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Datum:
09.10.2000
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Zeitung:
DER SPIEGEL
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Titel:
Späte Spur
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Späte Spur
Fast 20 Jahre nach dem Mord am hesssischen Wirtschaftsminister
Heinz Herbert Karry (FDP) hofft die Bundesanwaltschaft, den Fall
doch noch aufklären zu können. Im Januar vernahmen Ermittler
in der Justizvollzugsanstalt Köln-Ossendorf den mutmaßlichen
Ex-Terroristen Tarek Mousli. Der gebürtige Libanese gehörte
einst den Revolutionären Zellen (RZ) an, die sich zu dem Anschlag
auf den FDP-Politiker bekannt haben.
Mousli, dem der Generalbundesanwalt den Kronzeugenstatus in Aussicht
gestellt hat, erklärte, die Ermordung Karrys sei nicht geplant
gewesen; es habe sich um einen "Unfall mit Todesfolge"
gehandelt. Die Täter hätten Karry nur in die Beine schießen
wollen. Schlechte Lichtverhältnisse und eine wackelnde Leiter,
die das RZ-Kommando benutzte, um durch das geöffnete Schlafzimmerfenster
zu schießen, hätten zu dem tödlichen Treffer geführt.
Karry wurde viermal getroffen, ein Projektil zerfetzte seine Beckenschlagader.
Der Politiker verblutete neben seinem Bett. Mousli erklärte
in der zweitägigen Vernehmung, er selbst sei an der Tat nicht
beteiligt gewesen, habe aber später in zahlreichen Gesprächen
diesen Ablauf erfahren. Mousli gab die Namen der RZ-Aktivisten zu
Protokoll, deren Detailkenntnisse seiner Ansicht nach darauf hindeuteten,
dass sie an dem Attentat beteiligt waren. Die Bundesanwaltschafl
will jetzt versuchen, die Mitglieder des Karry-Kommandos zu ermitteln.
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