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Datum:
14.12.2000
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Zeitung:
Interim 516
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Titel:
Offener Brief ehemaliger Bekannter an den für die
Bundesanwaltschaft tätigen Kronzeugen Tarek Mousli
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Offener Brief ehemaliger
Bekannter an den für die Bundesanwaltschaft tätigen Kronzeugen
Tarek Mousli
Tag Tarek!
Wir haben uns schon lange nicht mehr gesehen. Nach deiner ersten
Inhaftierung Im Frühjahr 1999 hast du jeden Kontakt zu einzelnen von
uns abgelehnt. Ende November 1999 erfuhren wir von deiner zweiten
Inhaftierung im Zusammenhang mit Vorwürfen einer angeblichen
Mitgliedschaft bei den Revolutionären Zelten. Wenig später hast
du gegenüber den Ermittlungsbehörden begonnen, umfangreiche
Aussagen über die angebliche Verwicklung von konkreten Personen in
Aktivitäten . dieser nicht mehr existenten Gruppe zu machen. In deinen
Aussagen hast du den Ermittlungsbehörden zudem eine Unzahl von Namen
ehemaliger Genossen und Genossinnen genannt. Eine Folge davon war der
zweimalige, zum Teil zerstörungswütige "Besuch" von bis
zu 1.000 Polizisten im Mehringhof, um den dort angeblich versteckten
Sprengstoff zu finden. Doch weder den, noch irgendwelche Spuren davon haben
die staatlichen Behörden gefunden. Zumindest da ist für jeden
offensichtlich, daß du deinen Vernehmungsbeamten Unfug
erzählst.
Nichts desto trotz hast du aber mit deinen Aussagen dafür gesorgt.
sechs Leute, die wir zum Teil gut kennen, mittlerweile für fast ein
Jahr in den Knast zu bringen. Eine wahrlich deprimierende Bilanz für
einen ehemaligen Genossen aus den vielfältigen autonomen Bewegungen
der 80er Jahre.
Tarek, du weißt, wie wenig wir in den letzten Jahren miteinander
zu tun gehabt haben. Bei den einen ergab sich das so zufällig wie das
Leben selbst, bei den anderen wirst du dich vielleicht selbst noch an die
guten Gründe dafür erinnern können, warum sie kein Interesse
an einem Kontakt mit dir hatten. Da und dort warst du für einige von
uns noch Gegenstand privater Anekdoten. Nicht alte haben vergessen, was du
auch an "guten Sachen" für die
autonomen Bewegungen gemacht hast. Einige von uns können sich noch
gut daran erinnern, daß sie gerne mit dir diskutiert haben und zu
Demos gegangen sind. Und mancher Polizist mußte bei
Auseinandersetzungen aufgrund deines praktischen Engagements einsehen,
daß eine Festnahme unmöglich ist. Doch nun hast du dich - aus
welchen Gründen auch immer - dazu entschlossen, eine ganze Reihe von
uns zum Teil gut bekannten Leuten bei der Staatspolizei anzuschwärzen;
und das nicht nur im heute noch strafrechtlich relevanten Sinne über
angebliche Mitglieder der RZ, sondern auch über Beteiligte an
vielfältigen autonomen und antifaschistischen Aktionen. "Zeigt
mir die Lichtbilder, und ich sage euch, wer was wann wo gemacht hat",
so lauten sinngemäß deine Worte gegenüber deinen
Vernehmungsbeamten.
Die einen von uns waren davon absolut geschockt, für andere
wiederum war dies nur eine Bestätigung, was sie dir schon immer
zugetraut hatten. Gefragt haben wir uns aber alle, was du dir eigentlich
dabei denkst, ausgerechnet gegenüber der Polizei über eine
Geschichte irgendwelche Aussagen zu tätigen, an der wir in den 80er
Jahren mit mehreren zehntausend Leuten in der BRD in einem politischen wie
gesellschaftskritisch engagierten Sinne beteiligt waren. Die
Binsenwahrheit, daß sich "die Zeiten" und damit die
politischen Handlungskonstellationen gegenüber den 80er Jahren
gravierend verändert haben, gibt dir nicht das Recht dazu. Und von uns
bekommst du dafür auch nicht einen Millimeter Verständnis oder
Zustimmung. Im Augenblick hast du ein falsches Leben mit wahrscheinlich
"viel" Geld und neuer "Identität (!)" gewählt.
Tarek - auch bei allem, was bei dir in deinen persönlichen
Lebenszusammenhängen noch ungeklärt ist - du kannst dir denken,
wie groß unsere Verachtung für so ein niederträchtiges
Verhalten ist.
Durch deine intensive Zusammenarbeit mit der Polizei hast du jede
Möglichkeit zerstört, an dich appellieren zu können, als
gäbe es noch eine Gemeinsamkeit zwischen uns. Aber dennoch irrst du
dich, wenn du glaubst, das du damit frei bist zu tun, was du für dich
für nützlich hältst. Wir garantieren dir unser
unmißverständliches NEIN, wenn du glaubst, mit Teilen unserer
politischen Geschichte - mit all' ihren guten wie schlechten Seiten -
so billig vor der Polizei und auf Kosten von sechs von dir in den Knast
gebrachten Leuten abrechnen zu können.
Es ist aber auch wahr, daß man nur in den Filmen von James Bond
"so einfach" die Seiten wechseln kann. Du wirst damit
konfrontiert werden, wenn das Gericht dich dazu auffordert, in der
konkreten Gegenüberstellung die Gefangenen mit der Wiederholung deiner
aktenkundigen Einlassungen für Jahre im Kerker verschwinden zu lassen.
Da hast du dann die letzte Chance, deine Aussagen zurückzunehmen.
Nicht nur in einem politischen Sinne finden wir, daß du diese letzte
Chance, auch um deiner selbst willen, unbedingt ergreifen solltest. Deshalb
haben wir auch keine Probleme damit, dich hiermit aufzufordern deine bei
der Polizei, Bundesanwaltschaft und sonstigen Staatsschutzbehörden
gemachten Aussagen wieder zurückzunehmen. Und deine von den
Staatsschutzbehörden bislang erhaltenen Gelder hast du
selbstverständlich den Inhaftierten als Wiedergutmachung zur
Verfügung zu stellen.
Soweit!
Freiheit für Lothar, Axel, Matthias und Harald, Sabine und
Rudolf!
Ingrid Scherf, Markus Mohr, Carola Kloß, Hans Euler, WoIf
Wetzel, Dicky Wulf, Imma Harms
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