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Datum:
25.11.2002
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Zeitung:
Junge Welt
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Titel:
Kein Interesse an Aufklärung
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Kein Interesse an Aufklärung
Im "Berliner RZ-Verfahren" bleiben Kernfragen weiter
ungeklärt. Zeugenaussagen werden verweigert
Auch nach 104 Verhandlungstagen im sogenannten "Berliner
RZ-Verfahren" verweigert das Gericht fundierte Nachforschungen.
Seit März 2001 werden vier Männer und eine Frau vom Kronzeugen
Tarek Mousli beschuldigt, Mitglieder der "Revolutionären
Zellen" (RZ) und an Sprengstoffanschlägen beteiligt gewesen
zu sein. Nach einem Krankenhausaufenthalt der Angeklagten Sabine
E. war die Hauptverhandlung nach zweiwöchiger Unterbrechung
vergangenen Freitag fortgesetzt worden.
Geladen war ein weiterer Zeuge des Bundeskriminalamtes (BKA), der
von der Durchsuchung des MehringHofes am 19. Dezember 1999 berichtete.
Der 32jährige Kriminalbeamte Marc-Arno H. gehörte zu den
fast 1.000 Beamten, die auf der Suche nach einem angeblichen Waffen-
und Sprengstoffdepot der RZ einen Sachschaden von fast 70.000 Euro
hinterließen. Wie bereits andere Beamte zuvor, versicherte
auch H., die Arbeit habe akribisch, sorgfältig und ohne jeglichen
Zeitdruck durchgeführt werden können. Er selbst sei an
der Personalienprüfung von etwa 20 Personen beteiligt gewesen,
die "offensichtlich die Nacht durchgefeiert hatten und fast
alles Südamerikaner" waren. Anders aber, als vom BKA-Mann
behauptet, wurden nicht alle entlassen, sondern einige von ihnen
in Abschiebehaft genommen. Einen vom damaligen Einsatzleiter, Bundesanwalt
Volker Homann, behaupteten Abbruch der Aktion "aus Verhältnismäßigkeitsgründen"
hat es, das steht nach fast zwanzig Vernehmungen fest, nicht gegeben.
Weiterhin ungeklärt bleibt aber die Frage, welcher Sprengstoff
von Tarek Mousli wann in einem Seegraben nördlich von Berlin
versenkt worden sein soll. Das Kammergericht unter der Vorsitzenden
Richterin, Gisela Hennig, hatte an diesem Prozeßtag erneut
mehrere Versuche der Verteidigung vereitelt, diese und andere Fragen,
die sich um den der RZ zugeordneten Sprengstoff ranken, zu klären.
So bestehen bereits erhebliche Zweifel, daß Mousli, wie angegeben,
den Sprengstoff bereits 1995 in dem Graben versenkt hat.
Mehr noch, zahlreiche Gutachten legen nahe, daß es sich bei
dem im August 2000 gehobenen Sprengstoff keineswegs ausschließlich
um Gelamon 40 gehandelt hat. BKA- Forscher und Wissenschaftler verschiedener
Universitäten haben das anhand von untersuchten Proben mehrfach
bezweifelt. Damit bleibt auch unklar, ob der Sprengstoff aus dem
Seegraben überhaupt aus dem VEB Schönebeck von 1987 stammt.
Mithin ist es auch um die vom Gericht behauptete Kette der Sprengstoffherkunft
geschehen. Um so mehr, da das Gericht sich nun auch geweigert hat,
entsprechende Zeugen zu hören. Weder Fachleute der Bundesanstalt
für Materialprüfung (BAM), noch Mitarbeiter des Endabnehmers
des DDR-Sprengstoffes, der Firma Klöckner Durilit in Salzhemmendorf,
noch Mitarbeiter des Sprengstoffkäufers, der Firma Westspreng,
werden gehört. Alle Zweifel werden beiseite geschoben, der
Kronzeuge weiter geschützt.
Das Gericht machte inzwischen deutlich, daß es plane, die
Urteile bereits Ende Januar zu sprechen.
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