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Früchte des Zorns

Anschlag gegen Brüggemann & Brandt, Hagen und Mercedes Lueg, Bochum

(Dezember 85)

Burn, Baby, Burn [4]

Südafrika 1985: tägliche Zusammenstöße mit der Polizei, Verwundete und Erschossene, Tausende von Internierten, zuletzt auch Hinrichtungen.

AzaniaUnd dennoch ein Jahr der Hoffnung, dort, aber auch für uns. Hoffnung auf eine breite, vor allem von Jugendlichen getragene Bewegung, die nicht um den Abfall vom Tisch der weißen Herren kämpft, sondern in einer Mischung aus schwarzem Selbstbewußtsein, krimineller Aneignung und militanter politischer Praxis in den Straßen, das Überleben im Ghetto: das war ein Funke, der auch in den afro- karibischen [5] Revolten in den englischen Slums gezündet hat. "Auch hier ist Südafrika" war zu hören, als im Sommer vor den geplünderten, brennenden Läden getanzt wurde. Hoffnung auf Südafrika, weil die innere Reform, die Modernisierung des Rassismus bisher nicht funktioniert hat.

Mit Reformgesten war das Botha- Regime angetreten, die schwarzen Gewerkschaften wurden legalisiert, die blutige Fassade, die altmodisch stinkende Apartheid sollte übertüncht werden. Und dennoch eine Explosion der Kämpfe, kompromißlos wie nie zuvor: gegen die Hungerpolitik, gegen die Zwangsmobilisierung der Arbeiter, gegen die Umsiedlung und Zerstörung der schwarzen Gemeinschaften, gegen das militärische Kommando über die Minen, gegen die schwarzen Kollaborateure.

Und dann wird der Alptraum der Buren erstmals wahr: die schwarzen Hungerleider dringen nicht als Bittsteller oder Arbeitstiere, sondern in einem Rausch der Zerstörung in die weißen Sicherheitszonen und Wohnviertel ein, wo nicht nur Scherben, sondern der Mythos der weißen Unberührbarkeit zerschlagen wird. Hoffnung auf Südafrika, weil damit nicht nur die Segregation, die Parkbänke für schwarz und weiß, die Rassengesetze zum Thema wurden, sondern der Kampf um die Existenz, um Lebensmittel, Wohnen, Gesundheitsversorgung im kompromißlosen Angriff auf die weißen, imperialistischen Inseln. Das löste das Alarmsignal in den USA, in Europa, in den Zentralen der Multis aus, denn im Verhältnis zwischen dem schwarzen Land und den städtischen weißen Inseln bildet sich nichts anderes ab, als das Verhältnis von Metropolen und "3. Welt", nur eben - das ist das persönliche Pech der Buren - in der Reichweite von Steinen und Gewehren.

Befreiung, das ist nicht mehr nur das Ende der Apartheid, die Erhöhung der Mindestlöhne. Befreiung, das wird mehr sein, als bei den Geheimverhandlungen zwischen ANC und südafrikanischen Kapitalisten Konsens war.

Dennoch wird dieser Kampf noch lange dauern. Das Regime ist bemerkenswert stabil, es wird nicht nur von aussen gestützt, sondern von Millionen entschlossener, bis an die Zähne bewaffneter Weisser getragen. In diesem Jahr der heftigen internen Kämpfe ist es der südafrikanischen Armee gelungen, den eigenen Einfluß und Operationsbereich auf die gesamte südliche Hemisphäre Afrikas auszudehnen, auf Namibia, Angola, Lesotho, Mozambique. Anders als die imperialistische Solidarität war die der westdeutschen Linken immer schwach, halbherzig, bestenfalls konjunkturell. So löste z.B. die provokative Hinrichtung schwarzer Widerstandskämpfer vor wenigen Wochen nicht die geringste Reaktion aus, mit der Demo- Pflichtübung [6] in Bonn wurde sich vorab schon Absolution erteilt. Politisch, kulturell waren der westdeutschen Linken die Lateinamerikaner, die Palästinenser, die Iraner stets näher - das ist unser kleiner Rassismus.

Die praktische Solidaritätsarbeit ist deshalb auch getragen und bestimmt gewesen von kirchlichen Gruppierungen. Ihr Verdienst war es, den südafrikanischen Rassismus zum politischen Thema gemacht zu haben, aber ohne jedes Interesse an einer Radikalisierung eigener Aktionsformen oder der Wahrnehmung des südafrikanischen Widerstandes über den Kampf gegen die Apartheid, gegen den stiernackigen Rassismus hinaus.

Im Insistieren auf Anti- Apartheid war diese und auch unsere Solidarität nicht anders als die Kehrseite der jämmerlichen Hungerhilfe, nicht einmal Brot für die Welt [7], nur gute Worte.

Unser Thema sind aber nicht Desinvestment [8], Mindestlöhne, ein antirassistischer Verhaltenskodex oder das Verstecken der Krüger- Rands [9] in die hinteren Schubladen: wir wollen die fast 150 westdeutschen Multis, die den südafrikanischen Subkontinent an die Ausbeutungs- und Kapitalströme der Metropolen ankoppeln, nicht zu einer fairen Geschäftspolitik anhalten. Sie sind als Teil einer weltweiten imperialistischen Ausbeutungsstruktur hier wie dort anzugreifen.

Nicht nur in ihren Glaspalästen und Computerzentralen, auch in der Verbindung mit "unseren Schwarzen", den ausländischen Arbeiterinnen und Arbeitern, den Asylbewerber/innen.

Das war unsere Absicht bei den Besuchen, die wir der Firma Brüggemann und Brandt in Wengern bei Hagen und der Firma Mercedes Lueg in Bochum- Wattenscheidt abgestattet haben.

Beide Firmen sind mit ihren Tochterunternehmen unmittelbar an der militärischen Ausrüstung der südafrikanischen Armee beteiligt, Brüggemann und Brandt mit Fallschirmen und Luftladegeräten, Daimler Benz mit Lastkraftwagen und Geländefahrzeugen.

Solidarität.

Das darf nicht nur Feuer in unseren Herzen sein, das müssen Feuersbrünste in ihren Produktionshallen, unter ihrer Konsumscheiße werden.


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