Hamburg 2000
Nach Auflösung der "Rote Armee Fraktion"
(RAF) 1998 und der Verurteilung der Mitglieder der "Antiimperialistischen
Zelle" AIZ) im September 1999 hat es den Anschein, als könnte
- ausgelöst durch die Festnahme des Ex-Terroristen Hans-Joachim
KLEIN 1998 in Frankreich - ein weiteres Kapitel bundesdeutscher
Terrorismusgeschichte, das der "Revolutionären Zellen"
(RZ), ein Ende finden.
Neben
der RAF stellten die RZ die zweite Ausprägung linksextremistischen
Terrorismus in der Bundesrepublik dar. Sie unterschieden sich von
der RAF sowohl in ihrer Organisationsform als auch in ihrem politischen
und taktischen Konzept. Die RZ hatten kein "legales" Unterstützerpotential,
sondern arbeiteten in konsequent voneinander abgeschotteten Kleingruppen,
die aus der Legalität heraus operierten. Ihre Einbindung in
politische Basiszusammenhänge - Mitarbeit in autonomen/anarchistischen
Initiativen oder Stadtteilgruppen - war Grundlage für ihr taktisches
Konzept, mit ihrem bewaffneten Kampf an gesellschaftlichen Brennpunkten
anzuknüpfen.
Soziale Konfliktfelder mit Anschlägen
aufzugreifen sollte eine abgestufte Massenmilitanz bewirken. Sie
sollte potentiellen Anhängern ermöglichen, den Kampf gegen
die das Gesellschaftssystem symbolisierenden Institutionen in abgestufter
Gewalt aufzunehmen. Dies fand seinen Ausdruck in dem in fast allen
Bekennungen enthaltenen Schlussaufruf "Schafft viele RZ".
Seit Anfang 1986 stand das Asylrecht im Mittelpunkt der RZ-Aktionen.
Hieran anknüpfend verübten die RZ eine Reihe von Anschlägen
gegen Institutionen und Behörden, die mit der Ausländerpolitik
befasst waren. Innerhalb der RZ existierte eine autonome Frauengruppe,
die sich "Rote Zora"
nannte. Ihre Mitglieder gingen bei Anschlägen und Erklärungen
auf die Gentechnologie im Zusammenhang mit der Bevölkerungspolitik
und auf frauenspezifische Themen ein. Die "Rote Zora"
hat - anders als einige RZ - nie ihre Auflösung erklärt.
Nach Hans-Joachim KLEIN hatte mit dem legendären internationalen
Terroristen Illich RAMIREZ-SANCHEZ ("Carlos") und drei
weiteren Tätern im Dezember 1975 die Konferenz der OPEC-Minister
in Wien überfallen.
Drei Menschen starben, und elf Erdölminister wurden nach Algerien
entführt. Waffen und Sprengstoff für diesen Anschlag sollen
der libysche Geheimdienst und "Revolutionäre Zellen"
geliefert haben. KLEIN setzte sich später nach Frankreich ab
und wurde nach 24-jährigem Versteck 1998 an Deutschland ausgeliefert.
Am 15.02.2001 wurde er vom Frankfurter Landgericht wegen dreifachen
vollendeten Mordes, Mordversuchs und Geiselnahme zu neun Jahren
Gefängnis verurteilt. Seine umfassenden Aussagen führten
im Oktober 1999 zunächst zur Festnahme des 57jährigen
ehemaligen mutmaßlichen RZ-Mitgliedes Rudolf SCHINDLER. Im
November 1999 folgte die Festnahme eines weiteren mutmaßlichen
RZ-Mitgliedes in Berlin, des 40-jährigen "Sprengstoffspezialisten"
Tarek MOUSLI.
Nach seiner Festnahme zeigte sich MOUSLI gegenüber der Bundesanwaltschaft
in hohem Maße aussagebereit. Er bezichtigte SCHINDLER und
weitere Personen ebenfalls der RZ-Zugehörigkeit. Der Hinweis,
eine dieser Personen hätte im Berliner Mehringhof Sprengstoff
versteckt, führte zu einer groß angelegten - ergebnislosen
- Durchsuchungsaktion. MOUSLI wurde im Dezember 2000 u.a. wegen
Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu zwei Jahren
Freiheitsstrafe verurteilt; sie wurde für die Dauer von drei
Jahren zur Bewährung ausgesetzt.
Am 17.01.2000 verurteilte das LG Berlin Johannes WEINRICH wegen
Mordes in einem Fall und versuchten Mordes in fünf Fällen
zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Das Gericht sah es als erwiesen
an, dass WEINRICH für den am 25.08.1983 verübten Sprengstoffanschlag
auf das französische Kulturinstitut MAISON DE FRANCE in Berlin
verantwortlich gewesen ist. Dabei kam eine Person ums Leben, und
23 Personen waren zum Teil schwer verletzt worden.
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