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Datum:
Juli 2002
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Zeitung:
Telegraph
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Titel:
Der Berliner RZ-Prozess: Verurteilung um jeden Preis
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Der Berliner RZ-Prozess:
Verurteilung um jeden Preis
Seit März 2001 findet im Berliner Kriminalgericht Moabit der
wohl letzte große "Terroristen-Prozess" statt, wie zu
apostrophieren dieses Verfahren die bürgerliche Presse ab und
an beliebt. Und damit hat sie sogar recht. Weist dieser Prozess
doch alles auf, was man von einem großen Staatsschutzprozess
in Deutschland erwarten darf: den unumstößlichen
Verurteilungswillen von Bundesanwaltschaft (BAW) und Gericht,
einseitige Ermittlungen der Verfolgungsbehörden, manipulative
Ermittlungs- und Verfahrensführung, Aktenmanipulation und
-zurückhaltung sowie die Verstrickungen der Geheimdienste. Das
alles richtet sich gegen vier Männer und eine Frau, die vor
dem 1. Strafsenat des Kammergerichts Berlin wegen Mitgliedschaft in
einer "terroristischen Vereinigung" und diverser Aktionen im Berlin
der späten 80er und zum Teil frühen 90er Jahre angeklagt
sind. Mit den Mitteln der Justiz soll so die staatliche Abrechnung
mit der militanten Politik der "Revolutionären Zellen" (RZ)
ihren Abschluss finden - Jahre nachdem sich die
"Revolutionären Zellen" selbst aufgelöst haben. Im
Mittelpunkt des Verfahrens steht dabei ein dubioser Ex-Militanter
der RZ, der sich den Ermittlungsbehörden als Kronzeuge
angedient hat.
Bereits der spektakuläre Auftakt zu diesem Verfahren hatte es
in sich: Am 19. Dezember 1999 initiierten BAW, Bundeskriminalamt
(BKA) und der polizeiliche Staatsschutz unter Zuhilfenahme der
"Anti-Terror-Einheit" GSG 9 sowie der Berliner Polizei ein
Großereignis, das offensichtlich an die groß angelegten
Fahndungsmaßnahmen gegen "TerroristInnen" in den 70er und
80er Jahren erinnern sollte. Insgesamt 1.000 Beamte in den
unterschiedlichsten Funktionen beteiligten sich an der Durchsuchung
des Berliner Politik- und Kulturzentrums MehringHof - bei dem ein
Sachschaden von rund 50.000 EUR entstand - und der Verhaftung von
Axel Haug (51), Hausmeister des Projekts, und Harald Glöde
(53), Mitarbeiter der "Forschungsgesellschaft Flucht und Migration"
in Berlin sowie von Sabine Eckle (55), Galeristin in
Frankfurt/Main.
Die Durchsuchungsaktion im MehringHof geht, wie die Festnahmen,
zurück auf die Aussagen des ehemaligen Kreuzberger
Karatelehrers Tarek Mousli. Neben den drei am 19. Dezember 1999
Verhafteten sorgte Mousli ebenfalls dafür, dass auch der
Ehemann von Sabine Eckle, Rudolf Schindler (59), der im Februar
2001 im so genannten Frankfurter OPEC-Prozess vom Vorwurf der
Beihilfe freigesprochen worden war, in Berlin angeklagt wurde. Im
Frühjahr 2000 erfolgt eine weitere Verhaftung in Berlin.
Dieses Mal traf es Matthias Borgmann (53), zu diesem Zeitpunkt
Leiter des Akademischen Auslandsamts der Technischen
Universität. In Kanada wurde Lothar Ebke (48) verhaftet. Gegen
ihn läuft seitdem ein Auslieferungsverfahren, dass er aber von
Beginn an - anders als die in der Bundesrepublik Verhafteten -
unter Auflagen in Freiheit abwarten kann. Mit Tarek Mousli, der in
den 80er Jahren kein Unbekannter in der Westberliner autonomen
Szene war, hat die BAW damit aus ihrer Sicht einen Glücksgriff
getan.
Wie mache ich einen Kronzeugen
Nach offizieller Darstellung kommt das BKA Mousli im März 1998
auf die Spur, als es ihn als Mieter eines Kellers ausmacht, aus dem
drei Jahre zuvor Sprengstoff gestohlen worden sein soll. Der
Sprengstoff war am 7. April 1995 von der Berliner Polizei bei einem
jungen Kreuzberger Kleinkriminellen beschlagnahmt worden. Der junge
Mann gab an, den Sprengstoff auf einer Parkbank gefunden zu haben
und war anschließend zu einer geringen Jugendstrafe
verurteilt worden. Obwohl - wie inzwischen bekannt - das Berliner
Landeskriminalamt (LKA) den Sprengstofffund sofort dem BKA meldete
und diese Meldung in den relevanten Referaten des BKA auch
abgezeichnet wurde, reagierte das BKA 1995 nicht. Erst im November
1997 soll in einem internen BKA-Gutachten der Zusammenhang zwischen
dem in Berlin aufgetauchten Sprengstoff und verschiedenen
RZ-Anschlägen hergestellt worden sein. Die daraufhin
eingeleiteten Ermittlungen münden im März 1998 in ein
Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen des "Verdachts eines
Verbrechens nach § 129a". Mit der Führung der
Ermittlungstätigkeiten wird der kurz vor seiner Pensionierung
stehende BKA-Beamte Klaus Schulzke beauftragt. Mit einem Kollegen
fährt Schulzke nach Berlin, um den vermeintlichen
Sprengstoffdieb dort unter die Lupe zu nehmen. Die Beamten setzten
den jungen Mann bei verschiedenen Begegnungen massiv unter Druck.
Und so gibt er am Ende an, den Sprengstoff tatsächlich aus
einem Keller im Prenzlauer Berg gestohlen zu haben, dessen Mieter
zum damaligen Zeitpunkt Mousli war. Wie vieles in diesem Verfahren,
so liegen auch die weiteren Ermittlungen des BKA im Dunkeln. Glaubt
man den Aufzeichnungen der Ermittler, so geschah in den
Sommermonaten zwischen April und September 1998 eigentlich nichts.
Erst ab Oktober 1998 wird bei Mousli eine richterlich genehmigte
Telefonüberwachung durchgeführt. Rund ein Jahr nach den
ersten Hinweisen auf Mousli erfolgt dann am 14. April 1999 seine
vorläufige Festnahme und die Durchsuchung seiner Wohnung und
seines Arbeitsplatzes. Man fragt sich, was die Beamten eines auf
Erfolg getrimmten Ermittlungsapparates in diesem einen Jahr der
Untätigkeit unternommen haben könnten. Als wahrscheinlich
dürfte gelten, dass zumindest umfangreiche
Hintergrundinformationen über Mousli zusammengetragen wurden,
um so zu einer Einschätzung zu gelangen, ob der Karatelehrer
das Zeug für einen Kronzeugen hergibt, oder wie er dazu
gemacht werden kann. Sieht man sich das weitere Vorgehen der
Ermittlungsbehörden nach seiner ersten vorläufigen
Verhaftung an, so kann von einem langfristig angelegten Plan
ausgegangen werden, der bereits in diesem Jahr entstanden sein
dürfte. Dabei ist die Zielvorgabe klar: Mousli soll derart
unter Druck gesetzt werden, dass er bereit ist, über
Strukturen der RZ auszusagen und dabei andere Personen zu belasten.
In diesem Zusammenhang hat der von Mousli beschuldigte Harald
Glöde, in einer Erklärung vom 17. Mai 2001, auf die
Eigendynamik eines einmal in Gang gesetzten Ermittlungsapparates
verwiesen. Nach seiner Ansicht sei auf Grund des langen
Ermittlungsvorlaufes der Zwang entstanden, ein möglichst
spektakuläres Ergebnis zu erzielen. Die alleinige Verhaftung
von Mousli galt den Ermittlungsbehörden als nicht mehr
ausreichend.
Mousli zeigt sich bei seiner ersten Verhaftung grundsätzlich
kooperationsbereit, streitet zunächst jedoch ab, Sprengstoff
in seinem Keller gelagert oder etwas mit RZ-Strukturen zu tun
gehabt zu haben. Noch am selben Tag - und dies ist für ein
§ 129a-Verfahren mehr als ungewöhnlich - wird er auf
Anweisung der BAW wieder auf freien Fuß gesetzt. Bei
Gesprächen zwischen den BKA-Beamten und Mousli, die am
Folgetag stattfinden, wird ihm erstmalig die Kronzeugenrolle
angeboten. Dass sich Mousli der Taktik der BKA-Beamten bewusst ist,
zeigt ein im April 1999 aufgezeichnetes Telefongespräch
zwischen ihm und seiner Freundin. Darin schildert er die
Ermittlungsmethoden des BKA folgendermaßen: "Das hat Methode,
mich einzuschüchtern, mich weich zu kochen, damit ich Aussagen
mache ... Die ziehen ein Netz und schnüren das immer enger
zu."
Sonderbehandlungen der speziellen Art
Und so kommt es dann auch: Rund einen Monat später, am 19. Mai
1999, wird Mousli erneut verhaftet. Neben "Unterstützung einer
terroristischen Vereinigung" wirft ihm das BKA nun auch den Besitz
von Sprengstoff vor. Mousli wird in die JVA Moabit eingeliefert,
allerdings werden die bei § 129a-Verfahren üblichen
Haftverschärfungen durch die BAW außer Kraft gesetzt.
Ebenso ungewöhnlich ist, dass ihm von der BAW unmittelbar nach
seiner Einlieferung die bislang vorliegenden Ermittlungsakten
zugestellt werden, um ihm die Gelegenheit zu geben, sich vor seiner
ersten Vernehmung in die bisherigen Ermittlungsergebnisse
einzuarbeiten. Erneut zeigt sich Mousli kooperationsbereit und
beginnt, zu einzelnen Komplexen Aussagen zu machen. So gibt er an,
den Sprengstoff für einen verstorbenen Freund in seinem Keller
aufbewahrt zu haben und den Teil, der nach dem Diebstahl übrig
geblieben sein soll, in einem Seegraben am nördlichen Rand von
Berlin entsorgt zu haben. Auch diese Phase polizeilicher
Ermittlungsarbeit ist schlecht dokumentiert: Aus den
zurückhaltenden Gesprächsnotizen der ermittelnden Beamten
ist lediglich zu entnehmen, dass ihm während der
Untersuchungshaft das Kronzeugenangebot noch mindestens einmal
unterbreitet wird, doch gibt es zu diesem mehr als drei Stunden
dauernden Gespräch nur einen kurzen, zusammenfassenden
Bericht. Obwohl Mousli nur einzelne sehr ungenaue Angaben macht und
obwohl der Sprengstoff auch nach intensiver polizeilicher Suche an
der von ihm bezeichneten Stelle nicht gefunden wird, beantragt die
BAW einen Monat nach seiner erneuten Inhaftierung einen
mündliche Haftprüfungstermin, dem am 7. Juli vom
Bundesgerichtshof (BGH) stattgegeben wird.
Am 2. August 1999 erweitert die BAW das Ermittlungsverfahren gegen
Mousli um den Vorwurf der "Rädelsführerschaft". Verhaftet
wird Mousli allerdings erst am 23. November. Offensichtlich
versprach sich die BAW in Absprache mit dem BKA mehr davon, Mousli
auf freiem Fuß zu belassen. Auch über diese zeitliche
Phase der Ermittlungen ist nur sehr wenig bekannt. Erst intensive
anwaltliche Recherchen während der Hauptverhandlung
förderten überhaupt zu Tage, dass die Telefone von Mousli
auch in dieser Zeit überwacht werden. Als Mousli, nach
wahrscheinlich umfangreichen Vorbereitungen, am 23. November 1999
verhaftet wird, hat sich seine Situation erheblich verschlechtert.
Die Anklage lautet nun neben "Besitz von Sprengstoff" und
"Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung" auch auf
"Rädelsführerschaft". Das ihm angedrohte Strafmaß
hat sich damit drastisch erhöht. Durch die seit April gegen
ihn demonstrativ durchgeführten Ermittlungen hat er seine
diversen Anstellungen als Karatetrainer verloren - seine ohnehin
angespannte finanzielle Lage spitzt sich so erheblich zu.
Das wissen auch BAW und BKA, und so wird Mousli in verschiedenen
zwischen den beiden Behörden abgestimmten Gesprächen
erneut das Angebot der Kronzeugenregelung mit einer
anschließenden auch finanziellen Versorgung im Rahmen des
BKA-Zeugenschutzprogramms unterbreitet. Von einem der leitenden
Staatsanwälte wird Mousli dabei unmissverständlich
deutlich gemacht, dass er eine mehrjährige Freiheitsstrafe nur
vermeiden kann, wenn er den Ermittlungsbehörden
"Knüller", d.h. weitere Täter liefert. Für diesen
Fall wird ihm dann auch schon die später tatsächlich
ausgesprochene Strafe von zwei Jahren auf Bewährung
angekündigt - 1.200 EUR monatlich auf Lebenszeit und neue
Identität inklusive. Am 7. Dezember erhält Mousli eine
von der Staatsanwaltschaft unterschriebene Gesprächsnotiz, in
der das Geschäft besiegelt wird. Am 22. Dezember unterschreibt
Mousli mit seiner Freundin die Verpflichtungserklärung der
Zeugenschützer des BKA. Damit legt er seine Zukunft in die
Hände der Ermittlungsbehörden. Mousli beginnt nun, die
"Knüller" zu liefern, die am 19. Dezember 1999 zu den ersten
Verhaftungen führen. Im April 2001 wird er aus der Haft
entlassen (aus dieser Zeit stammen auch die ersten Hinweise, dass
zahlreiche Gespräche mit dem Verfassungsschutz stattgefunden
haben) und im Dezember wird er - wie abgesprochen - in einem
abgetrennten, lediglich vier Tage dauernden Verfahren vor dem
Berliner Kammergericht zu zwei Jahren Haft auf Bewährung
verurteilt.
Die Anklage steht und fällt mit dem Kronzeugen
Zehn Monate nach den Dezember-Verhaftungen präsentierte die
BAW auf Grundlage der Aussagen Mouslis ihre Anklage. Darin wirft
sie den fünf Angeklagten "Mitgliedschaft in einer
terroristischen Vereinigung" bzw. Rudolf Schindler
"Rädelsführerschaft" in den "Revolutionären Zellen"
vor. Inzwischen - im Mai 2002 - ist der Vorwurf der
"Rädelsführerschaft" auf Sabine Eckle und Matthias
Borgmann ausgeweitet worden, wodurch die kuriose Situation
entstanden ist, dass die Berliner RZ in den Augen der RichterInnen
des Kammergerichts aus beinahe mehr Führungsmitgliedern als
einfachen Kombattanten bestanden haben soll. Angeklagt sind alle
fünf wegen der Beteiligung an einem Sprengstoffanschlag auf
die Berliner Zentrale Sozialhilfestelle für Asylbewerber (ZSA)
im Februar 1987, bei dem ein Sachschaden von 2.500 EUR entstanden
war. Den drei Berlinern wird zudem der gescheiterte
Sprengstoffanschlag auf die Berliner Siegessäule während
des Golfkriegs 1991 angelastet. Vorgeworfen werden den Angeklagten
darüber hinaus die Knieschüsse auf den ehemaligen Leiter
der Berliner Ausländerbehörde, Harald Hollenberg, im Jahr
1986 (hier außer Harald Glöde) und den damaligen Richter
am Bundesverwaltungsgericht, Dr. Günter Korbmacher, im Jahr 1
?????A ?Sta987. Zwar ist der Tatvorwurf der Körperverletzung
mit einer zehnjährigen Verjährungsfrist belegt, dennoch
sind die beiden Attentate durch die BAW in das Verfahren
eingeführt worden, weil sie - so die Anklagevertretung - "die
Gefährlichkeit der terroristischen Vereinigung RZ" belegen
würden.
Die gesamte Anklage beruht, außer einigen spärlichen
Indizien, auf den Aussagen des Kronzeugen Mousli. "Die
Anklageschrift liest sich wie ein einziges Trimm-Spiel der
Bundesanwaltschaft mit der offenkundig knetbaren Person Mousli",
urteilte das "Komitee für Grundrechte und Demokratie" zu
Beginn des Prozesses. Allein zwischen dem 23. November 1999 und dem
24. Januar 2000 wurde Mousli 44-mal vernommen. Dabei seien ihm - so
die Verteidiger - "zahlreiche Aktenbestandteile, Zusammenfassungen
von Zeugenaussagen und Urkunden" zur Verfügung gestellt
worden. "Das Erschreckende jedoch am Umgang der
Ermittlungsbehörden mit dem Kronzeugen Mousli ist die Art und
Weise, wie sich darum bemüht wurde, die Vielzahl von
Widersprüchen im nachhinein zu objektivem Geschehen und
anderen Erkenntnissen zu glätten", kritisiert Rechtsanwalt
Wolfgang Kaleck. In seinem (natürlich abgelehnten) Antrag auf
Einstellung des Verfahrens vom 29. März 2001 gab Kaleck
bereits zu bedenken: "Es wird wohl niemand ernsthaft behaupten
wollen, dass der Kronzeuge Mousli, wenn er im hiesigen Verfahren
als Zeuge vernommen wird, seine persönlichen Wahrnehmungen
über in der Vergangenheit liegende Ereignisse bekunden wird,
also dass er das wiedergibt, was er aus seiner heutigen Erinnerung
heraus über die Geschehnisse der Jahre 1985ff. weiß.
Mousli wird vielmehr das Ergebnis der gemeinsamen Arbeit von
eineinhalb Jahren mit den Beamten des Bundeskriminalamtes und den
Bundesanwälten in der Hauptverhandlung präsentieren
wollen. Seine Aussage wird eine Mischung aus konkreten
Erinnerungen, Hinzu- und Hinweggedichtetem, Erlerntem, nach Vorhalt
durch die Ermittlungsbehörden Korrigiertem u.a. sein. Dies ist
angesichts der anderthalbjährigen Arbeit gar nicht anders
denkbar."
Es musste daher das Anliegen der Verteidigung sein, innerhalb des
Prozesses die Aussagegenese des Zeugen zu rekonstruieren, um
vorgefundene Ungereimtheiten, Widersprüche und Falschaussagen
herauszuarbeiten. Die drei Anklagevertreter der Bundesanwaltschaft
ihrerseits wollen das ganz offensichtlich verhindern. Ihr Ziel ist
es, den Kronzeugen zu schützen und damit das ganze
Anklagegebäude aufrecht zu erhalten. Auch die Anklagevertreter
kennen die "Schwächen" ihres Zeugen. Nur so ist zu verstehen,
warum sie - vermutlich in der Hoffnung, es werde den Angeklagten
und ihrer Verteidigung auf Grund der Fülle des Materials nicht
auffallen - wesentliche Aktenbestandteile zurückgehalten
haben. Dies ist, rechtsstaatliche Kriterien angelegt, bedenklich
genug. Weit bedenklicher jedoch ist das Verhalten des Gerichts: Es
hat sich - und da sind sich alle Prozessbeobachter einig - um
Sachaufklärung kaum bemüht. Die Befragung des Kronzeugen
durch das Gericht war von großer Zurückhaltung bis hin
zur Laxheit geprägt, die ihresgleichen in einem
Gerichtsverfahren sucht. Selbst die offensichtlichsten
Widersprüche in den Aussagen des Zeugen wurden nicht
hintergefragt, z.T. konnte man beobachten, dass selbst das
Aktenmaterial nicht studiert worden war. Bemühten sich die
Anwälte, dem Kronzeugen mit einer härteren Gangart
klarzumachen, dass er die Wahrheit zu sagen habe, wurde dies
mehrfach vom Gericht unterbunden. Selbst bei den von der BAW
zurückgehaltenen Akten bedurfte es in vielen Fällen
mehrerer Anträge der Verteidigung, bis sich der Senat
genötigt sah, die Herbeischaffung dieses Materials zu seiner
Sache zu machen.
Wahrheitsfindung nach Art des Kammergerichts
Hatten sich in der ersten Phase des Prozesses alle Angeklagten
geweigert, Aussagen zu machen, haben seit Anfang diesen Jahres drei
Angeklagte Angaben zur Sache gemacht. Hintergrund dafür ist
nicht zuletzt der sich "unerträglich dahinschleppende Verlauf
dieses Verfahrens", so Axel Haug in seiner persönlichen
Erklärung. Ende Februar 2002 hatte der MehringHof-Hausmeister
Unterstützungsleistungen für die RZ Mitte der 80er Jahre
eingeräumt. Gleichzeitig widersprach er den Behauptungen des
Kronzeugen zu seiner Beteiligung an RZ-Anschlägen. Als
unsinnig qualifizierte er die Aussage Mouslis, im MehringHof habe
es ein RZ-Waffendepot gegeben: "Wäre ich zu irgendeiner Zeit
mit einem solchen Ansinnen konfrontiert worden, hätte ich mich
entschieden dagegen verwahrt ... Der MehringHof ist vermutlich
einer der bestüberwachten linken Treffpunkte der Stadt."
Axel Haug und Rudolf Schindler, ebenso wie seine Ehefrau Sabine
Eckle, die sich den Ausführungen ihres Mannes anschloss,
wurden nach den Einlassungen aus der U-Haft entlassen. Schindler
wurde zudem ein Strafhöchstmaß von drei Jahren und neun
Monaten auf Bewährung vom Gericht garantiert. Wie der Senat
die Einlassungen der drei Angeklagten bewertet, machte er mit einem
Beschluss vom 4. März klar, mit dem er erneut eine
Haftverschonung Harald Glödes ablehnte. Der "dringende
Tatverdacht ist nach wie vor gegeben", so das Gericht, und sei
durch die Einlassungen sogar "erhärtet worden". Mit ihren
Teilgeständnissen hätten Rudolf Schindler, Sabine Eckle
und Axel Haug "die im Ermittlungsverfahren und in der laufenden
Hauptverhandlung gemachten Angaben des Kronzeugen bestätigt".
Mit ihren Aussagen hätten die drei zudem "zu erkennen gegeben,
dass sie bereit sind, die Verantwortung jedenfalls für einen
Teil der ihnen gemachten Vorwürfe zu übernehmen und sich
dem Verfahren zu stellen", weshalb auch aus Gründen der
Gleichbehandlung eine Haftverschonung nicht in Frage käme.
Dass Sabine Eckle dabei lediglich die verjährte Mitgliedschaft
in einer "terroristischen Vereinigung" eingestanden hat und Axel
Haug nur Unterstützungshandlungen "im rechtsverjährten
Zeitraum" einräumte, also beide im Kern den Anklagevorwurf
bestritten, spielt dabei keine Rolle.
Auch wenn in der Zwischenzeit alle Angeklagten aus der U-Haft
entlassen sind, hat das Gericht also zuvor deutlich gemacht, was es
eigentlich von ihnen erwartet. Denn die mehrfachen Entscheidungen
des Kammergerichts in Sachen Beendigung der Untersuchungshaft
machen deutlich, dass Erzwingungshaft zum Repertoire dieses
Gerichts gehört: Nur wer einen Unglücksfall in der
Familie hat (wie Matthias Borgmann und Harald Glöde) oder aber
durch eine Einlassung in der einen oder anderen Form seine
Kooperationsbereitschaft mit dem Gericht zeigt, kann mit
Haftverschonung rechnen. Wer jedoch auf sein Recht auf
Aussageverweigerung pocht und somit den Ball an die
Anklagebehörde zurückgibt, alleine auf Grundlage der
widersprüchlichen Aussagen des Kronzeugen über Schuld und
Unschuld zu entscheiden, soll wegen mangelnder
Kooperationsbereitschaft mit dem Gericht dafür
büßen.
Plausible Gegengeschichten
Bereits am 18. Januar hatte Rudolf Schindler mit seiner Einlassung
der Version des Kronzeugen eine zweite über die RZ der 80er
Jahre in Berlin gegenüber gestellt. Er sei zu der
Überzeugung gekommen, "dass ich nur so aufzeigen kann, wo und
in welchem Umfang die Aussagen von Tarek Mousli falsch sind", so
Schindler. In seiner Erklärung äußerte sich
Schindler ausschließlich zu seiner Person und "mit ihrem
Einverständnis" zu seiner Frau Sabine Eckle. In seiner
Einlassung bekannte sich Schindler zu seiner Mitgliedschaft in den
RZ und räumte seine Beteiligung an den Knieschussattentaten
auf Harald Hollenberg und Günter Korbmacher sowie am
Sprengstoffanschlag auf die ZSA ein. An vielen Punkten bietet seine
Einlassung nicht nur plausible Erklärungen für die vielen
Widersprüche, in die sich Mouslis mehr und mehr verstrickt
hat, sie offenbart zudem offensichtliche Lügen des Kronzeugen.
So erklärte Schindler zum Anschlag 1986 auf den damaligen Chef
der Berliner Ausländerbehörde Harald Hollenberg, er habe
ihn in Schach gehalten, während seine Begleiterin auf die
Beine von Hollenberg schoss. Diese Frau sei nicht Sabine Eckle
gewesen, so Schindler. Laut Mouslis Version, die er, wie er
einräumt, ohnehin nur vom "Hörensagen" kennen will, soll
jedoch das Ehepaar die Aktion ausgeführt haben, wobei
Schindler der Schütze gewesen sei. Hollenberg selbst hatte
allerdings immer angegeben, eine Frau habe auf ihn geschossen. So
war es auch in Veröffentlichungen der RZ immer dargestellt
worden. Zudem passte die Täterbeschreibung diverser Zeugen
nicht auf die schmächtige Sabine Eckle. Insofern
überrascht es nicht, dass im Zuge der damaligen Ermittlungen
bei einer Fotoidentifizierung eine andere Person als Täterin
ausgemacht wurde. Trotzdem hatten die Anklagevertreter, obwohl
ihnen diese Widersprüche längst bekannt waren, kein
Problem damit, Sabine Eckle trotzdem wegen dieser Aktion
anzuklagen.
Entschieden widersprach Schindler auch der Darstellung Mouslis zu
seiner Rolle in den RZ: "Ich war kein Gründungsmitglied der RZ
und habe dies Tarek Mousli gegenüber niemals behauptet", so
Schindler. Gleichzeitig betonte er: "Ich weiß bis heute
nicht, wer die RZ gründete, denn die RZ war keine Schwatzbude,
sondern, wie Bundesanwalt Griesbaum hier in der Hauptverhandlung
richtig feststellte, "eine klandestine Vereinigung mit einem
ausgefeilten Sicherheitskonzept", in der über biografische
Daten, Tatbeteiligung und Tatausführung striktes
Stillschweigen gewahrt wurde. Deshalb wussten RZ-Mitglieder selbst
nach längerer Zugehörigkeit nichts voneinander, was
über ihre unmittelbare Zusammenarbeit hinausging."
Was Schindler zu den RZ-Strukturen in seiner Einlassung berichtete,
widerspricht entsprechend auch den Behauptungen des Kronzeugen, wie
er auch Mouslis eigener Darstellung zu dessen Rolle in den RZ
widerspricht: "Die Angaben Tarek Mouslis zur Zusammensetzung der
Gruppen und dem Modus ihrer Zusammenarbeit sind komplett falsch.
Während die Absicht hinter den meisten seiner Lügen
entschlüsselbar bleibt, ist mir ein Rätsel, warum er
Leute als Mitglieder angibt, die keine waren, und andere dafür
rausläßt." Mousli sei - entgegen seiner eigenen Version
- beim Sprengstoffanschlag auf die ZSA im Februar 1987 der
Haupttäter gewesen: "Die ZSA war von Anfang an Tarek Mouslis
Projekt."
Vehement widersprach er zudem der Selbstdarstellung Mouslis als
angeblich unscheinbarem Mitläufer: "Tarek Mousli war alles
andere als "schwach" oder "weich", weder in seinen politischen
Ansichten noch in seiner Praxis." Kenner der Westberliner autonomen
Szene bestätigen das, wenn auch hinter vorgehaltener Hand. So
bestreitet Mousli bis heute unwidersprochen, noch Anfang der 90er
Jahre als an vorderster Front bei militanten Aktionen u.a. gegen
Faschisten mitgewirkt zu haben und geriert sich lieber als kaum
kampferprobter Kronzeuge.
An einem zentralen Punkt jedoch bestätigte Schindler die
Angaben Mouslis. So bekannte er sich dazu, dem Asylrichter am
Bundesverwaltungsgericht, Günter Korbmacher, in den
Unterschenkel geschossen zu haben. Allerdings korrigierte er die
Version des Kronzeugen auch hier an einem entscheidenden Punkt.
Mousli will während des Anschlags in Kreuzberg den Polizeifunk
abgehört haben. Laut Schindler hat jedoch er das Motorrad
gesteuert, mit dem der Anschlag durchgeführt worden war.
"Tarek Mousli war ... alles andere als ein Bedenkenträger. Das
ist seine heutige opportunistische Verkleidung gegenüber den
Strafverfolgungsbehörden. Im Gegenteil. Er war Feuer und
Flamme für diese Aktion." Bereits während der
Hauptverhandlung waren Zweifel an Mouslis Aussage aufgekommen. So
beharrte der Kronzeuge darauf, das Tatfahrzeug in den Wochen vor
dem Anschlag mehrere Male Probe gefahren zu haben. Dabei habe er
die Motorradmontur getragen, die beim Anschlag benutzt worden sei
und die später im Fluchtfahrzeug gefunden worden war. Zeugen
wollen allerdings das Motorrad, das in Nordrhein-Westfalen
gestohlen wurde, zwei Tage vor dem Anschlag am Grenzübergang
Dreilinden gesehen haben. Warum hält Mousli unter diesen
Umständen weiterhin an seiner Aussage fest? Wohl doch nur
deshalb, um eine Erklärung parat zu haben, falls doch
irgendwann die Ergebnisse der kriminaltechnischen Untersuchung der
Motorradkleidung in das Verfahren eingeführt werden und Mousli
entsprechende Spuren erklären muss.
Doch das ist nicht der einzige Widerspruch, der bei der Aussage
Mouslis zum Korbmacher- Attentat auftauchte. In der Regel sind die
Aussagen des Kronzeugen, wenn sie auf "Hörensagen" beruhen,
schwammig und wenig präzise. Im Gegensatz dazu hat er den
Anschlag auf Korbmacher sehr detailliert beschrieben, will daran
aber nicht beteiligt gewesen sein. So ließ ihn sein
Gedächtnis auch nur an einem Punkt im Stich: partout wollte
ihm nicht einfallen, wer das Motorrad gefahren hat. Dagegen konnte
seine damalige Lebensgefährtin Karmen T. den Tathergang
gegenüber den Ermittlungsbehörden sehr genau beschreiben.
Ihre Angaben erschienen dem BKA und der BAW noch Ende 1999 so
glaubwürdig, dass ihr die Aufnahme in das Zeugenschutzprogramm
des BKA angeboten und der Haftbefehl gegen Mousli auf
"Rädelsführerschaft" ausgeweitet wurde. Ihr Wissen
über die Tat stammt von Mousli selbst, der ihr nicht nur
detailliert von dem Anschlag erzählt hatte, sondern sich ihr
gegenüber sogar als Schütze ausgegeben hatte. Ob sich
Karmen T. an diesem Punkt irrt oder ob Mousli sich ihr
gegenüber wichtig machen wollte, kann heute nicht mehr
geklärt werden.
Verkommen und verlogen von Anfang an
Bereits aus der Anklageschrift hatten sich zahlreiche
Widersprüche in den Aussagen Mouslis ergeben. So ist seine
Behauptung, Harald Glöde sei am Anschlag auf die ZSA beteiligt
gewesen, nachweislich erlogen. Harald Glöde hat ein Alibi. Er
befand sich zu diesem Zeitpunkt im Polizeigewahrsam. Auch ein
Abgleich der DNA der Angeklagten mit Spuren, die an den Tatorten
gefunden wurden, war in allen Fällen negativ, und im Fall des
angeblichen Sprengstoffdepots im MehringHof hat selbst das
Kriminaltechnische Institut des BKA "keine Spuren von organischen
Explosivstoffen oder deren Komponenten" finden können.
Videobänder von der zweiten MehringHof- Durchsuchung im April
2000 - vom BKA unterschlagen und erst während des Prozesses
aufgetaucht - zeigen, dass Mousli keineswegs "zielgerichtet
Angaben" machen konnte, sondern ein Sprengstofflager erst herbei
fantasiert hatte.
Nicht viel besser sieht es für Mousli inzwischen in Sachen des
Sprengstoffs aus, den er nach dem Einbruch in seinem Keller 1995 in
einem Seegraben im Norden Berlins versenkt haben will. Die nach dem
Diebstahl im Keller verbliebenen Stangen des "Gelamon 40" will er
dort versenkt haben, so der Kronzeuge. Nun fanden sich aber in
seinem Keller weder Sprengstoffspuren, und auch im Seegraben wurde
erst im August 1999 - nach zwei vergeblichen Versuchen des BKA und
unter Anleitung Mouslis - Sprengstoff gefunden. Allerdings an einer
völlig anderen Stelle und erst, nachdem Mousli aus der U-Haft
entlassen war und nicht unter Observation stand. Noch ist
ungeklärt, ob auch das BKA von diesem "Fund" an anderem Ort
wusste.
Nun hat sich auch noch in der Hauptverhandlung herausgestellt, dass
der gefunden Sprengstoff wenig Ähnlichkeit mit dem
inkriminierten "Gelamon 40" aufweist. Zwei als Zeugen geladene
Chemiker - der eine von der Berliner Polizei, der andere vom BKA -
erklärten, dass es sich bei dem im Seegraben gefunden
Sprengstoff vermutlich nicht um "Gelamon" gehandelt habe, denn der
chemische Wirkstoff Ammoniumnitrat fehlte komplett. "Und der kann
sich", so der Sachverständige, " nicht rückstandsfrei
auflösen." Mousli jedoch hatte behauptet, eben jenes "Gelamon
40" sei ihm von angeblichen RZ-Mitgliedern zur Aufbewahrung
übergeben worden. Zudem, so der BKA-Sachverständige,
"hatte der Sprengstoff weniger als zwei Monate direkten Kontakt mit
Wasser: Keinesfalls mehrere Jahre". Das belegt auch ein
vorläufiges Gutachten des renommierten Fraunhofer-Instituts,
dass das Klebeband, mit dem das Sprengstoffpaket umwickelt war,
zwar Wasser ausgesetzt gewesen ist - aber nicht vier Jahre. Die
Gutachter kommen zu einem eindeutigen, für den Kronzeugen
höchst unerfreulichen Ergebnis: "Die Untersuchung des Zustands
des Klebebandes zeigt, dass es bezüglich der Einwirkung von
Wasser praktisch unverändert ist. Es kann daher", so die
Gutachter weiter, "höchstens wenige Monate" im Wasser gelegen
haben, "keinesfalls Jahre".
Ebenso dubios wie die Seegraben - Geschichte ist die Art und Weise,
wie die Belastungen gegen Matthias Borgmann zu Stande kamen. Laut
Mousli sollen die RZ in Berlin in zwei Zellen organisiert gewesen
sein, wobei man nur die Mitglieder seiner Zelle gekannt habe. Da
Matthias Borgmann in der anderen Berliner Zelle organisiert gewesen
sein soll, hätte es also demnach nie die Möglichkeit
gegeben, dass beide sich im RZ-Zusammenhang gesehen haben. Wenn es
nicht, laut Mousli, einen ominösen Waldsparziergang Ende der
80er Jahre gegeben hätte. Wann genau der gewesen sein soll,
weiß Mousli allerdings nicht mehr, will sich aber sicher
sein, dass an ihm fast alle RZ-Mitglieder aus Berlin teilgenommen
hätten. Diese Geschichte hat Mousli erst sehr spät den
Ermittlern angeboten: Das Soll an "Knüllern" war offenbar noch
nicht erfüllt. Trotzdem (oder deshalb) sind seitdem erhebliche
Widersprüche und Ungereimtheiten bei der angeblichen
Identifizierung von Matthias Borgmann, der als RZ-Mitglied den
Decknamen "Heiner" getragen haben soll, aufgetaucht. So wurde
bekannt, dass der Bundesverfassungsschutz bereits im Dezember 1987
darauf hingewiesen hatte, dass das Phantombild des Fahrers beim
Anschlag auf den Asylrichter Dr. Korbmacher auffallende
Ähnlichkeiten mit einer Person mit Namen Harry S. hat.
Ebenfalls bekannt wurde, dass eine Zeugin 1999 die Person Harry S.
bei Vorlage eines entsprechenden Fotos als zumindest ähnlich
beschrieb. Erhebliche Widersprüche und Ungereimtheiten waren
auch bei der "Lichtbildidentifikation" von Matthias Borgmann als
"Heiner" durch den Kronzeugen zu Tage getreten. So soll die
"Lichtbildmappe", in der auch ein Foto von Matthias Borgmann
aufgenommen war, am 19. Januar 2000 erstellt worden sein. In einem
BKA-Vermerk heißt es jedoch, dass erst am 25. Januar 2000 ein
Foto von Matthias Borgmann aus den Beständen des
Einwohnermeldeamtes Berlin zur Verfügung stand.
Obwohl die Glaubwürdigkeit des Kronzeugen an vielen Stellen
arg Schaden gelitten hat, hält das Gericht allem Anschein nach
weiter an ihm fest - die Bundesanwaltschaft muss das. Die Dauer des
Verfahrens und sein bisheriger Verlauf, die zu Tage getretene
einseitige Ermittlungsarbeit des BKA, die umfangreiche
Aktenmanipulation und -unterschlagung - all das sind die bisherigen
Facetten dieses Justizskandals. Denn der Prozess wird sich aller
Wahrscheinlichkeit nach noch lange hinziehen, denn dem Gericht und
der BAW geht es darum, das Verfahren unbedingt mit einer
Verurteilung abzuschließen. Am "Sieg" des Staates über
seine "Feinde" soll kein Zweifel aufkommen.
Martin Beck, Volker Eick, Dominique John
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