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Presse

Datum:
20.12.1999

Zeitung:
Berliner Morgenpost

Titel:
Terrorismusverdacht: Um 6 Uhr früh klickten die Handschellen

Terrorismusverdacht: Um 6 Uhr früh klickten die Handschellen

Fahnder vermuteten im Mehringhof Sprengstofflager

Zum zweiten Mal innerhalb von 26 Tagen hat der Generalbundesanwalt in Karlsruhe gestern früh Polizei in Marsch gesetzt, um in Berlin die beiden mutmaßlichen Terroristen Axel H. (49) und Harald G. (51) festnehmen zu lassen. Das geschah gegen 6 Uhr, zeitgleich klickten bei der 53-jährigen Sabine Barbara E. in Frankfurt am Main die Handschellen. In Kreuzberg durchsuchten Polizeikräfte den Mehringhof, in der Vergangenheit Zentrum und Ausgangspunkt vieler Aktionen der gewaltbereiten Szene Berlins. Den Überraschungsschlag gestern führten Einheiten der Polizei, des Bundeskriminalamtes und der Spezialeinheit GSG 9.

Eine Sprecherin des Generalbundesanwalts teilte mit, Harald G. und Frau E. werden verdächtigt, am 1. September 1987 den damaligen Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht, Günter Korbmacher, vor seinem Wohnhaus in Lichterfelde in die Beine geschossen zu haben. Sabine Barbara E. habe den Ermittlungen zufolge ein Jahr zuvor, am 28. Oktober 1986, auch den damaligen Leiter der Ausländerbehörde, Harald Hollenberg, vor seinem Wohnhaus in Lichterfelde mit Schüssen in die Waden niedergestreckt. Wer ihr Komplize war, ist offenbar noch nicht geklärt. Weitere Einzelheiten über die Festgenommenen teilte die Sprecherin unter Hinweis auf die laufenden Ermittlungen nicht mit. Bereits vor knapp vier Wochen, am 23. November, hatte die Polizei den heute 40-jährigen Deutsch-Libanesen Tarek Mohamad Ali M., einen Kampfsportlehrer, in Berlin festgenommen.

Indes: Die Attentate auf Hollenberg und Korbmacher können nicht mehr gerichtlich geahndet werden. In beiden Fällen handelte es sich wohl um gefährliche Körperverletzung, diese Taten sind jedoch inzwischen verjährt.

Nicht verjährt jedoch sind ihre Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und die ihnen zur Last gelegten Sprengstoffverbrechen. Harald G. und die Frau sind überführt, am 6. Februar 1987 einen Sprengstoffanschlag auf die Zentrale Sozialhilfestelle für Asylbewerber in der Torfstraße in Wedding verübt zu haben.

Der dritte Festgenommene, Axel H., war offensichtlich der Sprengstoffexperte der Gruppe. Den Ermittlern liegen Hinweise vor, dass er vor mehr als zehn Jahren in einem Gebäude des Mehringhofs Sprengstoff gelagert habe. Auf der Suche nach ebendiesem Sprengstoff durchsuchten Polizeibeamte den Gebäudekomplex. Die Suche blieb erfolglos. Tatsache ist, dass 1987 Terroristen 100 Kilogramm Sprengstoff und weitere Sprengmittel gestohlen hatten. Die gefährliche Beute machten sie vor allem in Steinbrüchen, wo häufig Sprengmittel eingesetzt werden. Dieses Material wurde auch verwendet, als die "Revolutionären Zellen/ Rote Zora" am 16. Januar 1991 die "Goldelse" auf der Siegessäule im Tiergarten aus ihrer Verankerung sprengten.

Walter Scharfenecker

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