NRW 2000 (Zwischenbericht)
3.4.3 Revolutionäre Zellen (RZ)/ Rote Zora
Ende 1999 und Anfang 2000 wurden mehrere Personen in Frankfurt/Main und
Berlin wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in der terroristischen
Vereinigung "Revolutionäre Zellen/ Rote Zora" festgenommen.
Sie befinden sich weiterhin in Haft. Eine dieser Personen ist derzeit in
der JVA Wuppertal inhaftiert.
Am 18. Mai 2000 wurde in Kanada eine weitere männliche Person in
Auslieferungshaft genommen. Sie steht ebenfalls in Verdacht der
Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung "Revolutionäre
Zellen/ Rote Zora". Der Auslieferungshaftbefehl in Kanada wurde am 18.
Mai 2000 außer Vollzug gesetzt; das Auslieferungsverfahren dauert
an.
Zwei weitere mutmaßliche Mitglieder der "Revolutionären
Zellen/ Rote Zora" wurden am 16. Januar 2000 in Paris
vorübergehend festgenommen.
Reaktionen der linksextremistischen Szene
Die o.a. exekutiven Maßnahmen führten zu erheblichen
Aktivitäten sowohl im Umfeld der Festgenommenen als auch in der
linksextremistischen/-autonomen Szene.
Antifaschistische, antirassistische und Antirepressionsgruppen riefen im
Internet, mit Flugblättern, Plakaten und in linksextremistischen
Schriften zur Teilnahme an Solidaritätsveranstaltungen und
insbesondere Demonstrationen vor den Justizvollzugsanstalten in
Düsseldorf und Wuppertal auf.
So fanden am 15. Januar 2000 in Düsseldorf und Wuppertal
Demonstrationen unter dem Motto statt:
- Keine Kriminalisierung des antirassistischen Widerstandes
"Axel, Harald und Sabine müssen raus"
- gemeint sind wir alle!
- Power durch die Mauer ... bis sie bricht!
In den gehaltenen Reden wurden unter anderem Bundesgrenzschutz und
Bundesanwaltschaft kritisiert sowie die Freilassung der Inhaftierten und
die Weiterführung der Diskussion über die
"Revolutionären Zellen" und "Rote Zora"
gefordert.
Auch in den Szeneobjekten "Druckluft" in Oberhausen (6. Juni
2000), "Alte Feuerwache" in Köln (8. Juni 2000) und
"Internationales Begegnungszentrum Friedenshaus e.V." (IBZ) in
Bielefeld (26. Mai 2000) wurden Solidaritätsveranstaltungen
durchgeführt.
Solidaritätsbekundungen
Zwischen dem 29. Januar und 30. Januar 2000 legten unbekannte Täter
an der Kellertür des Verwaltungs- und Verfassungsgerichts des Landes
Brandenburg einen Brand, durch den geringer Sachschaden entstand. Anfang
Februar erhielten die "Märkische Allgemeine Zeitung" und
Anfang März die dpa in Potsdam textidentische
Selbstbezichtigungsschreiben, in denen sich eine "militante autonome
Gruppe" zur Tat bekennt. Die Verfasser wenden sich gegen die
"staatliche Repression gegen linke und linksradikale Strukturen in der
BRD" und führen beispielhaft die Strafverfolgungsmaßnahmen
gegen Angehörige unter anderem der "Revolutionären
Zellen" bzw. der "Roten Zora" auf.
Am 11. März 2000 ging beim Axel Springer Verlag in Hamburg ein
nicht unterzeichnetes Selbstbezichtigungsschreiben mit der
Überschrift: "Stop Deportation, Free all Prisoners" ein.
Hierin wird ein Brandanschlag am 10. März 2000 auf das Fahrzeug einer
Hamburger Amtsärztin und eine Sachbeschädigung an ihrem Wohnhaus
mit ihrer Funktion als "Erfüllungsgehilfin der
Ausländerbehörde" begründet. Die Verfasser
resümieren am Schluss, dass "militante bzw. bewaffnete Politik
auch in diesen bewegungsarmen Zeiten unverzichtbar ist" und die
Fortführung militanter Angriffe gegen die deutsche
Flüchtlingspolitik auch eine Antwort auf das "RZ/ Rote Zora"
- Verfahren ist. Es endet mit den Forderungen nach "Bleiberecht
für alle" und Freiheit für die mit Vornamen erwähnten
"Inhaftierten der RZ und Roten Zora".
Textidentische Schreiben gingen auch zum Anschlag auf das Wohnhaus des
Vorsitzenden der "Lufthansa AG Hamburg" am 13. März 2000 und
am 8. März 2000 zum Brandanschlag auf einen VW-Bus mit
Lufthansa-Aufschrift ein.
Der Täterkreis ist in allen Fällen vermutlich dem Hamburger
antifaschistischen/antirassistischen autonomen Spektrum zuzuordnen; ein
Zusammenhang mit der Kampagne "Kein Mensch ist illegal" ist nicht
auszuschließen.
Auch in folgenden überwiegend linksextremistischen Schriften wird
Solidarität mit den RZ-Inhaftierten bekundet:
Interim, ZECK (Info aus der Roten Flora, Hamburg), Angehörigen
Info, Arranca, Die Rote Hilfe, Jungle World, Apoplex (Münster),
Düsseldorfer Stattzeitung für Politik und Kultur (Herausgeber FGK
e.V.; mitwirkend im Koordinierungskreis antifaschistischer Gruppen in
Düsseldorf und Umland, Antifa KOK), LOTTA (antifaschistische Zeitung
aus NRW), So oder So (Zeitung der Kampagne Libertad), Graswurzelrevolution,
Zitronenfalter und Antifaschistisches
Infoblatt.
In diesen Publikationen sind regelmäßig positive
Äußerungen zu den Aktionen der RZ/ Roten Zora enthalten; unter
anderem wird die Freilassung der Inhaftierten gefordert. Teilweise befassen
sich Ausgaben dieser Schriften sogar schwerpunktmäßig mit den
Revolutionären Zellen.
Bewertung
Die Verhaftungen haben für erhebliche Unruhe in der
linksextremistischen Szene gesorgt. Immer wiederkehrende Aufforderungen
sind u.a.: "Keine Aussagen ... Haltet´s Maul...!". Deutlich
zu erkennen ist auch, dass die Revolutionären Zellen/ Rote Zora
Rückhalt bei den Autonomen genießen und die Autonomen die
Aktionen der Revolutionären Zellen/ Roten Zora rechtfertigen - auch mit
Gewaltanwendung - sowie Aktionsmuster übernehmen.
Mit weiteren Anschlägen des militanten, linksextremistischen
autonomen Spektrums gegen Einrichtungen, Objekte, Institutionen
wie BGS, Lufthansa, Ausländerbehörden muss daher gerechnet
werden.
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