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Aktion gegen Züblin/ Bratengeier, Frankfurt
(Oktober 81)
Der Widerstand lebt
Weil wir den Bauplatz immer noch nicht zurückerobert haben
und deshalb auch nicht direkt an die zum Startbahnbau benötigten
Baumaschinen rankommen, haben wir uns heute Nacht zwei in der Stadt
herumplanierende Bagger von am Bau der Kriegsstartbahn beteiligten
Firmen vorgeknöpft. Am Wendelsplatz haben wir einen Bagger
der Firma Züblin, in der Feldbergstraße einen Bagger
der Firma Jean Bratengeier abgebrannt.
Die Rückeroberung des von den Bullen abgeriegelten Geländes
wäre am 7.11. möglich gewesen - und wurde aus den eigenen
Reihen heraus verhindert.
Nachdem nach der Räumung des Hüttendorfes eine Woche
lang täglich Zehntausende im Wald, in Frankfurt, in der Region
und darüberhinaus in der gesamten BRD demonstriert und sich
teilweise auch praktisch gewehrt hatten, war die Bewegung auf dem
besten Weg, ihren defensiven Rahmen zu sprengen und einen ersten
konkreten Sieg zu erkämpfen.
Der Samstag im Wald sollte der Höhepunkt der Auseinandersetzungen
dieser Woche werden - und wurde zum Desaster. Durch die Eigendynamik
der Bewegung waren die Funktionäre gezwungen, sich schleunigst
etwas einfallen zu lassen, um die Kontrolle über die Auseinandersetzungen
zu behalten bzw. zurückzugewinnen. Die Massenmilitanz gerade
im Wald hatte so an Breite und Intensität zugenommen, daß
sich auch die "Politiker" der Bewegung nicht davon distanzieren
konnten. [...] Ihnen war klar, daß am 7.11. im Wald die Konfrontation
bevorstand.
Die Initiative für den anstehenden Sturm auf dem Platz zogen
sie nur an sich, indem sie ihre Demonstration der "Gewaltlosigkeit"
als Spitze dieses Sturms verkauften. Daß sie auch noch nackt
erfolgen mußte (es fehlten gerade noch das Jesuskreuz und
die Nägel) ist nur eine besondere theatralische Variante einer
Opferhaltung, in die wir wieder zurückgedrängt werden
sollten. Die Verwirklichung der geplanten Platzbesetzung wurde in
Absprache mit dem Bullenhäuptling Vogel unterlaufen.
Generalstabsmäßig waren die Megaphone auf ausgewählte
Personen (darunter mindestens ein Zivilbulle), die in die bevorstehenden
Maßnahmen eingeweiht waren, verteilt, wurde nur eine Anzahl
von Leuten auf den Platz gelassen, Menschen, die nachströmen
wollten, daran gehindert und der nunmehr zu Zuschauern degradierten
Menge die Forderung nach einem Gespräch mit Gries präsentiert.
Davon war vorher natürlich mit keinem Wort die Rede gewesen,
vielmehr war 2 Wochen zuvor vom Deligiertentreffen erklärt
- und damit verbindlich beschlossen worden - daß es mit Gries,
Gemmer [31] & Co.
nichts zu verhandeln gibt.
Die Aufforderung an die Zehntausende, "Ruhe zu halten"
(Orginaltton eines BI'lers durch den polizeieigenen (!) Lautsprecher)
- und das stundenlang - wurde mit dem einfachen, aber wirkungsvollen
Trick durchgesetzt, daß Spahn, Wilma Frühwacht- Treber
&Co. sich selbst zu Geiseln erklärten.
Unterschlagen werden soll nicht, daß diese Ereignisse nur
von einem bestimmten Teil der "Nackten" zu verantworten
sind. Unser aller Versagen war, daß wir uns überrascht
und total fassungslos die "Ruhe" aufzwingen ließen.
Das
Zustandekommen dieses Komplotts braucht nicht zu verwundern, wenn
man/frau weiß, daß der gleiche Personenkreis sichere
Informationen über das Datum der Hüttendorfräumung
hatte, aber - auf Grund seiner Funktion - die rechtzeitige Auslösung
der Alarmkette zu verhindern wußte. Die Strategie, den Widerstand
wenn irgendmöglich aus dem Wald herauszuhalten - weg vom Ort
des Geschehens - setzt sich fort in dem Aufruf zur Blockade des
Frankfurter Flughafens am vergangenen Wochenende. Zu einem Zeitpunkt,
an dem Rodung und Bauarbeiten in vollem Gang sind, ausgerechnet
eine Blockade des Flughafens anzusetzen, kann nicht anders erklärt
werden, zudem die Diskussionen und Beschlüsse während
der abgelaufenen Woche sich immer um die Frage der Mobilisierung
in den Wald - und nirgendwo sonst hin - gedreht haben. [...]
Die Frage nach dem "Warum" der Blockade hat Alexander
Schubart am Montag nur allzu deutlich beantwortet:
"Frankfurt a.M., 16. Nov. (dpa)
Die Protestaktionen auf dem Flughafen sind den Bürgerinitiativen
total aus dem Ruder gelaufen, sagte heute der Sprecher der
Aktionsgemeinschaft Volksbegehren und Volksentscheid - keine Startbahn
West, Alexander Schubart, auf dpa- Anfrage. Er sei furchtbar
erschüttert. Vielleicht sei es das falsche Mittel gewesen,
am Samstag in Wiesbaden zum Boykott des Flughafens aufzurufen, räumte
Schubart ein, der den Appell der Bürgerinitiative zur Besetzung
von Rhein- Main unterstützt hatte. Doch ohne den Aufruf wäre
es nach seiner Meinung zu noch größeren Auseinandersetzungen
an der Mauer gekommen, die das Baugelände sichert. Es habe
der Plan für einen Totaldurchbruch bestanden. Nach dem
Kabinettsbeschluß der hessischen Landesregierung hätte
sich niemand einbilden können, daß es gestern ruhig bleiben
würde, meinte Schubart. Er bezeichnete das Verhalten der Landesregierung
als einmalig in der Geschichte der Bundesrepublik und als kalte
Verachtung der Verfassung."
Das Ziel dieser "Politiker" ist, den Widerstand auf einer
symbolischen (d.h. wirkungslosen) Ebene zu halten, um ihn mehr oder
weniger alternativ in die offiziellen, parlamentarischen Bahnen
(AL, Grüne Liste etc.) zu kanalisieren. Sie wollten nicht aktivieren
und wirkungsvollen Widerstand, sondern sehen diese Massenbewegung
als Public- Relation- Veranstaltung für eine alternative Wahlbewegung,
die sie nächstens in den Hessischen Landtag befördern
soll.
Wie das Politiker so an sich haben, wenn's um ihre Macht geht,
ist ihnen für ihre Durchsetzung jedes Mittel recht. So interessiert
Schubart, Treber, Spahn und Konsorten auch die Bewegung gegen die
Kriegsstartbahn 18 West einzig und allein unter dem Aspekt, sie
für ihre eigenen, langfristigen, politischen Absichten zu funktionalisieren
Diese Frage nach der Funktionalisierbarkeit von Massenbewegungen
ist das Geschäft und das Charakteristikum aller Politiker.
Sie haben den größten Bammel davor, daß die Bewegung
ihrer Kontrolle entgleitet und eine Eigendynamik entwickelt, die
"sie" mit hinwegfegt. Das wäre dann die Basisdemokratie,
die die "Politiker" nicht meinen. Die Auseinandersetzung
mit diesen Machtverhältnissen, Klarheit und ein Bewußtsein
davon, was verdeckt abläuft, sind die Voraussetzungen dafür,
die Art und Weise des Widerstandes sowie seine Richtung genauer
zu bestimmen.
Daß viele davor zurückschrecken, diese Auseinandersetzung
mit aller Härte und allen erforderlichen Konsequenzen zu führen,
ist vor allem begründet in der Angst vor den radikalen, grundlegenden
Veränderungen, die ihre notwendige Folge sind. Daß vielfach
die geplante Niederschlagung der Offensive des Widerstands am 7.11.
noch fast liebevoll "Verarschung" genannt wird, ist nur
ein Ausdruck der Verdrängung der politischen Ernsthaftigkeit
und Bedrohung, die von diesen Ereignissen ausgeht. Die Angst, das
traditionelle Weltbild aufgeben zu müssen, die Angst vor einer
grundlegenden Änderung unserer Vorstellungen und Lebensäußerungen
können wir uns nur gegenseitig in inhaltlichen Diskussionen
und praktischen Kämpfen und Kämpfchen überwinden
helfen.
Widerstand heißt Kampf und Kampf ist zunächst - zu Recht
- mit Angst verbunden. Aber genau die Angst setzt den Mechanismus
in Gang, den Widerstand an die Macher, die "Politiker"
zu delegieren, im traditionellen Rahmen stecken zu bleiben. Delegation
von Widerstand gibt es nicht. Diesen Lernprozeß müssen
noch viele Leute machen. Es ist auch Aufgabe der Militanten, diesen
mit voranzutreiben.
Am meisten lernen wir, wenn wir das, wovon wir reden, auch so gut
es geht in die Tat umsetzen.
Damit es gut und immer besser geht, müssen wir vor allem unsere
Organisations- und Kommunikationsstrukturen so verändern, daß
wir in der Lage sind, den Machern (z.B. in einer Situation wie am
7.11.) praktisch das entgegenzusetzen, was wir für richtig
halten und uns nicht mehr von Leuten das Wort reden lassen, die
alles andere als unsere Interessen vertreten, müssen wir Strukturen
schaffen, die derartige Machtverhältnisse von vornherein ausschließen.
Der Ort des praktischen Widerstands ist vor allem anderen draußen
im Wald. Die Auseinandersetzung am und der Angriff auf den Bauplatz
ist gleichsam der Knackpunkt des gesamten Widerstands. Das haben
die "Politiker" längst begriffen. Vom Widerstand
dort müssen sich andere Aktionen ableiten und daher ihre Funktion
bestimmt werden. Statt zum Teil ziel- und planlos in der Stadt rumzuziehen,
können die für die Startbahn Verantwortlichen aufgesucht
werden, wie Börner bei seinem Besuch in Frankfurt, Gries in
Langen, Hoffie und Schneider an ihrem Wohnort etc.
Immer klarer wurde in den letzten Tagen (Hausdurchsuchungen, Kriminalisierung,
gezielte Hetzkampagnen), daß die Situation von der Landesregierung
demnächst eskaliert werden wird. Der Zeitpunkt einer solchen
Eskalation war noch nie so günstig wie nach dem 7.11. Ihr Ziel
ist, den Widerstand gegen die Kriegsstartbahn endgülig zu zerschlagen.
Darauf müssen wir alle vorbereitet sein und eine Antwort finden.
Wir gehen nicht unter in Niederlagen, sondern in Kämpfen,
die wir nicht kämpfen!
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