Vorbemerkung Kapitel XI
Die "wilden" Streiks 1969 und 1973
Im September 1969 verweigerten rund 150.000 Arbeiterinnen der Gewerkschaftsführung
ihre Gefolgschaft und beteiligten sich an sog. "wilden"
Streiks - vor allem in der Stahlindustrie, dem Bergbau, der Metallindustrie,
den Werfen, der Textilindustrie und im öffentlichen Dienst.
Sie konnten so Lohnerhöhungen von bis zu 10% durchsetzen.
Im
Verlauf des Jahres 1973 kam es wiederum zu spontanen Streiks, an
denen sich ca. 275.000 ArbeiterInnen aus mindestens 335 - auch kleineren
und mittleren - Betrieben beteiligten. Die Streiks wurden vor allem
von unqualifizierten Arbeitern, von ausländischen Arbeitern
und von deutschen und ausländischen Frauen getragen. Daher
rückten neben der Forderung nach Lohnerhöhung die Verbesserung
der Arbeitsbedingungen in den Vordergrund: die Abschaffung von Leichtlohngruppen,
längerer und zusammenhängender Urlaub, Verlangsamung der
Bandgeschwindigkeit etc.
Kennzeichnend für die 73er Streiks war, daß sie sich
von Februar bis Oktober über das ganze Jahr verteilten und
unterschiedliche Forderungen - je nach den Besonderheiten der jeweiligen
Arbeitsbedingungen - erhoben wurden. Dies führte dazu, daß
die Streikenden in einigen Fällen (z.B. bei Pierburg) Erfolge
aushandeln konnten, in anderen Betrieben nur Teilerfolge erzielten
oder gar ganz leer ausgingen.
Die Gewerkschaftsführung stellte die Streikenden zunächst
als "gewerkschaftsschädigend" dar, forderte sie zur
Wiederaufnahme ihrer Arbeit auf und versuchte, die Streikbewegung
als von "Linksextremisten" gesteuert zu diffamieren.
Betriebsarbeit der Linken
Von den Linken waren Anfang der 70er Jahre verschiedene Gruppen
in die Betriebe gegangen, um gesellschaftliche Veränderungen
voranzutreiben; vor allem die Streikwelle 1973 gab ihren Hoffnungen
neue Nahrung.
Mitte der 70er Jahre allerdings hatten sich die meisten linksradikalen
Gruppen aus der Betriebsarbeit zurückgezogen, nachdem ihre
Hoffnungen auf die Arbeiterklasse als dem "revolutionäre
Subjekt" nicht in Erfüllung gingen, aber auch, weil Fabrikarbeit
- vor allem mit der Entwicklung der Alternativszene - kaum noch
mit ihrem sonstigen Alltag zu vereinbaren war.
In den Betrieben fanden sich in den folgenden Jahren zwar weiterhin linke gewerkschaftsoppositionelle
Gruppen, die meisten Linksradikalen aber sahen die Betriebe nicht
mehr als ein Feld für ihre politische Arbeit an. Viele verweigerten
regelmäßige, gesicherte Arbeitsverhältnisse. Sie
übernahmen kurzfristige Jobs, sicherten ihren Lebensunterhalt
durch BAFÖG, Arbeitslosengeld und Sozialhilfe oder arbeiteten
in Alternativbetrieben.
So wurden ab Ende der 70er Jahre Jobberinitiativen gegründet,
die angesichts der zunehmenden Zahl derer, die in ungesicherten
Arbeitsverhältnissen beschäftigt waren, dies zum Ausgangspunkt
ihrer politischen Arbeit machten. Zur gleichen Zeit entstanden Selbsthilfegruppen
von Arbeitslosen.
Die Revolutionären Zellen
veröffentlichten im März 1984 das Diskussionspapier "Wolf
im Schafspelz - 35- Stunden- Woche, Sozialpartnerschaft, Linke, Klassenantagonismus".
Angesichts der bevorstehenden Verhandlungen um die 35- Stunden- Woche
analysieren sie die Interessen der Gewerkschaften und der Unternehmer
an der Arbeitszeitverkürzung und die Folgen für die ArbeiterInnen
vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Umstrukturierung.
Die Revolutionäre Zelle in der Industriegewerkschaft Metall
zeichnet in den Jahren 1979, 1980 und 1982 für mehrere Aktionen
verantwortlich: So gegen die Gewerkschaftsfunktionäre Loderer
und Mayr, auf das Bundesarbeitsgericht in Kassel und auf einen Journalisten
der "Braunschweiger Zeitung".
Im
Januar 1980 hat ein Anschlag der Revolutionären Arbeitslosen-
Zelle die Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg zum Ziel,
im März 1985 legen die RZ Sprengsätze bei dem Unternehmerverband
Ruhrbergbau, der Firma Peter Döhle und der Industriegewerkschaft
Bergbau und Energie, die wirtschaftliche Hilfe für die Niederschlagung
des britischen Bergarbeiterstreiks geleistet haben.
Die Anmerkungen zu diesem
Kapitel befinden sich im Buch auf Seite 741
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