www.freilassung.de
Zurück zur Startseite  
Presse

Datum:
01.12.2000

Zeitung:
Frankfurter Rundschau

Titel:
Schüsse durch das Fenster

Schüsse durch das Fenster

Aussage im Mordfall Karry

Eine Zeugenaussage im Opec-Prozess hat den Verdacht wieder genährt, dass Heinz Herbert Karry (FDP), der damalige hessische Wirtschaftsminister, im Mai 1981 in seinem Seckbacher Haus von Mitgliedern der Revolutionären Zellen (RZ) erschossen wurde. Für Klaus Timm, als Präsident des Landeskriminalamtes im Auftrag der Bundesanwaltschaft Ermittlungsführer in dem Fall, waren die Verdächtigen von Anfang an in RZ-Kreisen zu suchen.

Es war eine warme Frühsommernacht und deshalb stand das Fenster zu Karrys Schlafzimmer in der Hofhausstraße offen, als die Attentäter am 11. Mai 1981 von einer Aluminiumleiter durch die Gitterstäbe in den Raum feuerten, in dem der Minister und seine Frau im Bett lagen. Die Projektile aus einer Sportpistole vom Kaliber 22 trafen im Unterleib eine Hauptschlagader. Karry starb am Blutverlust.

Die Tatwaffe fanden Jugendliche später im Seckbacher Feld. Die Ermittler konnten anhand dieser Spur eine Verbindung zur terroristischen Szene herstellen. Die Sportpistole stammte aus einem Einbruch in eine US-Kaserne im mittelhessischen Kirchgöns, bei dem im November 1970 fünf Schusswaffen gestohlen worden waren. Mit einer Waffe aus dieser Beute wurde Karry getötet, eine andere bei einem Überfall auf den Amsterdamer Flughafen Schiphol und die dritte bei der Festnahme eines Mitglieds der "Bewegung 2. Juni" in Hamburg sichergestellt.

Sehr viel mehr haben Klaus Timm und seine Sonderkommission nicht herausgefunden und deshalb hält das Landeskriminalamt einen Bekennerbrief der RZ, der drei Wochen später im Briefkasten des damaligen Frankfurter Stadtmagazins Pflasterstrand lag, hinsichtlich der Täterschaft für ein ganz wichtiges Indiz. In dem Schreiben erklärten die Absender, Karrys Tod "sei nicht beabsichtigt, sondern ein Unfall" gewesen. Man habe dem "Türaufmacher des Kapitals" durch Schüsse in die Beine einen Denkzettel verpassen wollen, um ihn daran zu hindern, "seine zerstörerischen Projekte" - gemeint war der Bau der Startbahn West - "weiter zu verfolgen". Bei einer Tötungsabsicht, so heißt es in dem Schreiben, hätte man mit einer großkalibrigen Waffe auf Karry geschossen.

Für LKA-Präsident Timm sind das reine Schutzbehauptungen. Der Kriminalist geht von dem "objektiven Tatbefund" aus, wonach die Schüsse bei guter Sicht und aus nächster Nähe abgegeben wurden. "Für mich ist das Mord", bekannte er an Karrys zehntem Todestag in der FR.

Hans-Jürgen Biedermann

MAIL
http://www.freilassung.de/presse/mousli/fr011200a.htm