrich Gehrke zum Auftakt
des Prozesses, für den zunächst 20 Verhandlungstage anberaumt
wurden. Entgegen den Erwartungen mancher Medien gehe es "nicht um die
Gewinnung von Erkenntnissen über noch lebende Politiker". Damit
spielte der Richter auf die Rolle des libyschen Staatsoberhauptes Moammar
al Ghaddafi ebenso an wie auf die von Außenminister Joschka Fischer
(Grüne), den Klein (FR-Bild: Ungarisch) als "meinen Freund"
aus den Tagen der Frankfurter Häuserkampfszene bezeichnete. Hinter dem
Anschlag soll Ghaddafi gestanden haben.
Auf gemeinschaftlichen Mord und Mordversuch in drei Fällen sowie
besonders schwere Geiselnahme lautet die Anklage gegen Klein. Von dem als
Mittäter angeklagten 57-jährigen Rudolf Schindler in Frankfurt
angeworben, soll Klein - Deckname: "Angie" - einem
sechsköpfigen Kommando angehört haben, das unter der Führung
des aus Venezuela stamrnenden Top-Terroristen Carlos am 21./22. Dezember
1975 die in Wien tagende Opec-Konferenz überfiel. Drei Menschen wurden
bei dem Überfall auf den Konferenzsaal im ersten Stock erschossen: ein
Kriminalbeamter aus Wien, ein irakischer Leibwächter sowie ein
libyscher Delegierter.
Klein wurde bei dem Schusswechsel erheblich verletzt. Nach einer ersten
Behandlung im Krankenhaus wurde er auf Druck der Terroristen zu einem
Flugzeug gebracht, das mit Attentätern und 70 Geiseln an Bord nach
Algier startete. Sämtliche Geiseln, darunter elf Ölminister, die
propalästinensische Kommuniqués hatten abgeben sollen, wurden
anschließend in Libyen freigelassen.
Während Schindler auf Rat seiner Verteidigung "vorerst"
keine Aussage machen will, zeigte sich Klein bereit, dem Gericht umfassend
Rede und Antwort zu stehen. "Für zehn Minuten Opec zahle ich seit
25 Jahren", sagte der Angeklagte, der den Mordvorwurf bestreitet.
"Es ist mir heute schwer nachvollziehbar, warum ich mich damals so
engagiert habe." Klein hatte sich nach dem Opec-Attentat - "...
da bin ich nachdenklich geworden" - 1977 vom Terrorismus losgesagt und
bis 1998 unter falschem Namen in einem Dorf in Frankreich gelebt. Er wurde
während dieser Zeit finanziell unterstützt von früheren
Bekannten wie dem Europa-Abgeordneten der Grünen, Daniel Cohn-Bendit,
gegen den in diesem Zusammenhang ein Ermittlungsverfahren läuft.
Bevor Klein, der eine Lehre als Autoschlosser begonnen hatte, 1974
in den terroristischen Untergrund abtauchte, war er im Zuge der
Studentenrevolte in Frankfurts linker Szene "anpolitisiert"
worden. "Wie mein Freund Joschka Fischer" gehörte
er eigenen Angaben zufolge zur so genannten "Putzgruppe",
deren Aufgabe es war Demonstranten vor der Polizei zu schützen.
Nachdem Jean-Paul Sartre eine Todesdrohung erhalten hatte, weil
er den Terroristen Andreas Baader im Gefängnis von Stuttgart-Stammheim
aufsuchte, war Klein vorübergehend als Leibwächter des
französischen Philosophen aufgetreten.
Norbert Leppert
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