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Datum:
08.03.2003
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Zeitung:
junge Welt
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Titel:
Mißliche Mietsache
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Mißliche Mietsache
Weitere widersprüchliche Angaben des Kronzeugen beschäftigen
Beteiligte im Berliner RZ-Prozeß
Im RZ-Prozeß vor dem Kammergericht Berlin bereitet ein angebliches
Mietverhältnis in der Oranienstraße in Berlin-Kreuzberg
der Bundesanwaltschaft (BAW) offensichtlich Kopfschmerzen. Kronzeuge
Tarek Mousli, auf den sich die Anklage gegen die fünf Männer
und Frauen im wesentlichen stützt, hatte wiederholt behauptet,
Wolfgang B. habe wissentlich für die "Revolutionären
Zellen" 1987 eine konspirative Wohnung angemietet. In seinem
Prozeß im Dezember 2000 nannte Mousli dann erstmals zwei mögliche
Objekte, nämlich die Oranienstraße Nummer 7 und 9, in
denen sich der RZ-Unterschlupf befunden haben soll. Recherchen der
Verteidigung haben jedoch ergeben, daß Wolfgang B. zu keinem
Zeitpunkt Mieter in einem der beiden Häuser war.
Die Verlesung einer Prozeßmitschrift lehnte die BAW bereits
am letzten Verhandlungstag ab. Am Freitag sprach sie sich auch gegen
die Ladung zweier Richter aus dem Mousli-Verfahren aus, die eine
Aussage bestätigen sollten. Die mißliche Mietsache aufzuklären,
sieht Bundesanwalt Wallenta sowieso als unmöglich an, denn
seiner Ansicht nach können "Vermieter und Verwalter keine
Angaben über eine zeitweise Überlassung machen".
Daß zumindest in West-Berlin die Vermietung einer Wohnung
"ein willensgesteuerter Besitzübertragungsakt" des
Eigentümers sei - wie das am Dienstsitz der BAW in Karlsruhe
gehandhabt werde, könne er nicht beurteilen -, erinnerte daraufhin
Rechtsanwalt Johannes Eisenberg die beiden Sitzungsvertreter der
BAW an hiesige Verhältnisse.
Nun soll am 14. März Wolfgang B. als Zeuge geladen werden.
Doch auch der Kronzeuge soll die Möglichkeit erhalten, zur
Sache Stellung zu nehmen. Erst anschließend will der Senat
über den Antrag der Verteidigung auf Verlesung der Prozeßmitschrift
und der Ladung von Vermietern bzw. Hausverwaltung und der beiden
Richter vom 2. Strafsenat entscheiden.
Handlungsbedarf sah der Senat bislang auch nicht hinsichtlich
der drei Aktenordner, die das Bundesamt für Verfassungsschutz
(BfV) nach eineinhalb Jahren den Prozeßbeteiligten übersandt
hatte. Nach Aussage von Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck ist das überreichte
Material "absolut lächerlich" und bestehe überwiegend
aus bereits in den Ermittlungsakten vorhandenen Berichten - mit
dem Unterschied, daß die Stellen, die zuvor ungeschwärzt
waren, jetzt geschwärzt seien. Angesichts dieses Gebarens regte
Kaleck an, daß sich der Senat direkt an die Verfassungsschutzämter
von Berlin, Brandenburg, Hamburg und Schleswig-Holstein wenden solle,
um deren Erkenntnisse zu Tarek Mousli abzufragen.
Beat Makila
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