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Presse - Kanada

Datum:
16.08.2004

Zeitung:
Berliner Morgenpost

Titel:
Kammergericht: Bewährungsstrafe für Bombenleger

Kammergericht: Bewährungsstrafe für Bombenleger

Am Ende gab es vor dem Gerichtssaal fröhliche Gesichter und Umarmungen - obwohl das Urteil nach einem Deal zwischen dem 1. Strafsenat des Kammergerichts, der Verteidigung und der Bundesanwaltschaft ja ohnehin schon vor dem Prozessauftakt festgestanden hatte: zwei Jahre Gefängnis für den 50 Jahre alten Lothar Ebke, ausgesetzt auf Bewährung.

Geblieben war schon zu diesem Zeitpunkt von der umfangreichen Anklage nur die Teilnahme an einer "Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion". Dabei ging es um Ebkes aktive Mitwirkung an einem Anschlag auf das Gebäude der Sozialhilfestelle für Asylbewerber am 6. Februar 1987. Der damalige Hausmeister des Szenetreffpunktes Mehringhof hatte das Gelände als neu geworbenes Mitglied der Revolutionären Zellen (RZ) ausgekundschaftet und den Sprengstoff deponiert. Glücklicherweise kamen keine Menschen zu Schaden.

Ebke hatte seine Beteiligung zugegeben - allerdings, wie der Vorsitzende des 1. Strafsenats, Frank-Michael Libera, resümierte, ohne wirkliche Reue. Ebke habe die Taten in einem "weichzeichnerischen Bild" wiedergegeben. Eine "wirkliche Distanzierung" von den terroristischen Anschlägen sei "nicht ausdrücklich erfolgt". Ohnehin habe sich der Senat von dem Angeklagten, dessen Aussage sich auf ein schriftlich vorbereitetes Geständnis beschränkte, "keinen direkten, unmittelbaren Eindruck machen können".

Libera übte auch Kritik am offenbar noch immer herrschenden Selbstverständnis ehemaliger Mitglieder der RZ. Zwar hätten sich die RZ von der "Roten Armee Fraktion" (RAF) abgegrenzt, urteilte der Senatsvorsitzende. Morde hätten die Mitglieder der RZ aber letztlich nur aus "Zweckmäßigkeitsgründen abgelehnt". So sei der Mord der RAF an Generalbundesanwalt Siegfried Buback am 7. April 1977 von den RZ als "gerechtfertigt" eingestuft worden.

Als Gründe, Ebkes Strafe dennoch zur Bewährung aussetzen zu können, sah der 1. Strafsenat das Geständnis des Angeklagten. Dadurch sei ein langwieriges Verfahren erspart geblieben. Auch lebe Ebke seit Anfang der 90er-Jahre, nach seiner Abkehr von den RZ, straffrei. Libera: "Den Angeklagten hat mit diesem Verfahren die eigene Vergangenheit eingeholt."

Ebke hatte vor Gericht ausgesagt, dass es schon seit 1988 innerhalb der RZ zunehmend inhaltliche Differenzen um die Fortführung des gewaltsamen Kampfes gegeben habe. Er selbst sei 1996 nach Kanada ausgewandert und habe mit einer Freundin in Yelloknife eine kleine Pension gegründet. Dorthin wolle er nun zurückkehren.

von Michael Mielke

MAIL
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