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Presse

Datum:
05.07.2002

Zeitung:
Berliner Morgenpost

Titel:
"Rote Zora" packt aus

"Rote Zora" packt aus

Überraschendes Geständnis im RZ-Prozess

Überraschende Wende im Prozess um die Terroranschläge der Revolutionären Zellen (RZ). Eine Zeugin hat gestern vor Gericht gestanden, vor 16 Jahren dem damaligen Leiter der Berliner Ausländerbehörde, Harald Hollenberg, ins Knie geschossen zu haben. Die Bundesanwaltschaft wirft die Tat dem Angeklagten Rudolf Schindler vor, der zusammen mit seiner Ehefrau und drei weiteren mutmaßlichen Mitgliedern der RZ seit mehr als einem Jahr auf der Anklagebank des Kammergerichts sitzt. Die Zeugin, die den Gerichtssaal mit dunkler Brille durch eine Hintertür betrat, sagte: "Ich habe zwei Schüsse auf Herrn Hollenberg abgegeben." Die Sozialarbeiterin war bis 1979 Beamtin beim Berliner Senat, zuletzt arbeitete sie in einem Frauenhaus.

Das Gericht gerät durch die Aussage der 63-jährigen Rentnerin in ein Dilemma. Die Vorwürfe gegen die Angeklagten beruhen ausschließlich auf dem Geständnis des einzigen Kronzeugen, Tarek Mousli. Mousli war nach eigenem Bekunden selbst Mitglied der RZ. Als er vor zwei Jahren in das Netz der Ermittler geriet, legte er eine Lebensbeichte ab - und lieferte seine ehemaligen Mitstreiter der Justiz aus. Bis dahin hatten die Ermittler in mehr als 20-jähriger Ermittlungsarbeit keinerlei Hinweise auf die Identität der RZ-Terroristen.

Im Dezember vergangenen Jahres verurteilte das Kammergericht Tarek Mousli zu zwei Jahren Haft auf Bewährung. Mousli kam in das Zeugenschutzprogramm des Bundeskriminalamtes.

Die Verteidiger der Angeklagten zweifeln die Glaubwürdigkeit des 42 Jahre alten Karatelehrers schon seit Prozessbeginn an. Das Geständnis der ehemaligen Berliner Beamtin liefert nun erhebliche Zweifel an zentralen Aussagen Mouslis. Er hatte stets davon gesprochen, dass Rudolf Schindler die Schüsse auf den Richter abgegeben hat. Nach Angaben der Bundesanwaltschaft wird gegen die Frau nun wegen Mitgliedschaft in der "Roten Zora" ermittelt. Nach langer Überlegung habe sie sich entschieden, in Berlin auszusagen. "Ich kann es nicht ertragen, dass jemand anders für etwas beschuldigt wird, das ich getan habe", sagte sie.

Nach Angaben der Zeugin hatte sie sich am Morgen des 28. Oktober 1986 mit Schindler getroffen. Beide seien zu Hollenbergs Adresse gefahren und hätten gewartet, bis er aus dem Haus kam. "Vorher habe ich von Rudi die Pistole bekommen", sagte die Überraschungszeugin.

Die fünf Angeklagten müssen sich für vier Anschläge zwischen 1986 und 1991 verantworten, darunter ein weiteres Knieschussattentat auf einen Bundesrichter sowie einen Sprengstoffanschlag auf die Siegessäule.

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