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Datum:
06.07.2002
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Zeitung:
Junge Welt
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Titel:
Geständnis nach 16 Jahren
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Geständnis nach 16 Jahren
Berliner RZ-Prozeß: 63jährige zu Attentat auf Chef
des Ausländeramtes: "Ich wußte, ich kann das"
Im "Berliner RZ-Verfahrens" trat am Donnerstag eine
zweite Entlastungszeugin auf, die in weiten Teilen Einlassungen
des Angeklagten Rudolf Sch. (59) vom Januar bestätigte. Die
63jährige Barbara W. beschuldigte sich selbst, 1986 am Anschlag
auf den Leiter des Berliner Ausländeramtes, Harald Hollenberg,
beteiligt gewesen zu sein: "Ich habe geschossen. Das war auch
eine Frage der Gleichberechtigung, und ich wußte, ich kann
das." Tarek Mousli, Kronzeuge der Anklage, habe sie nach dem
Anschlag dazu beglückwünscht. "Damit werden die
entgegenstehenden Behauptungen des Tarek Mousli widerlegt",
so Rechtsanwalt Euler. Ob der Kronzeuge damit je konfrontiert werden
wird, ist ungewiß, denn seit mehren Wochen gilt der Kreuzberger
Karatelehrer als erkrankt.
"Ich habe mich sehr schwer getan und mir lange überlegt,
ob ich aussage, aber ich habe mich dazu entschieden, weil ich es
nicht ertragen kann, daß jemand anderes für eine Tat,
die ich begangen und zu verantworten habe, beschuldigt wird",
leitete die ehemalige Sozialarbeiterin ihre Aussage ein. Damit ist
die von Mousli beschuldigte Sabine E. entlastet. Die Selbstbeschuldigung
deckt sich mit polizeilichen Ermittlungsergebnissen von 1986 und
der Aussage von Harald Hollenberg.
Konsequenterweise äußerte sich die Zeugin ausschließlich
zum Anschlag auf Hollenberg und berief sich ansonsten auf ihr Aussageverweigerungsrecht.
So verweigerte sie auch sämtliche Angaben zu den Angeklagten
Matthias B. und Harald G.: "Ich möchte nur zu denjenigen
Angeklagten aussagen, die Einlassungen gemacht haben." Sabine
E., Ehefrau von Rudolf Sch., habe sie zwar bereits Anfang der 70er
Jahre kennengelernt, in Berlin jedoch erst nach dem Anschlag auf
Hollenberg wiedergesehen. Rudolf Sch. habe sie erst anläßlich
der Vorbereitung der Aktion gegen Hollenberg kennengelernt. Der
Angeklagte Axel H. sei ein alter Bekannter, den sie aus dem "MehringHof",
nicht aber als Aktiven der "RZ" kenne. Zu Tarek Mousli
gab Barbara W. an, auch ihn habe sie erst 1986 kennengelernt, nach
1988 aber nicht mehr gesehen.
Detailliert beschrieb sie den Tathergang bei dem Knieschußattentat
auf den damaligen Chef des Berliner Ausländeramtes. Mit einer
schwarzen Perücke verkleidet habe sie die Aktion zusammen mit
Rudolf Sch. durchgeführt. Auf halbem Weg habe Rudolf Sch. ihr
die Tatwaffe übergeben - eine Pistole mit aufgesetztem Schalldämpfer.
Aus kurzer Entfernung, "etwa ein bis anderthalb Meter",
habe sie ihm gezielt in die Beine geschossen. Der ebenfalls bewaffnete
Rudolf Sch. habe sie aus Sicherheitsgründen begleitet. Mouslis
Behauptung, er habe die Aktion am S-Bahnhof Zehlendorf mit einem
Funk-Scanner abgesichert, quittierte die mittlerweile verrentete
Barbara W. mit der Bemerkung: "Das macht gar keinen Sinn."
Auch daran, daß Mousli sich kritisch zu Anschlägen auf
Menschen geäußert habe, konnte sie sich nicht erinnern.
Mousli sei ein Mann gewesen, "der jederzeit das gemacht hat,
was er machen wollte."
Volker Eick
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