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Sechs Thesen, vier Mythen, zwei Wege, ein Ziel?
Zur Geschichte der radikalen Linken in der BRD gehört seit
Anfang der 70er Jahre die Existenz bewaffneter Gruppen. Bis in die
80er Jahre kamen speziell von der RZ immer wieder nicht nur
praktische Signale des Weiterkämpfens in schwierigen Zeiten,
sondern auch wichtige Diskussionsbeiträge. Gleichzeitig gab
es aber von Anfang an durch die unpolitische Art der Auseinandersetzung
mit diesen Gruppen und ihre fortschreitende Isolierung einen gewissen
Zwang für alle Linksradikalen, diese Gruppen zu verteidigen.
Eine Diskussion über Fehler und falsche Entwicklungen war kaum
möglich, entweder man war dafür oder dagegen. Unsere Versuche,
in der Wildcat die Debatte öffentlich zu führen (das letzte
Beispiel" Arbeitermacht und bewaffneter Kampf" Wildcat 56) blieben
immer schnell stecken. Zum Teil, weil gerade Leute aus der Raf sich
kategorisch weigerten, sich zu äußern; vor allem aber,
weil wir an uns dabei immer den Anspruch hatten, "nach vorne" zu
diskutieren - und ihn nicht einlösen konnten.
Seit über einem Jahr häufen sich nun Interviews,
Papiere und Stellungnahmen: Die Raf äußerte sich im Pohl
- lnterview mit der FR zu "ihren DDR - Aussteigern" und ihren Kontakte
zur Stasi. Aus dem Bereich der RZ kamen Papiere, die Anschläge
der eigenen "Firma" scharf kritisierten, ein Papier, das die Ermordung
von Gerd Albartus als Anlaß zur Distanzierung von antiimperialistischen
Vorstellungen nahm, ein weiteres Papier, das die Selbstauflösung
einer Revolutionären Zelle verkündete, nun kam auch von
der Raf die Ankündigung, den bewaffneten Kampf einstelIen zu
wollen. Während die RZ- Papiere (trotz inhaltlicher Schwächen)
eine politische Diskussion (neu beginnen) wollen, setzt die Raf
selbst in ihrer Absage- Erklärung ihren seit Stockholm mit
dem Staat begonnenen Exklusiv- Dialog fort.
Die folgenden Thesen haben nicht den Anspruch, die "Geschichte
des bewaffneten Kampfes in der BRD" abzuhandeln. Sie streichen erst
mal ein paar Sachen raus, die uns an den verschiedenen Beiträgen
wichtig erscheinen. Wir möchten damit einen Beitrag dazu leisten,
daß eine politische Diskussion zustande kommt und nicht
wieder ganz schnell alles unter den Teppich gekehrt wird oder in
einem diffusen Nebel von Taktik und Verleugnen verschwindet. Deshalb
hier auch noch mal die Aufforderung an alle "Betreffenden", sich
zu äußern, wir werden auch zugeschickte Diskussionsbeiträge
veröffentlichen.
1. Mythos 1: Der Antiimperialismus oder: Zusammenarbeit mit Geheimdiensten.
Erstaunlich ist auf seiten der Raf die lapidare Umgehensweise
mit der eigenen Verstrickheit in Geheimdienstgeschichten. Kein Wort
der Selbstkritik - es wird höchstens darauf verwiesen, daß
es für eine Guerilla ohne Hinterland eben notwendig war. Daß
diese Zusammenarbeit möglicherweise von der Stasi dazu benutzt
wurde, die Raf Anfang der 80er operativ auszuknipsen, wird mit der
Versicherung verdrängt, man sei jederzeit autonom geblieben.
Aufgrund des ja wohl Sehr eindeutigen Gefälles in dem Kräfteverhältnis
Stasi und Guerillagruppen kann wohl ab einem gewissen Zeitpunkt
in der Geschichte nicht mehr von der so hochgelobten selbstbestimmten
Politik die Rede sein.
Die deutschen Guerilla- Gruppen haben von Beginn an Kontakte zum
palästinensischen Widerstand gehabt (Ausbildung, Zusammenarbeit,
Flugzeugentführungen).
Es ist (zumindest inzwischen) bekannt, das viele politischen Gruppen
in Palästina von Geheimdiensten der verschiedensten Länder
durchsetzt und gesteuert sind. Schon mit dem wenigen, was bisher
öffentlich wurde, ergibt sich, daß Guerilla- Gruppe zwischen
diversen Fronten und Interessen europäischer Staaten und Nah-
Ostgeheimdiensten geraten sind (Verflechtungen von Action directe
mit dem syrischen Geheimdienst; Ultimaten, mit denen Carlos auf
die Inhaftierung von Leuten aus dem hessischen Untergrund in Frankreich
reagierte; Sprengstofftransporte von Weinrich von Ostberlin zwecks
Anschlag auf das "Maison francaise"). Nach all dem dürften
auch Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst einige Kenntnis
von gewissen Verbindungen gehabt haben, sie wären Oberdilletanten,
wenn sie von allem nichts gewußt haben sollten.
Die deutschen Guerillagruppen haben darüber hinweggesehen,
welche innerorganisatorischen Gepflogenheiten bei ihren palästinensischen
Verbündeten herrschten (Hierarchien, Verhältnis Frauen-
Männer, Umgang mit Abweichlern bzw. ihre Gleichsetzung mit
"Verrätern", es war auch bekannt, daß diese Organisationen
interne Knäste unterhielten usw.) Der Aufbau eines organisationsinternen
Geheimdienstes und eines Knastsystems hat in den seltensten Fälle
"Sicherheitsbedürfnissen" gedient, sondern meistens der Durchsetzung
der Führung gegen die Basis, der Ausschaltung, Einkerkerung
und Ermordung aufmüpfig "Gefolgsleute"!
Das alles war aber schon lange bekannt. Zur Erschießung von
Schmücker hatte beispielsweise Brückner ein Buch gemacht.
H.J. Klein, der selber bei der OPEC- Aktion dabei gewesen war, hatte
in einem Buch seinen Ausstieg aus der RZ hauptsächlich mit
solchen Geheimdienstverwicklungen begründet... Aber die Guerillagruppen
hatten solche kritischen Stimmen immer in die Nähe von Verrat
gerückt, solche Kritik tabuisiert. Angesichts dieses jahrzehntelangen
Verdrängens kriegt man bei den aktuellen selbstkritischen Erklärungen
oft den Eindruck, daß da Dämme brechen. Die RZ, die damals
Entebbe und HJ Kleins Ausstieg mit der martialischen Parole "Die
Hunde bellen, die Karawane zieht weiter" abgetan haben, erklären
nun in ihrem Papier zu Gerd Albartus Ermordung durch eine "palästinensische
Gruppe" mit den gleichen Geschichten das Scheitern ihrer antiimperialistischen
Politik.
Die Revolutionäre Zelle legt hohe Erwartungen in die Auseinandersetzung
("Welle von Reaktionen"), die sie mit ihrer Erklärung
auslösen will: "Sie wird sich mit dem Zusammenhang von
Politik und Moral, dem Gegensatz von nationaler Souveränität
und sozialer Befreiung und dem Unterschied zwischen revolutionärer
Gewalt und Terror zu befassen haben". Aber ihr Wille, zunächst
mal die eigene Geschichte aufzuarbeiten, bleibt sehr schwach, was
mit oberflächlichen Argumenten begründet wird: "Unser
Wissen über die Gruppe wie über Gerds Verhältnis
zu ihr ist begrenzt. Die Verbindungen gehen zurück auf einen
Abschnitt unserer Geschichte, unter den wir aus politischen Gründen
schon vor etlichen Jahren einen Schlußstrich gezogen hatten.
Ob und inwieweit sich die Zusammenhänge in der Zwischenzeit
auch dort geändert haben, überschauen wir nicht."
Zu solchen Oberflächlichkeiten steht der hammerharte Schlußstrich
unter die antiimperialistische Perspektive der frühen RZ in
krassem Gegensatz: "Was...als Versuch formuliert wurde, eine Antwort
auf die weltweite Ungleichzeitigkeit revolutionärer Entwicklung
zu finden, war faktisch zugleich die Abkopplung vom hiesigen Sozialprozeß.
Es war der Freibrief für eine Praxis, die sich um politische
Vermittlung nicht einmal dem Anspruch nach zu bemühen braucht
...Was wir auf internationaler Ebene machten, war nicht die antiimperialistische
Dimension dessen, wofür wir in der BRD kämpften, sondern
stand in krassem Gegensatz dazu. Wir mußten uns entscheiden."
Weil sie nicht zu den inhaltlichen Punkten vorstoßen, landen
sie dabei, "den palästinensischen Widerstand" allgemein anzuschwärzen,
die Ermordung von Gerd Albartus durch die palästinensische
Gruppe, mit der er zusammenarbeitete, wird beinahe zu einer Frage
von unterschiedlichem Naturell ("daß hier Maßstäbe
aufeinanderprallen. die zweierlei Welten entstammen" und weiter
unten "daß in einer solchen Welt eine schwule Identität
per se auf Argwohn stößt").
Das Papier bleibt weit hinter dem zurück, was in den 80er
Jahren als "neuer Internationalismus" diskutiert und praktiziert
wurde: die Möglichkeit der weltweiten Befreiung macht sich
nicht an "Bruderorganisationen", Bündnispolitik und Machtspielchen
fest, sondern an den weltweiten Ansätzen zu selbstorganisierten
Kämpfen.
In Wirklichkeit ist es auch gar keine Auseinandersetzung mit aktuellen
Vorstellungen von weltweitem Klassenkampf, sondern ein Sich- Abarbeiten
an der eigenen Geschichte. Ersetze überall "palästinensischer
Widerstand" durch "antiimperialistische bewaffnete Gruppen in der
BRD": Dann ist es ein wichtiges Papier, das zum erstenmal mit dem
Tabu des gläubigen Antiimperialismus bricht, das zum ersten
Mal die militärische Ebene mit ihrer hierarchischen Logik problematisiert.
Aber die Selbstkritik bleibt auf halben Weg stehen - sie muß
erstmal zu Ende geführt werden. Sie muß dann auch die
Ansätze zu einem "neuen Antiimperialismus" einbeziehen. Und
schließlich muß Tacheles geredet werden, wie der Bezug
auf die hiesigen Sozialprozesse aussehen kann. Hier bleiben sie
völlig schwammig: "Wer unsere Praxis in den 80er Jahren verfolgt
hat, weiß wie diese Entscheidung ausgefallen ist." Was ihre
Konsequenzen waren, können wir nur erraten bzw. interpretieren.
2. Krise des Bewaffneten Widerstandes
Die Politik der RZ in den 70ern bestand sowohl aus internationalistischen
Aktionen z.B. Chile, aus Aktionen zu sozialen Konflikten z.B. Anschlag
Kaußen (Kölner Miethai), sowie Themen der damals beginnenden
Frauenbewegung (Anschlag auf das Bundesverfassungsgericht), Anschläge
auf BDI, BDA und IHK. Nach Entebbe 1976 trat eine Pause ein. Seit
Beginn der 80er Jahre versuchten die RZ sich stärker auf soziale
Widersprüche zu beziehen, was in der Regel über den Transmissionsriemen
der Linksradikalen in den Teilbereichsbewegungen versucht wurde:
Startbahn, Friedensbewegung, Gen und Reproduktionstechnologie und
die Flüchtlingsfrage, sogar die 35-Std-Woche. Zumindest in
der Anti- Akw- Bewegung, der Häuserkampfbewegung und vor allem
an der Startbahn West schien das Konzept auch aufzugehen. Die Papiere
"Krise, Krieg und Friedensbewegung und Startbahn- West" (Rev. Zorn
81) wurden in diesen Bewegungen breit diskutiert. Es gelang ihnen
"die Herze und Köpfe" der Bewegungsaktivisten zu erobern. Eine
zweite Schiene war das Thematisieren der "Flüchtlingsfrage".
Hiermit wollten sie zu einem "neuen Ansatz von Antiimperialismus
der radikalen Linken beitragen". Antiimperialismus sei mehr als
Solidarität mit den Befreiungsbewegungen: "Unsere Aufgabe
ist es, eine imperialistische Politik auf die Klassenfront hier
und auf die Rückwirkungen in diesem Land zu beziehen ... So
wie die Flüchtlingsbewegungen die Grenzen zwischen dritter
und erster Welt überschreiten, muß heute der antiimperialistische
Kampf auf die Metropolen zurück bezogen werden". (Revolutionärer
Zorn extra Oktober 1986).
Durch Kampagnen gegen die Einschränkung der Aufenthaltsbedingungen
und Lebensverhältnisse der Flüchtlinge, Netze zur Verteidigung
von Flüchtlingen, Aktionen gegen Zwangsprostitution und Frauenhandel,
Kampagnen gegen Zwangsarbeit und Niedriglohn, Unterstützung
illegaler Strukturen von Flüchtlingen, Aktionen gegen Razzien
der Ausländerbullen sollte ein faktisches Aufenthaltsrecht
durchgesetzt werden.
In der Kampagne der Roten Zora gegen Adler bündelten sich
viele dieser Vorstellungen. Nach den Verhaftungen am 18.12.87 von
Ingrid Strobl und Ulla Penselin und dem Verschwinden einiger Gesuchten
griff eine breite Solidaritätsbewegung die "inkriminierten"
Themen wie Gen- und Reproduktionstechnologie, Sextourismus, Flüchtlingspolitik
stark auf. Allerdings zeigte sich in dieser Kampagne, wie dünn
die politischen Vorstellungen der RZ hier waren. Zudem waren sie
personell geschwächt auch nicht in der Lage, auf diese breite
Solidaritätsbewegung einzugehen.
Die Auflösungserklärung der Ruhrgebiets- RZ ist an diesem
Punkt völlig widersprüchlich. Sie arbeiten heraus, daß
sie bereits "vor dem 18.12." in einer politischen Krise
waren: "Zwar hatten wir nicht die Hoffnung, daß sich
rasche Verbindungslinien zwischen Flüchtlingen und hiesigen
proletarisierten Schichten ergeben würden, aber wir phantasierten
den Willen der Flüchtlinge, in den Metropolen ihren Anteil
am gesellschaftlichen Reichtum und an existenzieller Sicherheit
einzuklagen, als direkten antiimperialistischen Kampf, verbunden
mit trikontinentaler Widerstandserfahrung - und damit als ein mögliches
Terrain unserer eigenen Politik. Als die Kämpfe in dieser Form
ausblieben, auf die wir hätten Bezug nehmen wollen (wobei wir
die vielen "reformistischen" Forderungen von Asylsuchenden
leicht übersahen), kompensierten wir dies mit der Analyse der
staatlichen Flüchtlingspolitik und mit Angriffen auf deren
zugängliche Agenturen. Wir machten die Sache der Flüchtlinge
zu der unsrigen, ohne auf ihre Subjektivität und Erwartungen
Rücksicht zu nehmen, ja ohne sie zu kennen. Diese "Flüchtlingspolitik
ohne Flüchtlinge" ergab sich scheinbar notwendig..."In
der Fixierung auf unsere Kampfmethoden verzichteten wir darauf,
eine theoretische politische Orientierung zu entwickeln ... in der
Propagierung unserer eigenen Kampfmittel (steckte) eher ein Aktionsmodell
als eine politische Theorie ...herausragendes Merkmal blieb die
Symbolik des Bombenanschlags." Trotzdem machen sie das Debakel
an der angeblichen "Nicht- Reaktion der Szene" fest. Ihre
eigenen politischen Vorstellungen gingen nicht über "freies
Fluten" raus. Und daraus wäre eine revolutionäre
Perspektive nur herstellbar, wenn sie in den Vorstellungen, Ansprüchen
und/ oder im Verhalten der hier ankommenden Flüchtlinge angelegt
wäre. Beides trifft aber nicht zu. Und ohne angeben zu können,
wie sich diese "Einbahnstraße" in Zukunft vermeiden
läßt, ja ohne den Versuch dazu zu machen, geben sie wiederum
"Flüchtlinge" als zentrale Kategorie aus: "Erst wenn sich
erwiesen hat, daß die albanischen FIüchtlinge in Italien
1991 nur die Vorboten einer Unterminierung der Festung Europa gewesen
sind, werden auch hier die Verhältnisse wieder zu tanzen beginnen".
Wenn aber die RZ weder Hoffnung auf ein Zusammenkommen mit den ProletarierInnen
hier haben, noch im Verhalten der Flüchtlinge selbst revolutionäres
festmachen können, bleibt eben nur die sozialarbeiterische
Betreuung oder die "Flüchtlingspolitik ohne Flüchtlinge".
Keinesfalls läßt sich dann in der Überflutung der
"Festung Europa" eine revolutionäre Perspektive vorstellen.
Auch heute ist die Flüchtlingsfrage nicht der Ansatz
revolutionärer Arbeit. Aber richtig bleibt es, Netzwerke aufzubauen,
um Flüchtlinge zu verstecken, Bleiberecht durchzusetzen, Lager
zu verhindern...
Absage- Erklärung der Raf
Die Raf bietet in ihrem Papier dem Staat an, ihre Kommandoebene
zurückzunehmen, im Gegenzug dazu sollen endlich die Gefangenen
rausgelassen werden. Vermischt ist dieser einfache Sachverhalt mit
einer stümperhaften Einschätzung ihrer Geschichte und
der allgemeinen politischen Weltlage.
Nachdem fast 20 Jahre lang mit elf Hungerstreiks über öffentlichen
Druck die Haftbedingungen der Gefangenen vergeblich angegriffen
wurden, ist es legitim, die Freilassung der Gefangenen direkt zu
verhandeln. Aber das kann nicht als revolutionäre Politik ausgegeben
werden. Die Aktionen der Raf in den letzten Jahren - das Ausschalten
einiger Spitzen aus Politik und Wirtschaft - haben Druck gemacht,
um Verhandlungen zu ermöglichen. Eine politische Diskussion
muß aber trennen: die Freilassung auf der einen Seite, das
Aufarbeiten der eigenen Geschichte auf der anderen.
Die Raf ist Anfang der 70er Jahre eine - theoretische und praktische
- Orientierung für viele Linke und vor allen Dingen für
den bewaffneten Widerstand in der BRD gewesen (RZ und 2. Juni).
Seit Mitte der 70er Jahre begaben sie sich mit den Raus- Hol- Aktionen
(Stockholm, Ponto, Schleyer) in den abgehobenen Krieg mit dem Staat.
Die Linke war gespalten in die "Distanzierer" und die "Sympathisanten"
dazu wurden alle, die Verbesserungen der Haftbedingungen durchzusetzen
versuchten.
Alles, was uns die Distanzierer immer vorgeworfen haben, gibt die
Raf in ihrer Erklärung nun plötzlich zum Besten: "da
wir viel zu wenig auf andere, die hier auch aufgestanden waren zugegangen
sind; und auf die, die noch nicht aufgestanden sind gar nicht",
"daß (wir) nur Angriffe gegen den Imperialismus im Kopf
hatten und nicht gesucht haben nach positiven Zielen und gesellschaftlicher
Alternative, die schon heute existieren kann. ...Gezielt tödliche
Aktionen von uns gegen Spitzen aus Staat und Wirtschaft können
den jetzt notwendigen Prozeß im Moment nicht voranbringen,
weil sie die gesamte Situation für alles was in Anfängen
da ist und für alle, die auf der Suche sind, eskalieren."
Das galt auch schon die letzten 20 Jahre. Nur hat es die Raf immer
einen Scheiß- Dreck interessiert welche Reaktionen sie durch
ihre Politik ausgelöst hat. Die radikale Linke war über
Jahre damit beschäftigt, immer zu verteidigen, daß sämtliche
Repressionsmaßnahmen des Staates auch ohne die Politik der
Raf entwickelt worden wären, sich nicht speziell gegen bewaffnete
Gruppen, sondern gegen sämtlichen Widerstand in der BRD richten.
Ansonsten gibt es in diesem Papier keine neuen Erkenntnisse: Nicht
erst seit heute gibt es Kämpfe der sozialen Gefangen gegen
Sonderbehandlung und unmenschliche Haftbedingungen - Aktionen gegen
- Rassismus - Armut - faschistische Tendenzen usw. usf.
Der Kommentar der Zeit "Der Brief liest sich in seinem letzten
Teil... wie das Parteiprogramm einer sehr linken, aber noch verfassungsmäßigen
politischen Partei... Ist es Rätsels Lösung: der Wunsch
nach Rückkehr in die Legalität und ins politische Wirken?"
trifft ins Schwarze.
Emile Marensin schrieb in seinem Text "Stadtguerilla und soziale
Revolution" schon 1972: "Daraus erklärt sich, daß
heute, in unseren Gesellschaften, wo sich hauptsächlich die
neuen Probleme stellen, Leninisten versuchen, sich in den am wenigsten
zurückgebliebenen Schichten zu verwurzeln, die der Kapitalismus
aufs Abstellgleis gestellt hat: die Gastarbeiter, die Alten, die
Gefangenen, die rassischen oder sexuellen Minderheiten, kurz, alle
Bereiche, wo noch die revolutionären Beweggründe der Vergangenheit
überleben. Darum gleichen die Leninisten immer mehr Pfaffen
oder SozialarbeiterInnen. Sie sind außerhalb des wirklichen
Ablaufs, außerhalb des Lebens, außerhalb der wirklichen
Bewegung des Kommunismus. Sie suchen im Müllhaufen der Geschichte
den Fraß für ihr Überleben."
3. Mythos 2: Der "Bewaffnete Kampf"
Klassenkämpfe scheren sich nicht um Legalität, wo es
nötig ist, wird ein Kapo auch mal verprügelt, eine Maschine
sabotiert usw. Auch die Bewegung hat Ende der 60er Jahre laut, massenhaft
und öffentlich über revolutionäre Gewalt diskutiert.
Raf, 2. Juni und später RZ sahen sich als Teil einer breiten
Bewegung an den Unis, in den Schulen, in den Betrieben, bei den
Lehrlingen, die aus vielen verschiedenen Gruppen und Organisationen
zu Knast und Psychiatrie, zu Häuserkampf, Sanierung, Vietnam
etc. bestand - bis hin zu den
vielen Miniparteien oder Parteiaufbauorganisationen. Die Raf hatte
sich aber aus diesem Gewimmel ganz deutlich rausgestellt, sie behauptete,
es sei unmöglich, tagsüber "Basisarbeit" zu
machen und abends bewaffnete Aktionen - Voraussetzung für den
Aufbau der Guerilla sei das Sich- Illegal- Machen. In dieser Vorstellung
gibt es dann zwei Sphären: die "gewöhnlichen"
Kämpfe und die bewaffnete Speerspitze - die Radikalität
der Kämpfe wird oft mit ihrer Militanz verwechselt, international
orientiert man sich an Gruppen, die "schon" bewaffnet
kämpfen usw.
Auch im Ansatz der RZ war ein ganz ähnlicher Denkfehler: Die
hauptsächliche Grenze der Massenbewegungen sahen sie fälschlicherweise
in der staatlichen Repression. Diese Blockierung sollten dann kleine
bewaffnete Kerne aufbrechen. Aber beide Guerillagruppen gerieten
lange bevor diese falsch bestimmte Dialektik zu den Massenkämpfen
in die Krise kam, in eine Eskalation hinein, der sie nicht gewachsen
waren: bei der RZ endete das 1976 im Desaster von Entebbe, bei der
Raf war nach der breiten Verhaftungswelle 1972 im deutschen Herbst
77 schon der zweite Anlauf steckengeblieben. Indem sie sich an der
Frage des Rausholens der Gefangenen auf diese Eskalation einließen,
trugen die bewaffneten Gruppen dazu bei, daß Militanz als
etwas von den Massenkämpfen Abgehobenes gesehen wurde.
Nur mit diesem Getrenntsein von gesellschaftlicher Wirklichkeit
und der Abwesenheit breiter politischer Debatten lassen sich die
Debakel- Aktionen der letzten Jahre erklären, mit denen die
bewaffneten Gruppen ihr Ende einläuteten: Die Raf verlor schon
relativ früh jedwede moralische Skrupel, als sie den GI Pimenthal
töteten, weil sie seinen Ausweis brauchten. Im Golfkrieg beschossen
sie dann die amerikanische Botschaft in Bonn und damit gleichzeitig
die Friedenswache. Zur gleichen Zeit versuchte eine RZ, die Siegessäule
in Berlin vom Podest zu bomben. Beides hirnrissige Anschläge,
die auf der einen Seite das Leben Unbeteiligter gefährdeten
und auf der anderen Seite völlig inadäquat blieben als
Interventionen gegen den Golfkrieg. Der Berliner Baustadtrat Klein
wurde mit einer Briefbombe getötet. Als eine RZ aus dem "Traditionszusammenhang"
zu diesen Anschlägen sehr kritisch äußerte, wurde
das Papier von denen, die es kritisierte, als patriarchalistisch
zurückgewiesen, weil es locker in die Form eines Treffen von
drei alten Freunden gekleidet war.
Selbst die Auflösungserklärung der Ruhrgebiets- RZ sitzt
dem eigenen Mythos auf, wenn sie die "Nichtreaktion der Szene"
auf ihre Enteignung der Zigeunerakten in der Kölner Anlauf-
und Beratungsstelle nur damit erklären können, daß
ihnen die Szene nicht mehr folgt. Dabei befand sich ein großer
Teil der Unterlagen schon längst in den Händen der legalen
Gruppen
- man kann Akten ja auch einfach klauen. Sie ziehen auch nicht
den Schluß, daß eine Aktion, die nicht mit breiten politischen
und sozialen Prozessen verbunden ist, beliebig wird, im Gegenteil
scheinen sie von einem Automatismus "bewaffnet ist vorne"
auszugehen, der auftretende Probleme als "Vermittlungs- und
Resonanzprobleme" abtut. Das steht im Gegensatz zum Anspruch,
den sie (endlich !) formulieren, auch die "Mittel revolutionärer
Politik" neu diskutieren zu wollen.
"Jede Gruppe, die beansprucht, revolutionäre Politik
zu machen und sich nicht zu der jeweiligen Klassenzusammensetzung
und ihren Kämpfen in Bezug setzt, bleibt zwangsläufig
ein Selbstläufer und läuft sich irgendwann zu Tode. Bewaffnete
Politik verkommt dann - auch wenn es absurd klingt - zur individuellen
Überlebensstrategie." (Kritik von "ex- RzlerInnen"
am Auflösungspapier)
4. Der gute Mythos: Gegenmacht
Die Raf machte von Anfang an einen (Qualitäts-) Unterschied
zwischen bewaffneten Aktionen der Guerilla und anderen politischen
Aktivitäten. Daraus begründeten sie ihren Avantgarde-
Anspruch.
Die RZ entstehen als Verbindung zweier politischer Linien: einer
Spontilinie von Gegenmacht und einer recht traditionellen Vorstellung,
die zwar etwas anders formuliert wurde als von der Raf ("Dem
Volke dienen"), aber im Grunde auf das gleiche rauslief, selbst
die politische Begründung durch die Faschismustheorien Glucksmanns
war die gleiche ("Erst bei einer Vervielfachung der Aktionen
werden sie ihre erzieherische Wirkung haben". "Warum wartet
ihr auf die Einnahme des Innenministeriums durch faschistische Banden,
während das Innenministerium dieses Land einnimmt und besetzt!").
Ihre Vorstellungen von Gegenmacht beschrieben sie in Revolutionären
Zorn Nr. 1 (1975) so: "Was wir wollen, ist die Gegenmacht in
kleinen Kernen organisieren, die autonom in den verschiedenen gesellschaftlichen
Bereichen arbeiten, kämpfen, intervenieren, schützen,
die Teil von der politischen Massenarbeit sind. ...Widerstand heißt:
über jede Form des Reformismus, der Arschkriecherei und des
Anbiederns an dieses System hinauszugehen. Das fängt an, wo
man lebt und arbeitet. Am Arbeitsplatz, wo man sich durch Maschinenausfälle
gegen die Arbeitshetze wehren kann; geht über kleinere und
größere Brände bei Firmen, über Streiks, Fabrikbesetzungen,
Demonstrationen, über Angriffe auf die Institutionen der gegen
das Volk "Regierenden" und der Unterdrücker, bin
hin zu Bestrafungs-, Rache- und Befreiungsaktionen." Etwas
böswillig dargestellt war Gegenmacht also die naive Vorstellung,
daß zur selben Zeit im selben Stadtteil 100 Leute schwarzfahren,
50 Ladendiebstahl machen, 10 Flugblätter verteilen, 2 Rockbands
im autonomen Zentrum üben, 50 noch ein Haus besetzen und 7
Arbeiter in einer Fabrik Sabotage begehen, einige Zellen die Fahrkartenautomaten
außer Kraft setzen.
Aus dieser "Gegenmacht" entsteht revolutionärer
Widerstand durch moralische Sauberkeit: kein Arschkriechen, kein
Anbiedern, kein Reformismus. Die Leerstellen in der Analyse und
im politischen Vorschlag werden durch moralischen Rigorismus aufgefüllt.
Die damaligen Spontiszene übersetzte diese Gegenmachtkonzepte
politisch in "Freiräume des Arbeitens und Lebens schaffen"
und materiell in den Aufbau von hunderten Alternativbetrieben. (Wie
ja überhaupt das spezielle Aktionsmodell der RZ und ihre verschiedenen
politischen Linien den jeweiligen existentiellen Entscheidungen
ihrer Militanten breitesten Raum ließ: vom Aufgehen im palästinensischen
Widerstand bis zur akademischen Karriere...)
Anfang der 80er Jahre entwickelte sich die diffuse Guerilla in
der ursprünglichen Absicht der RZ "Schafft viele Revolutionäre
Zellen!", hunderte von Anschlägen mit den unterschiedlichsten
Unterschriften, aber auch neue RZs entstanden. Aber nun zeigte das
Modell seine ganzen Schwächen: Es kam zu groben Ungenauigkeiten
bei bewaffneten Anschlägen. Es gab seitenlange, ideologietriefende
Erklärungen zu Anschlägen, die das System nicht mal am
Lack kratzten. Im Gefolge der größten diffusen Guerillabewegung,
dem Strommastsägen kam es zu Verhaftungen und regelrechten
Aussageexzessen, die meines Wissens bis heute nicht politisch aufgearbeitet
wurden. An der Startbahn wurden zwei Bullen aufs Geratewohl erschossen...Im
Nachhinein läßt sich feststellen, daß der "bewaffnete
Kampf" in der BRD bisher relativ exklusiv geblieben ist - und man
muß sagen: zum Glück!
5. Mythos 4: Die TeiIbereichsbewegung an und für sich
Was dem Leninisten der vorgebliche Trade- Unionismus der Arbeiterklasse
ist dem Autonomen seine TeiIbereichs- Sichtweise der Dinge. In den
letzten zehn Jahren wurden mehrere hundert Tonnen Papier bedruckt
mit "Kritik an den Teilbereichsbewegungen", Überlegungen,
wie diese zu "vernetzen" seien usw. Was die autonomen
Kritiker dabei ganz übersehen haben: es gibt keine Teilbereichbewegung
mehr - außer ihnen selbst, die sich für die Teilbereiche:
Antifaschismus, Antipatriarchalismus, Antirassismus usw. usf. (je
nach Konjunktur) einen Alleinvertretungsanspruch zubilligen. Was
ist denn eine TB? Die Menschen in Wyhl, die gegen den Bau eines
AKW gekämpft haben, Brokdorf, Wackersdorf - aber bereits bei
diesen Beispielen stimmt es auf der Ebene der Menschen nicht so
ganz: die Leute in Wackersdorf haben in der Mobilisierung gegen
die W AA alle möglichen Sachen thematisiert; die Kategorie
"TB" trifft eigentlich immer nur auf die Politspezies
zu, die sich ein ganz bestimmtes Thema vornehmen (oft mit Scheuklappen
und oft mit dem Versuch, theoretisch die Zentralität genau
ihres Themas zu beweisen). Aber die ganze Auseinandersetzung darüber
findet seit Jahren im luftleeren Raum statt: wo sind denn noch Teilsbereichsbewegungen
- die letzte, thematisch wirkIich eng begrenzte Bewegung war die
mittelständische Friedensbewegung gegen die Mittelstreckenraketen.
Und auch die autonome Szene ist nicht mehr in Teilbereichen aktiv
(wie es etwa in Revolutionärer Zorn Nr. 1 entworfen wird; s.o.),
sondern nur noch in Kampagnen (hat also eine Politikform absolut
gesetzt, die wir an der Friedensbewegung noch als bürgerlich
kritisiert hatten).
Teilbereichsbewegungen sind das Kleingeld der autonomen Gegenmacht-
Entwürfe, der selektive Zugang zur Welt...
Seit Mitte der 80er Jahre reiben sich die aktuelle Gegenmachtvariante
des "antipatriarchalen Kampfs" und ein dünner werdendes
Rinnsal der Überbleibsel "sozialrevolutionärer Ansätze"
innerhalb der RZ aneinander...Wobei aber auch "sozialrevolutionär"
immer weniger bedeutet, sich auf soziale Prozesse zu beziehen und
immer stärker in die Richtung geht, aus den eigenen Ansprüchen
und Bedürfnissen heraus Aktionen zu machen und die Frage nach
der Revolution völlig in den Hintergrund zu schieben.
6. Revolution in den Metropolen
Die 70er Jahre waren in breiten Schichten der Gesellschaft gekennzeichnet
von der Diskussion über Veränderung. Veränderung
in Familienstrukturen, in Arbeitsverhältnissen, Abschaffung
des Geldes, des Eigentums, "freie" Gesellschaftsformen,
Revolution waren die Themen. Kommunen und Wohngemeinschaften waren
das neue Modell des Wohnens, das Mittel, um aus den Kleinfamilien
auszubrechen. Man lebte nicht nur zusammen, sondern man kämpfte
zusammen, es gab den Ansatz von Abschaffung des Privateigentums,
der eigenen Zimmer. In den Betrieben wurde offen über Ausbeutung,
die Aneignung der Produktionsmittel und die Abschaffung des Kapitalismus
geredet. Wir wollten nicht, wie dann später und noch heute
propagiert, Sand im Getriebe sein, sondern dieses System stürzen
und in anderen Gesellschaftsformen leben. Diese Perspektive fehlt
in der heutigen politischen Arbeit vollkommen, "politisch Aktive"
weigern sich sogar, darüber zu diskutieren. Aber wenn das Ziel
unseres politischen Kampfes nicht Revolution und Befreiung ist,
warum machen wir es dann: Freizeitbeschäftigung? aus schlechtem
Gewissen?
Im Mai 1968 hauptsächlich durch die Ereignisse in Frankreich
stand seit langem mal die Frage nach der Revolution in den Metropolen
auf der Tagesordnung. Als die Verhältnisse in Frankreich ins
Tanzen gerieten, gab es auch in der BRD eine breite, radikale Bewegung.
Zum ersten Mal seit Jahrzehnten entstand wieder ein Gefühl
dafür, daß Revolution auch in den Metropolen möglich
ist. Dieser Gedanke war Motor für eine breite Bewegung gegen
das kapitalistische System. Aber in der BRD haben nur ganz wenige
politische Gruppen eine Vorstellung davon, wie aus den breiten Bewegungen
die Revolution entstehen könnte. Bald begannen die K- Gruppen,
ihre Hoffnungen auf eine "Arbeiterklasse" zu stützen,
die so vielleicht vor 100 oder 50 Jahren existiert hatte, (wahrscheinlich
aber nur in ihren Köpfen).
Die anderen stellten ab auf Antiimperialismus, "die Städte
vom Land her einkreisen",
"Solidarität mit den Befreiungsbewegungen und den jungen
Nationalstaaten" usw. Aus dieser Perspektive heraus wurde bis
heute eine Politik betrieben, die für Revolution in den Metropolen
keinerlei Berechtigung sah. Sie sollte in den Ländern der 3.
Welt (der Osten hatte "seine sozialistische Revolution" schon)
stattfinden. Für die Metropolen waren unterstützende Aktionen
vorgesehen. Das imperialistische System sollte auch hier getroffen
werden, aber als Unterstützung für die Befreiungsbewegungen.
Diese Politik ist kläglich gescheitert. Der
sozialistische Osten ist an seinen inneren Klassenwidersprüchen
zerbrochen, die wenigen noch existierenden kommunistischen
Staaten haben mit Auflösungsproblemen zu kämpfen. Die
an die Macht gekommenen Befreiungsbewegungen haben die Ausbeutung
"ihres" Volkes zum Teil verschärft fortgesetzt
wie in Mosambik, zum Teil zerreiben sie sich untereinander
wie in Äthiopien, die Sandinisten wurden gar abgewählt.
... Die Zahl der Befreiungsbewegungen hat sich extrem reduziert.
Die "freie Marktwirtschaft" hat sich weltweit durchgesetzt.
Heute drängt sich wieder die Grundfrage aller revolutionären
Bewegungen auf: die nach der "Revolution im Westen", der
Revolution im Innern der kapitalistischen Metropolen.
Daß so viele Menschen aus der ehemaligen Zweiten und der
ehemaligen Dritten Welt hier herzukommen versuchen, unterstreicht
gerade noch mal die Zentralität der Frage nach der Revolution
hier!
Diese Frage ist aber ganz banal eine Frage nach Mehrheiten:
wir können uns eine Revolution im emanzipatorischen
Sinn nicht als Sache von Minderheiten vorstellen. Und das heißt
wiederum die Frage nach dem (möglichen) Subjektsein der Menschen
hier. Im Auflösungspapier der RZ steht: Die Kämpfe
und Aneignungsformen im proletarischen Spektrum, in Subschichten
der jugendlichen Immigrantlnnen, der sozial entrechteten Frauen,
der Opfer der Deregulation im Osten erscheinen uns bisher
undurchschaubar, weil wir mit Bildern konfrontiert werden, in denen
wir das Wesen der Emanzipation der Klasse nicht erkennen, und weil
unser analytisches Instrumentarium nicht ausreicht, um hinter den
Erscheinungsformen die Bedeutung der Kämpfe zu entziffern.
Es bleibt also nichts anderes übrig, als sich dem historischen
Prozeß zu stellen, ohne auf die hierarchisch- patriarchalischen,
anti- kommunistischen Politikmuster und Organisationsmodelle zurückzugreifen
und ohne vorschnell neue Ideologien zu produzieren, die der völlig
offenen Situation schon wieder ein Korsett anpassen und vorhandene
Widersprüche zugunsten einer monokausalen Weltsicht glätten
würden." Ironischerweise tun sie genau das: die Menschen
im Osten erscheinen ihnen nur als "Opfer"! Und in der
Aufzählung kommt es auch auf die Auswahl an: die vielen Kämpfe
von Lohnabhängigen kommen nicht vor! Sie zeigen also ganz richtig
das Unverständnis der Linken gegenüber den aktuellen Umwälzungen
auf - tun das aber in Begriffen, wo die Menschen als Subjekte nicht
vorkommen.
Aber die Frage danach, wo sie sind und wie sie es werden können,
ist die zentrale Frage auf dem Weg zur Revolution.
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