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Datum:
11. 01. 2000
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VerfasserIn:
Abgeordnete Ulla Jelpke und die Fraktion der PDS im
Bundestag
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Deutscher Bundestag Drucksache 14/2517
14. Wahlperiode 17. 01. 2000
Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Fraktion der
PDS
Durchsuchung des MehringHofes im Dezember 1999 und Festnahmen
wegen Terrorismus-Verdachtes
Am 19. Dezember 1999 wurden auf der Grundlage von Haftbefehlen
des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes vom 13./14. Dezember
1999 zwei Berliner und eine Frankfurterin unter dem Verdacht der
Mitgliedschaft in einer Terroristischen Vereinigung (§ 129a
StGB) verhaftet. Nach einer Pressemitteilung des Generalbundesanwaltes
Karlsruhe fand am gleichen Tag eine Durchsuchung der Gebäude
des ,MehringHofes' in Berlin-Kreuzberg nach Waffen und Sprengstoff
statt. An den exekutiven Maßnahmen nahmen Staatsanwälte
des Generalbundesanwaltes, Beamte des Bundeskriminalamtes, des Bundesgrenzschutzes
einschließlich der GSG 9 und der Berliner Polizei teil. (Pressemitteilung
Nr. 37 des Generalbundesanwaltes vom 19. Dezember 1999). Insgesamt
waren nach Angaben einer Sprecherin der Bundesanwaltschaft, und
eines Pressesprechers des Bundeskriminalamtes, rund 1 000 Beamte
im Einsatz (vgl. die taz und den Tagesspiegel vom 20. Dezember 1999).
Die Durchsuchung brachte zwar keinen Sprengstoff zutage, es entstand
nach Angaben der im MehringHof ansässigen Projekte jedoch ein
Sachschaden von rund 100 000 DM (vgl. taz, 20. Dezember 1999). Neben
der Beschädigung von Marionetten in einem Puppentheater handelt
es sich dabei unter anderem um Türen und Türverkleidungen,
die ohne Not zerstört wurden, da sowohl der anwesende Rechtsanwalt
M.P. als auch die telefonisch herbeigerufene Geschäftsführerin
O.S. über Schlüssel zu zahlreichen Räumen bzw. einen
Generalschlüssel verfügten, mithilfe derer überhaupt
keine Schlösser hätten aufgebrochen werden müssen.
Dies ist einer Dienstaufsichtsbeschwerde des Rechtsanwalts und Notars
H. R. zu entnehmen. Danach wären die Zerstörungen sämtlich
vermeidbar gewesen, so dass der Justizkasse Schäden in einer
Höhe von mit Sicherheit über 100 000 DM entstehen werden.
Des Weiteren sollen bei der Durchsuchung des MehringHofes Gäste
einer Feier zum Teil stundenlang festgehalten worden sein. Die Polizisten
seien teils recht hart vorgegangen (vgl. Tagesspiegel 20. Dezember
1999). Nach Angaben von Augenzeugen wurde ihnen das Telefonieren,
das Sprechen, der Genuss von Getränken sowie Essen verweigert.
Außerdem wurde ihnen nicht gestattet, einen Anwalt anzurufen.
Sie sollen bis zu sechs Stunden in dieser Weise behandelt worden
sein. Drei der so festgehaltenen Personen sollen anschließend
in Abschiebehaft genommen worden sein. Zu den Verhaftungen der beiden
betroffenen Berliner Männer ist zu erfahren, dass sie von SEK-Beamten
in den frühen Morgenstunden in ihren Betten in ihren Privatwohnungen
überwältigt worden sein sollen. Es sollen dabei automatische
Waffen und Blendleuchten im Einsatz gewesen sein und auch etliche
weitere Personen, u. a. ein 5-jähriges Kind, von dem gewaltsamen
Vorgehen der Beamten betroffen gewesen sein. Bei den Betroffenen
handelt es sich um Personen mit einem festen Wohnsitz und einem
geregelten Alltag. Daraus ergeben sich Zweifel an der Verhältnismäßigkeit
und Rechtmäßigkeit der großangelegten Aktion.
Wir fragen die Bundesregierung:
- Hält die Bundesregierung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
für gegeben, wenn über 1 000 Beamtinnen und Beamte sowie
etliches Spezialgerät auf den Verdacht hin zum Einsatz kommen,
dass sich im MehringHof ein Sprengstoffund/ oder Waffendepot befinden
könnte?
- a) Was hat der Einsatz der verschiedenen Polizeiund Sondereinsatzkräfte
gekostet?
b) Stehen die entstandenen Kosten in einem Verhältnis zum
Erfolg der Aktion?
- Welches Ergebnis hat die Durchsuchung erbracht?
- a) Ist die Bundesregierung der Meinung, dass die bei der Durchsuchung
des MehringHofes entstandenen Zerstörungen und Sachbeschädigungen
mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und
Rechtmäßigkeit im Einklang stehen?
b) Wer kommt für die entstandenen Schäden auf?
c) Welche Möglichkeiten haben die Hausbetreiber, den Sachschaden
in Rechnung zu stellen?
- Auf welcher Rechtsgrundlage fand das Festhalten der verbliebenen
Gäste der Feier und die Verweigerung anwaltlicher Hilfe für
diese statt und ist die Bundesregierung der Meinung, dass dabei
der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt
wurde?
- Kann die Bundesregierung bestätigen, dass drei Personen
in Abschiebehaft genommen worden sind, und wenn ja, befinden sie
sich noch dort, welche Vorwürfe werden gegen sie erhoben,
erhalten sie einen befristeten Aufenthalt bis zur Klärung
der erhobenen Vorwürfe, und wenn nein, warum nicht ?
- Aufgrund welcher Ermächtigung nahm der Bundesgrenzschutz
an der erwähnten Aktion teil? War diese Grundlage die Erklärung
des MehringHofes zu einem gefährlichen Ort und wenn ja, wer
erklärt aufgrund welcher gesetzlichen Bestimmung einen Ort
mit welcher handlungsmäßigen Konsequenz zu einem gefährlichen
Ort und welche Befugnisse hat danach der Bundesgrenzschutz an
diesem gefährlichen Ort ? Wenn nein, welche andere Begründung
für den BGS-Einsatz gibt es und auf welcher Rechtsgrundlage
basiert dieser?
- a) Aufgrund welcher Gefahreneinschätzung wurde bei den
o. g. Festnahmen der Einsatz von SEK-Beamten mit automatischen
Waffen und Blendleuchten, von dem etliche weitere Personen betroffen
waren, durchgeführt?
b) Welche konkrete Gefahr ging von den festgenommenen Verdächtigten
aus?
c) Ist die Bundesregierung der Meinung, dass die eingesetzten
Zwangsmittel zum aktuellen Sicherheitsrisiko, das von den Festgenommenen
ausging, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
entsprachen?
- a) Beziehen sich die Verdachtsmomente gegen die Verhafteten
auf die Aussagen eines so genannten Kronzeugen?
b) Hat der Zeitpunkt der Festnahmen sechs Tage vor Weihnachten
und zwölf Tage vor Jahresablauf damit zu tun, dass die Kronzeugenregelung
zum 31. Dezember 1999 ausgelaufen ist und in Verfahren, die im
Jahr 2000 begonnen werden, nicht mehr angewandt werden kann?
- Sind der Bundesregierung die Berichte bekannt, dass sich die
Revolutionären Zellen bereits 1992 aufgelöst haben sollen?
Wie schätzt sie diese Berichte ein und welches akute Gefahrenpotential
wird den Revolutionären Zellen/ Rote Zora (vgl. Pressemitteilung
Nr. 37 des Generalbundesanwaltes) heute noch zugerechnet?
- Kann die Bundesregierung bestätigen, dass es ohne den
§ 129a StGB für mindestens zwei der drei Verhaftungen
keine Rechtsgrundlage gegeben hätte, weil die aufgeführten
Straftaten bereits verjährt sind?
Berlin, den 11. Januar 2000
Ulla Jelpke
Dr. Gregor Gysi und Fraktion
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