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Anschlag auf den Wetterturm Ahaus und gegen Fa. Seeland, Hamburg
(November 79)
In Ahaus dient ein Wetterturm der Erforschung der klimatischen
Bedingungen und damit der Vorbereitung des Baus der Zwischenlagerung.
Gleichzeitig wurden dort bereits umfangreiche Vorbereitungen (Enteignung,
Probebohrungen, Kanalisation, Straßenbauvorbereitungen) getroffen,
um die Errichtung des Zwischenlagers im kommenden Jahr zügig
durchzuziehen. Als nun kürzlich in der Schweiz bei einem Atomprojekt
ein ähnlicher Wetterturm von AKW- Gegnern gefällt wurde,
haben wir uns gedacht: was schon die Schweizer nicht wollen, ist
auch bei uns überflüssig. Wir wissen sehr wohl, daß
wir mit unserer Aktion der ortsansässigen BI Schwierigkeiten
machen und sie sich mit dem "Terrorismus- Vorwurf" wird
auseinandersetzen müssen. Wir meinen aber, daß sich der
Widerstand gegen das Zwischenlager auch an konkreten Ergebnissen
messen lassen muß und wir deshalb ein Recht auf diese Aktion
haben.
In Hamburg haben wir bei der Spedition Seeland mehrere Transportfahrzeuge
unbrauchbar gemacht, indem wir Zucker in Tanks und Messer in Reifen
reingetan haben. Die Spedition Seeland hat sich im September in
Gorleben an den Transportarbeiten zur Errichtung des Bohrlochs KZ's
1003 beteiligt. Sie wurden von verschiedenen Bürgerinitiativen
mehrmals auf ihre schädliche Rolle hingewiesen: wer nicht hören
will, muß schieben.
Der Widerstand gegen das Atomprogramm ist in einer schwierigen
Situation. Die Bonn- Demonstration [16]
ist genauso folgenlos geblieben, wie es zuvor von großen Teilen
der Anti- AKW- Bewegung befürchtet worden war. Der praktische
konkrete Widerstand ist schwach und unbeständig: während
in Gorleben mehrere hundert auf den Bäumen hockten, kamen nach
Bonn 100.000.
Die Ohnmachtsgefühle angesichts der zügigen Arbeiten,
der polizeilichen Übermacht in Gorleben, das Nicht- Weiter-
Wissen, die verbreitete Ratlosigkeit über realistische und
trotzdem effektive Widerstandsformen verleitet viele dazu, auf den
parlamentarischen Dampfer aufzuspringen. Diejenigen, die politische
Bewegungen schon immer als Manövriermasse für taktische
Ziele betrachtet haben, machen zur Zeit in große Politik.
Seien es die Grünen, wo sich Gruhl [17]
und Dutschke [18] in den
Armen liegen; sei es der BBU, der für ein geringes Zugeständnis
der Bundesregierung immer noch die Grünen von einer Kandidatur
abhalten will. Sie wollen nichts davon hören, daß die
Anti- AKW- Bewegung ihre Kraft gerade dadurch gewonnen hat, daß
sie sich unabhängig von den Staatsparteien organisiert, außerparlamentarische
Opposition betreiben, daß sie sich nicht an den Buchstaben
der Gesetze allein, sondern an den Notwendigkeiten des Widerstandes
- wenn auch zu selten und zu vereinzelt - orientiert hat.
Viele
verlassen die Bewegung. Manche wollen die bisherige Arbeit in BI's
und AKW- Gruppen durch eine illegale Praxis ersetzen. Dabei ist
aber der Kampf gegen das Atomprogramm keine militärische Sache
allein. Wenn es überhaupt eine Chance gibt, den Ausbau des
Atomprogramms zu verhindern, den Wahnsinn zu begrenzen, dann nur
über die Kombination politischer und militärischer Methoden
und auch dann nur sehr langfristig. Es würde den parlamentarischen
reformistischen Tendenzen in der Anti- AKW- Bewegung geradezu entgegenkommen,
wenn die militanten und radikalen Teile freiwillig das Feld räumen
würden, um sich auf die Vorbereitung illegaler Aktionen zu
konzentrieren. Natürlich wird ein Widerstand gegen die Atomenergie,
der sich auch gegen die politische Struktur wendet, die das Atomprogramm
möglich macht, nicht auf den schulterklopfenden, augenzwinkernden
Beifall der Medien stoßen, wie ihn derzeit z.B. die Gewaltlosen
einheimsen können. Es ist so banal wie wichtig: die pazifistische
Orientierung eines Teils der Bewegung wird von denen gelobt und
gefördert, die selbst alle Gewaltmittel in der Hand haben und
bereit sind, sie für die Durchsetzung des Atomprogramms auch
einzusetzen. Die Anwesenheit und Auseinandersetzung der Militanten
in der Bewegung ist unverzichtbar. Es ist auch die Vorbedingung
dafür, daß vielleicht einmal hunderte von kleinen Gruppen
illegalen Widerstand organisieren, Strommasten sprengen, die Atomkonzerne
angreifen und sabotieren, die Charaktermasken der Atommafia verunsichern
und veränstigen, daß mehr Bahngleise besetzt, Jauche
abgekippt, Mist geschüttet, Steine geschmissen, Bohrlöcher
usw. werden.
Wir haben unsere Praxis da in Frage gestellt, wo Aktionen allein
dazu dienen, aufzuzeigen, daß Widerstand mögich ist,
da symbolische militante Aktionen abstrakt bleiben und Widerstand
erst erfahrbar wird durch konkrete Ergebnisse wie Behinderung, Sabotage,
Verzögerung. Wir sind aber weiterhin überzeugt, daß
die Entwicklung illegaler und militanter Kampfformen unabdingbar
ist, daß Massenaktionen und Aktionen kleiner Gruppen, Zentralisation
und Dezentralisation, die militärische und politische Seite
nicht voneinander zu trennende, sich gegenseitig bedingende, vorantreibende
Momente sind.
Die allumfassende Harmlosigkeit mag ein guter Schutz vor Ärger
und Repression sein, verändern tut sie nichts mehr.
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