Datum:
12.12.2003
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Zeitung:
Tagespiegel
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Titel:
Mammut-Prozess vor dem Ende
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Mammut-Prozess vor dem Ende
Bundesanwalt fordert mehrjährige Haftstrafen im
Verfahren gegen den linken Terror der Revolutionären Zellen
Nach zweieinhalb Jahren ist sich die Bundesanwaltschaft so sicher wie am ersten
Verhandlungstag: Rudolf Schindler und seine Ehefrau Sabine Eckle seien wichtige,
wenn nicht die wichtigsten Personen in den linksterroristischen
Revolutionären Zellen (RZ) in Berlin gewesen. Sie und der Angeklagte
Matthias B. hätten in der terroristischen Vereinigung ein Dreigestirn
gebildet und seien als Rädelsführer zu bestrafen. Gegen den 61-jährigen
Schindler und seine vier Jahre jüngere Ehefrau verlangte Bundesanwalt Michael
Bruns gestern vor dem Berliner Kammergericht eine Haftstrafe von drei Jahren und neun Monaten.
Härter soll nach dem Willen der Anklage der 55-jährige B., einst Leiter
des Akademischen Auslandsamtes der TU, bestraft werden: vier Jahre und drei Monate.
Er hatte anders als Schindler und Eckle im Prozess geschwiegen. Gegen zwei weitere
Angeklagte verlangte Bruns wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung
Haftstrafen von zwei Jahren und neun Monaten sowie zwei Jahren und sieben Monaten.
Alle fünf Angeklagten seien zudem des Herbeiführens von Sprengstoffexplosionen
schuldig zu sprechen.
Es geht in dem Prozess um eine Zeit, die dem allgemeinen Bewusstsein weit
entrückt ist: den Terror von Linksextremisten in den 80er und frühen
90-er Jahren. Die Revolutionären Zellen hatten sich bundesweit
zu mehr als 180 Anschlägen bekannt. Ab 1985 richteten sich die Aktionen der
RZ vorrangig gegen die Ausländer- und Asylpolitik der Bundesrepublik. Im
Berliner Prozess geht es um Beinschuss-Attentate 1986 auf Harald Hollenberg
damals der Leiter der Berliner Ausländerbehörde und 1987 auf
den ehemaligen Richter am Bundesverwaltungsgericht Günter Korbmacher sowie
zwei Sprengstoffanschläge. Die RZ seien weitgehend von selbst
dahingeschieden, sagte Bruns in seinem zweitägigen Plädoyer.
Der Prozess habe dem Mythos RZ den Todesstoß versetzt. Wie in
der Anklage stützte er sich auch im Plädoyer vor allem auf die
umfassenden Aussagen eines früheren RZ-Mitglieds: Tarek Mousli. Als
der Karatelehrer im November 1999 festgenommen wurde, diente er sich nach
kurzem Zögern der Bundesanwaltschaft als Kronzeuge an. Er brachte Schindler,
Ecke und die anderen Angeklagten als mutmaßliche Zellen-Kämpfer vor
Gericht. Mousli selbst wurde bereits zu einer milden Bewährungsstrafe
verurteilt und befindet sich im Zeugenschutzprogramm.
Die Verteidigung
arbeitete im Verfahren unermüdlich an der Demontage des Kronzeugen, der
sich in seiner Aussage oft in Widersprüche verhedderte. Mousli behauptete
unter anderem, Schindler sei der Schütze der RZ gewesen.
Schindler selbst räumte die Schüsse auf Korbmacher ein, bestritt
jedoch die anderen. Im letzten Jahr tauchte plötzlich eine Zeugin auf
und bezichtigte sich der Schüsse auf Hollenberg. Bundesanwalt Bruns
meinte gestern unbeeindruckt: Die Zeugin ist nicht glaubwürdig.
Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt.
Von Kerstin Gehrke
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