Datum:
04.07.2000
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Zeitung:
Tagesspiegel
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Titel:
Kronzeugenaussage
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Kronzeugenaussage
Tarek Mousli sagte gegen seine Mitstreiter der Revolutionären
Zellen aus, nun ist er ein freier Mann
Die Lebensbeichte des Karatelehrers hat sich offenbar ausgezahlt. Wie
erst jetzt bekannt wurde, ist der Kronzeuge Tarek Mousli bei den
Ermittlungen gegen die Revolutionären Zellen (RZ) Ende April aus dem
Gefängnis entlassen worden. Derweil sitzen vier seiner früheren
mutmaßlichen Mitstreiter weiter in Untersuchungshaft. "Wir
rechnen im Herbst mit einer Anklageerhebung", sagt Verteidigerin Silke
Studzinsky, die einen der Beschuldigten vertritt.
Nachdem Mousli, der 41-jährige Kampfsportlehrer und
mutmaßliche RZ-Aktivist, am 23. November 1999 festgenommen worden
war, diente er sich nach kurzem Zögern der Bundesanwaltschaft als
Kronzeuge an. Noch im Dezember verhafteten die Ermittler dann fünf
weitere Männer und eine Frau, die sie als frühere Aktivisten der
RZ verdächtigen. Die Festnahmen zogen sich bis in diesen Sommer hinein
- zuletzt wurde im April ein hochrangiger Angestellter der Technischen
Universität und im Mai ein ausgewandeter Berliner in Kanada
festgenommen.
Die Mitglieder der RZ, vom Verfassungsschutz als
"Feierabendterroristen" eingestuft, sollen seit 1973 mindestens
186 Brand- , Sprengstoff- und andere Anschläge verübt haben. Den
Beschuldigten wird nun vorgeworfen, sich in den 80er Jahren als Mitglieder
einer Berliner Gruppe der RZ unter anderem an gewalttätigen Aktionen
gegen die deutsche Asylpolitik beteiligt haben. Fast alle sollen ferner bei
den Attentaten auf Harald Hollenberg - damals Leiter der Berliner
Ausländerbehörde - und Günter Korbmacher - Vorsitzender
Richter am Bundesverwaltungsgericht - beteiligt gewesen sein: Beiden
Männern wurde Mitte der 80er Jahre in die Beine geschossen.
Mouslis Aussage brachte Bewegung in die Ermittlungen: Am 19. Dezember
1999 stürmten die GSG 9 und Sondereinheiten der Polizei den
Kreuzberger Mehringhof. Bei der spektakulären Großrazzia
durchkämmten die Fahnder das Gebäude auf der Suche nach einem
angeblichen Waffendepot der RZ - nichts. Ende Mai durchsuchte die
Bundesanwaltschaft noch einmal den Mehringhof. Diesmal dirigierte der
Kronzeuge die Beamten live per Videoschaltung - eine Novität in der
Geschichte des BKA. Waffen fanden die Ermittler auch diesmal nicht.
Die Freilassung des Kronzeugen deutet die Verteidigerin nun eher als
positives Zeichen für ihren Mandanten. "Das bedeutet doch, dass
die Straferwartung selbst bei dem mutmaßlichen Rädelsführer
Mousli nicht so hoch angesetzt ist", sagt Studzinzky. Deshalb erwarte
sie, dass auch die übrigen Beschuldigten trotz ihrer
Aussageverweigerung von der Haft verschont werden.
Bei der Bundesanwaltschaft hält man sich derweil bedeckt. Offen ist
nach den Angaben der Behörden-Sprecherin Eva Schübel, ob es zu
einem Verfahren mit Mousli als Kronzeugen und Angeklagtem oder zwei
Prozessen kommen wird. Äußern will sich die Sprecherin auch
nicht zu der Frage, weshalb man Mousli vor Anklageerhebung von der Haft
verschont hat. "Das ist die Sache der Richter", sagt
Schübel.
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