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Anschläge gegen Nixdorf, Hannover + den Verband der Vereine
Creditreform, Neuss
(Dezember 83)
Bist du wahnsinnig,
wird uns gesagt, wenn wir zu weit gehen,
über die Stränge schlagen, die unseren Alltag einzäunen.
Du bist wahnsinnig!
Laßt uns wahnsinnig sein, Frauen, in der Überschreitung
der Grenzen, die unser Leben beschränken und unsere Würde
ersticken.
Du bist wahnsinnig -
das ist die männliche Reaktion auf unsere Grenzüberschreitung.
Unsere Reaktion auf die tödliche Rationalität der patriarchalen
Verhältnisse wird uns als Schimpfwort, als Lasso um den Hals
geworfen, das unsere Radikalität einfangen soll.
aber - wir haben keine andere Wahl, als radikal zu sein.
Nur so holen wir unsere Würde zurück und unser Leben.
(Dorothea Brockmann)
Das
magische und von allen heraufbeschworene Jahr 1984 ist da:
Wir haben es mit unseren Silvesterknallern bei Nixdorf in Hannover
und beim Datenzentrum "Verband der Vereine Creditreform"
in Neuss gebührend begrüßt.
Wir hoffen, daß sich bei Nixdorf der für 1984 geplante
Einzug in den Super- Glaskasten am Rande der Stadt verzögert.
In diesem 7- Millionen- Projekt will der Computerriese den Verkauf
seiner Elektronengehirne zentralisieren und weiter vorantreiben
(15%ige Umsatzsteigerung im Jahr 1983).
Die Firma Nixdorf beteiligt sich an dem Glasfaser- Modellversuch
BIGFON in Hannover, dessen Erkenntnisse für die Verkabelung
der gesamten BRD maßgeblich sein sollen. Klar ist, wer außer
den beteiligten Firmen den Nutzen davon hat: die Wirtschaftsbosse
und der Staat. Seit Ende des Jahres sind "auserlesene Postkunden"
wie das Wirtschaftsministerium und die niedersächsische Staatskanzlei
über eine 65 Mio. DM- Glasfaserstrecke miteinander verbunden.
Wir hoffen, daß bei dem Datenzentrum "Verband der Vereine
Creditreform" einige Computer nicht mehr einsatzbereit sind.
Diese Firma, nach eigener Darstellung "Europas größte
Auskunfts- und Inkasso- Organisation" (allein in der BRD gibt
es 106 Geschäftstellen), erteilt 9 Millionen Auskünfte
im Jahr und treibt jährlich für ihre Mitglieder Forderungen
in Höhe von 250 Millionen DM ein. Dank ihres umfassend gefütterten
Computers weiß die Firma mehr über einen einzelnen Menschen,
als dieser auf Anhieb selbst von sich sagen könnte.
Ihre Informationen bezieht sie von ihren Mitgliedern und durch
ein gut funktionierendes Informantennetz bei Ämtern, Behörden
und Verwaltungen, die für Geld unter der Hand Daten an Creditrefom
geben.
Ganz legal und nicht weniger ergiebig ist die Zusammenarbeit mit
der Schufa [12] und den
Banken: kostenfrei erhält Creditreform alle Auskünfte
über jede Person - und das sind nicht wenige, da heute viele
Lebensäußerungen übers Konto laufen: Job, Wohnung,
Gewerkschaftsbeitrag o.ä. Ganz im Verborgenen und unbeachtet
werden hier die Daten zusammengetragen, was dann dazu führt,
daß Vermieter oder Arbeitgeber kein Interesse mehr am Zustandekommen
eines Vertrages haben, daß der Kleinkredit abgelehnt wird,
daß der Leasing- Vertrag nicht klappt, einschneidende Entscheidungen
ohne Durchschaubarkeit für den Betroffenen!
Das Jahr 1984 steht als Symbol eines neuen Zeitalters für
den alles überwachenden Staat, für ein Leben, in dem der
Mensch nur noch Opfer der Technologien im Interesse einer abstrakten
Macht ist. Diese Vision verschleiert aber, daß die technologischen
Entwicklungen kein Zufallsprodukt sind, die sich gegen den Menschen
schlechthin richten, sondern sie sind konsequente Entwicklung kapitalistischer
Strategien im Interesse der HERRschenden.
1984
- die Horrorvision des alles überwachenden und kontrollierenden
Staates soll den Menschen jeglichen Mut zum Leben und zum Kämpfen
nehmen.
Aber wir wissen,daß es hier in den Metropolen viele Menschen
gibt, die ihre Phantasie und ihren Mut gegen die herrschende Gewalt
setzen, die Überlebensstrategien entwickelt haben, indem sie
klauen, schwarzfahren, Versicherungen betrügen, vom Staat Geld
abziehen, Fahrkartenautomaten zerstören, Computer betriebsunfähig
machen, die sich den Plänen von Staat und Kapital verweigern,
sie sabotieren und angreifen.
Wir wissen, daß die Menschen in der dritten Welt Widerstand
leisten gegen die zerstörerischen Strategien des Kapitals,
daß sie kämpfen gegen die mörderische Ausbeutung
ihrer Arbeitskraft, gegen die Zerschlagung ihrer Strukturen, die
Zerstörung ihrer Würde, indem sie auf der Straße
die Wahrheit laut hinausschreien, Land und Fabriken besetzen, plündern
und sich zurückholen, was ihnen gehört, in den Städten
und Bergen den Angriff organisieren.
Wir setzen den Spaltung- und Vereinzelungsstrategien des Staates
unsere Kollektivität entgegen, die wir entwickeln im Kampf
auf der Straße gegen Frauenunterdrückung, Sexismus, Rassismus
und imperialistischen Krieg, im Kampf um die besetzten Häuser
und die autonomen Zentren, im subversiven Angriff auf die Zentren
patriarchaler Macht.
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