www.freilassung.de
Zurück zur Startseite  
Presse

Datum:
08.12.2000

Zeitung:
Frankfurter Rundschau

Titel:
Wenn Beltz einem früheren Weggefährten ins Gewissen redet

Wenn Beltz einem früheren Weggefährten ins Gewissen redet

Kabarettist berichtet im Frankfurter Opec-Prozess über seinen Versuch, auf den Angeklagten Klein Einfluss zu nehmen

Der Kabarettist Matthias Beltz ist am Donnerstag im Opec-Prozess vor dem Frankfurter Landgericht aufgetreten. Beltz gehört wie Daniel Cohn-Bendit und Joschka Fischer zu den ehemaligen Weggefährten des wegen Mordes und Geiselnahme angeklagten Hans-Joachim Klein.

Das Quartett kennt sich aus den wilden Jahren der Frankfurter Häuserkampfszene. Dort tummelten sich die Spontis, die Anfang der 70er Jahre auf die Barrikaden gingen. Was die Richter von Beltz vor allem hören wollen, ist eine mögliche Erklärung für Kleins dramatischen Werdegang vom Wochenenddemonstranten zum schwer bewaffneten Terroristen unter dem Befehl des berüchtigten Carlos. Gab es gleichsam einen direkten Weg von der für ihre Militanz bekannten Frankfurter "Putzgruppe" bis zum Sturm auf das Opec-Gebäude 1975 in Wien? Oder war alles nur ein Missverständnis von Klein, der flammende Reden ehemaliger Studentenführer allzu wörtlich nahm?

"Putzgruppe?" denkt Beltz im Zeugenstuhl laut nach: "Es gab ja nicht nur eine, es gab viele Putzgruppen." Die hätten sich spontan oft erst herausgebildet im Laufe einer Protestveranstaltung, etwa um einen verletzten Demonstranten zu befreien, damit dem nach der Krankenhausbehandlung nicht gleich ein Strafverfahren wegen Landfriedensbruch angehängt wurde. Für Beltz damals ein Akt der Solidarität, Ausdruck einer "großen Gefühlsgemeinschaft, die nicht für etwas war, sondern dagegen".

Dass Klein in dieser Szene ein bei der Polizei gefürchteter Haudegen war, beschreibt der berufsmäßig sonst zu Übertreibung neigende Zeuge reserviert wie ein Diplomat: "Ich würde sagen, bei Demonstrationen hat er seine Angst öfter überwunden als andere." Um so enttäuschender für den späteren Opec-Attentäter, als sich in der Frankfurter Szene zunehmend "radikaler Reformismus" breit machte: Klein wollte Aktionen und machte auch vor Beltz kein Hehl daraus, dass seine Sympathien dem "bewaffneten Kampf" galten. "Für mich der größte Schwachsinn", sagt Beltz dazu.

Zwei Jahre nach dem Opec-Attentat mit drei Toten war der gelernte Jurist Beltz dann in Italien, um dem ernüchterten Klein beim Ausstieg aus der Terrorszene zu helfen. "Ich hab' gedrängt, dass er sich stellt", berichtet er vor Gericht. Doch beim Gedanken an Gefängnis habe der Terrorist regelmäßig "mit Wahnsinnsangst und Herzklappern reagiert". Erst viel später, in den 90er Jahren, sei es gelungen, ihm klar zu machen: "Wenn du dich jetzt nicht endlich stellt, wirst du eines Tages ganz allein dastehen."

Neunzig Minuten dauert Beltz' Verhör - dann verabschiedet er sich eilig und mit einer knappen Handbewegung in Richtung Anklagebank. Beinahe scheu winkt Klein zurück, in sich versunken - und mit quälender Ungewissheit über den Ausgang des Prozesses.

Norbert Leppert

MAIL
http://www.freilassung.de/presse/opec/fr081200.htm