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Presse

Datum:
31.03.2003

Zeitung:
junge Welt

Titel:
Blamage aufgeschoben

Blamage aufgeschoben

Berliner RZ-Prozeß: Entscheidung über Aussetzung des Verfahrens steht noch aus

Der sogenannte Berliner RZ-Prozeß ist auch am 121. Verhandlungstag nicht geplatzt. Den seit März 2001 auf der Anklagebank sitzenden vier Männern und einer Frau wird zur Last gelegt, als angebliche Mitglieder der Revolutionären Zellen zwischen Mitte der 80er und Anfang der 90er Jahre an zahlreichen Anschlägen beteiligt gewesen zu sein. Ein Antrag der Verteidigung auf Aussetzung des Verfahrens wurde am Freitag vom 1. Strafsenat des Kammergerichts Berlin vorerst nicht angenommen. Gegenstand des Antrags war die Klage des Angeklagten Harald G. vor dem Verwaltungsgericht Berlin auf Herausgabe ungeschwärzter Vernehmungsprotokolle des Verfassungsschutzes mit dem Kronzeugen Tarek Mousli, auf dessen Aussage die Anklage im wesentlichen beruht. In ihrem Beschluß vom 15. März bescheinigten die Verwaltungsrichter der Klage »Aussicht auf Erfolg«. Bis zu einer entsprechenden Entscheidung im »Hauptsacheverfahren« habe Harald G. »Anspruch auf Aussetzung der Hauptverhandlung vor dem Strafgericht«.

Der Haken an der Sache: Ein Strafprozeß darf maximal für 30 Tage unterbrochen werden. Mit einer endgültigen Entscheidung in der Verwaltungsgerichtssache ist allerdings erst in Jahren zu rechnen. Würde der Prozeß ausgesetzt, müßte der Fall neu aufgerollt werden. Stimmt der Senat einer Aussetzung dagegen nicht zu, läuft er Gefahr, daß sein Urteil in der Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) kassiert wird. Die Bundesanwaltschaft (BAW) will erst in den nächsten Tagen ausführlich dazu Stellung nehmen, eine endgültige Entscheidung über den Antrag auf Aussetzung steht damit noch aus.

Bundesanwalt Volker Bruns machte in der Hauptverhandlung indes klar, daß er den Beschluß des Verwaltungsgerichts für »evident rechtsfehlerhaft« halte. Den Richtern am Verwaltungsgericht warf er vor, sie hätten »keine Ahnung von der Strafprozeßordnung«.

Diese Bewertung stieß bei der Verteidigung auf vehementen Widerspruch. Es stelle sich die Frage, ob ein rechtsstaatliches Verfahren im jetzigen Verfahrensstadium auch angesichts der mittlerweile bekanntgewordenen Zurückhaltung weiterer Akten und Ermittlungsergebnisse nicht generell unmöglich ist, erklärte Rechtsanwalt Johnny Eisenberg.

Beat Makila

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