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Presse

Datum:
25.08.2001

Zeitung:
Junge Welt

Titel:
Nur der Mann am Funkgerät?

Nur der Mann am Funkgerät?

RZ-Prozeß: War Mousli Schütze oder Fahrer beim Korbmacher-Attentat?

Mit dem gestrigen Prozeßtag ging die Befragung des Kronzeugen Tarek Mousli im Berliner RZ-Prozeß in die zweite Runde. Derzeit ist der Prozeß, in dem Axel H., Harald G., Mathias B. und Sabine E. der Mitgliedschaft in den "Revolutionären Zellen" angeklagt werden, bis Februar 2002 terminiert, und wieder sind alle Haftverschonungsgesuche der Angeklagten, die zum Teil seit über 20 Monaten in U-Haft sitzen, wegen "Fluchtgefahr" abgelehnt worden. War es vor der Sommerpause vor allem um die unvollständigen Akten gegangen, die eine Wahrheitsfindung insbesondere in Hinblick auf das Entstehen der Aussagen von Mousli bei der Polizei aus Sicht der Rechtsanwälte nahezu unmöglich machen, wird nun der Anschlag auf den damaligen Richter am Bundesverwaltungsgericht, Günter Korbmacher, verhandelt. Der war im September 1987 vor seinem Haus in Berlin-Zehlendorf mit einer kleinkalibrigen Pistole in den Oberschenkel geschossen worden. In einer Erklärung einer RZ-Gruppe zum Anschlag, die vom Gericht verlesen wurde, wurde die Tat als "Bestrafungsaktion" gegen einen "Schreibtischtäter" bezeichnet.

Mousli, der zunächst von der Vorsitzenden Richterin Gisela Hennig und dann vom Beisitzenden Richter Hanschke befragt wurde, gab an, er habe sich trotz großer Bedenken an der Tatvorbereitung beteiligt, sei aber bei der Durchführung selbst nicht involviert gewesen. Er habe lediglich die Umgebung des Hauses von Günter Korbmacher längere Zeit ausgekundschaftet und gemeinsam mit "Sebastian" - diesen Decknamen soll der in Kanada mit einem Auslieferungsgesuch der Bundesregierung bedrohte und von Mousli schwer belastete Lothar E. nach Angaben des Kronzeugen getragen haben - in einer konspirativen Wohnung in Kreuzberg den Polizeifunk abgehört und aufgezeichnet.

Diese Darstellung deckt sich jedoch nicht mit den Angaben von Mouslis damaliger Lebensgefährtin, Karmen T. Die hatte zunächst in einer polizeilichen Vernehmung und später im Gerichtsverfahren gegen Mousli als Zeugin angegeben, er selbst habe ihr gegenüber mehrfach behauptet, er sei der Schütze auf Korbmacher gewesen. Diese Darstellung wurde von Mousli bestritten, vielmehr habe Karmen T. "etwas verwechselt". Unklar ist, ob Karmen T. in diesem Verfahren erneut als Zeugin gehört werden wird. Sie war in der damaligen Gerichtsverhandlung gegen Mousli durch das Gericht und die Bundesanwaltschaft massiv unter Druck gesetzt worden und hielt an ihrer Aussage nicht vollumfänglich fest.

Nach der Befragung durch das Gericht begann die Verteidigung, Mousli intensiver zum Komplex Korbmacher zu befragen. Man konzentrierte sich dabei auf die Frage: Wie ist seine damalige Freundin zu der Auffassung gelangt, Mousli selbst habe auf Korbmacher geschossen. Mousli konnte das nicht erklären, besteht aber darauf, sich nie selbst bezichtigt zu haben. Während Mousli den Eindruck vermitteln wollte, er sei über die Tat detailliert informiert gewesen, will er ausgerechnet nicht mehr wissen, wer das Motorrad gefahren habe, von dem aus auf Korbmacher geschossen wurde. Schließlich mußte Mousli auch noch einräumen, daß er das Motorrad vor dem Anschlag Probe gefahren habe. Warum aber fährt, so drängte sich die Frage auf, ausgerechnet derjenige ein Motorrad zur Probe, der später dann lediglich an einem Funkgerät gesessen haben will.

Volker Eick

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