NRW 99
3.4.3 Revolutionäre Zellen (RZ)/ Rote Zora
Festnahme von Tatverdächtigen und Durchsuchungen
Am 19. Mai 1999 wurde ein mutmaßlicher ehemaliger Angehöriger
der terroristischen Vereinigung "Revolutionäre Zellen"
(RZ)/ "Rote Zora" aufgrund eines Ermittlungsverfahrens
des Generalbundesanwaltes in Berlin vorläufig festgenommen.
Der bestehende Haftbefehl wurde am 7.Juli 1999 gegen Auflagen außer
Vollzug gesetzt. Die Ermittlungen dauern an.
Dem Verdächtigen wird u.a. vorgeworfen, 1995 für die RZ/ Rote
Zora Sprengstoff aufbewahrt zu haben, welcher 1987 in einer
größeren Menge aus einem Steinbruch gestohlen wurde.
Den aus diesem Diebstahl stammenden Sprengstoff verwendeten die RZ/ Rote
Zora bei folgenden Anschlagsversuchen bzw. folgendem Anschlag:
- in der Zeit zwischen dem 29. Februar und 2. März 1988,
versuchter Sprengstoffanschlag auf das Botanische Zentrum der TU
Braunschweig
- versuchter Sprengstoffanschlag auf die Staatskanzlei und das
Ministerium für Arbeit, Soziales und Gesundheit NRW in
Düsseldorf am 6. Januar 1991
- Sprengstoffanschlag auf die Siegessäule in Berlin am 15. Januar
1991.
Im November 1999 wurde der Verdächtige erneut in Haft genommen
wegen des Verdachts der Rädelsführerschaft in einer
terroristischen Vereinigung.
Am 19. Dezember 1999 wurden drei weitere Personen (eine Frau in
Frankfurt/Main und zwei Männer in Berlin) wegen des Verdachts der
Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung "Revolutionäre
Zellen/ Rote Zora" festgenommen. Sie sollen 1987 in Berlin beteiligt
gewesen sein an den Schusswaffenanschlägen auf einen Vorsitzenden
Richter am Bundesverwaltungsgericht und den Leiter der
Ausländerbehörde sowie an einem Sprengstoffanschlag auf die
Zentrale Sozialhilfestelle für Asylbewerber. Gleichzeitig wurde in
Berlin ein linksalternatives Kulturzentrum durchsucht, der sog. Mehringhof.
In diesem Zentrum hatte einer der Festgenommenen seine Schulungsräume
und es bestand der Verdacht, dass in dem durchsuchten Gebäude
Sprengstoff und/ oder Waffen gelagert worden waren.
Reaktionen der Szene
Die linksextremistische Szene reagierte auf die Verhaftungen mit
Presseerklärungen und Demonstrationen bis hin zu Anschlägen. So
kam es bereits während der laufenden Durchsuchung des Mehringhofs zu
einer ersten Demonstration. Am Tag der Durchsuchung und am Folgetag
(20. Dezember 1999) gab der Mehringhof jeweils eine
Presseerklärung zu den Durchsuchungen und den Verhaftungen ab. In den
Presseerklärungen wird behauptet, die Verhaftungen seien der Versuch,
die Betroffenen als "angebliche Mitglieder der RZ zu
beschuldigen" und es wird die Freilassung der Verhafteten gefordert.
In einer Erklärung der "Forschungsstelle Flucht und Migration
(FFM)/Berlin" vom 21. Dezember 1999, deren Mitarbeiter einer der
Verhafteten war, werden die Sprengstoff- und Brandanschläge sowie die
Schusswaffenattentate der Revolutionären Zellen verharmlosend als
"Aktionen ... gegen die staatliche rassistische
Flüchtlingspolitik" bezeichnet. Von dem Verhafteten wird gesagt,
dass er "Mitbegründer der FFM ist und in den fünf Jahren
der Existenz der FFM entscheidenden Anteil an dem Aufbau, der Recherche und
Öffentlichkeitsarbeit der FFM" hatte. Berichtet wurde über
die Durchsuchungen und Verhaftungen auch in anderen linksextremistischen
Publikationen mit der gleichen Zielrichtung. Zwischenzeitlich wurde auch
ein Solidaritätskomitee eingerichtet, welches die Festgenommenen
materiell und ideell unterstützen will.
Eine ideelle Unterstützung fand zum Beispiel statt in Form von
Demonstrationen am 15. Januar 2000 in Düsseldorf und Wuppertal (in den
Haftanstalten dieser Orte sitzt jeweils einer der Festgenommenen ein). An
den Demonstrationen nahmen jeweils ca. 150 Personen der
linksextremistischen Szene teil.
Anmerkung
Demgegenüber fielen die "regelmäßigen
Knastkundgebungen" zu Sylvester in Köln-Ossendorf und Neuss aus,
da sich zu diesen Demonstrationen zu wenig Teilnehmer gemeldet hatten.
In der linksextremistischen Berliner "Interim" (Nr. 492) mit
dem Titelbild "Jedes Herz ist eine revolutionäre Zelle"
wird detailliert und mit einer positiven Bewertung die Entwicklung und die
Aktionen der Revolutionären Zellen dargestellt. Außerdem wird in
diesem Heft eine Tatbekennung zu einem Brandanschlag auf "eine
BGS-Struktur" in Berlin-Grunewald abgedruckt. Der Anschlag erfolgte
am 17. Januar 2000 auf Heizcontainer und Hochspannungsschaltposten der
Deutschen Bahn AG. Die Tatbekennung nimmt ausdrücklich Bezug auf die
Durchsuchungen und Festnahmen vom 19. Dezember 1999 und endet mit den
Forderungen: "Freiheit für Axel, Harald und Sabine! Gegen
rassistische Selektions-, Abschottungs- und Abschiebepraxis! Die 6
Gefangenen der RAF müssen raus - bedingungslos! Für freies
Fluten!" Bei dem Begriff "Für freies Fluten" oder
auch "3F" handelt es sich um eine Formulierung, die auch von
den Revolutionären Zellen während der Anschläge in der
zweiten Hälfte der 80er Jahre verwandt wurde.
Weitere Festnahmen
Am 20. Mai 1999 wurde das mutmaßliche Mitglied der
"Revolutionären Zellen" (RZ) Hans Joachim Klein von
Frankreich an die Bundesrepublik Deutschland ausgeliefert. Gegen Klein
besteht ein Haftbefehl der Staatsanwaltschaft Frankfurt/M. vom Juli 1995
wegen Verdachts des Mordes und anderer Straftaten i.Z.m. dem Überfall
auf die OPEC-Konferenz in Wien am 21. Dezember 1975, bei dem drei Personen
getötet und 70 Geiseln genommen worden waren. Am 21. Mai 1999 wurde
Klein dem Haftrichter in Frankfurt/M. vorgeführt. Gegen ihn wurde
Untersuchungshaft angeordnet. Er wurde in die JVA Weiterstadt/HE
eingeliefert.
Im Oktober 1999 leitete die Staatsanwaltschaft beim Landgericht
Frankfurt/M. gegen eine weitere männliche Person aus Frankfurt/M. ein
Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Beihilfe zum Mord ein. Der
Betreffende steht im Verdacht an der Vorbereitung des v.g.
OPEC-Überfalls am 21. Dezember 1975 in Wien beteiligt gewesen zu sein.
Aufgrund eines vom Amtsgericht Frankfurt/M. ausgestellten Haftbefehls vom
8. Oktober 1999 wurde er festgenommen und dem zuständigen
Ermittlungsrichter vorgeführt. Der Haftbefehl wurde verkündet.
Derzeit befindet er sich in Untersuchungshaft in der JVA Weiterstadt.
Daneben leitete die v.g. Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren
gegen eine deutsche Frau unbekannten Aufenthalts ein wegen Mordverdachts.
Diese Frau steht im Verdacht, für den o.g. OPEC-Überfall am 12.
Dezember 1975 Waffen aus dem Bestand der RZ nach Wien verbracht zu haben.
Sie wurde am 16. Januar 2000 mit ihrem ebenfalls international gesuchten
Lebensgefährten in Paris festgenommen. Beide führten Schweizer
Ausweispapiere mit falschem Namen bei sich.
Beide stehen im Verdacht, spätestens seit Anfang 1976 Mitglieder
der terroristischen Vereinigung "RZ" gewesen zu sein und eine
führende Rolle innerhalb dieser Vereinigung innegehabt zu haben. Ihnen
wird u. a. die Beteiligung an Brand- und Sprengstoffanschlägen der
70er Jahre vorgeworfen. Sie waren im August 1978 vor einer drohenden
Verhaftung untergetaucht und lebten seither in der Illegalität.
Anmerkung
Die eingeleiteten o.a. Ermittlungsverfahren bestätigen die
Richtigkeit der bisherigen Zuordnung der genannten Personen zum
Verdachtsbereich RZ/ Rote Zora durch die Sicherheitsbehörden.
Ob aus den Ergebnissen dieser Verfahren Ansätze zur Aufklärung
anderer RZ-Anschläge gewonnen werden können, bleibt abzuwarten.
Zumindest im Zusammenhang mit Erkenntnissen aus anderen Verfahren
könnte eine neue Zuordnung der Taterklärungen dieses Bereichs
denkbar sein.
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