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RZ / Rote Zora

Anmerkungen zum RZ- Papier "Gerd Albartus ist tot"

1.

Das Papier provoziert viele Gedanken. und ich möchte mich schon von Vornherein dafür entschuldigen. daß ich mir nicht die angemessene Zeit nehmen kann. Um vollständig darauf zu antworten. Ich beziehe mich auf eine englische Übersetzung des Papiers.

2.

Das Papier versucht sich mit vielen - zu vielen - politischen Fragestellungen und Themen auf unterschiedlichen Abstraktionsebenen auseinanderzusetzen dem Tod von Gerd Albartus, der Selbstkritik zu Entebbe, der (ideologischen und strategischen) Beschaffenheit von internationaler Solidarität in den Metropolen. das Verhältnis der deutschen Linken zu Antisemitismus und zu Israel. Diese im wahrsten Sinne des Wortes Fragen auf Leben und Tod können nicht auf diese Art abgehandelt werden. Es geht nicht nur darum. daß das Papier vieIe Fragen unbeantwortet läßt: die Art und Weise, wie Fragestellungen und Themen - wenn auch unbeabsichtigt - miteinander verbunden werden. grenzt an Prinzipienlosigkeit. Um spezifisch zu sein. der rein sachliche Satz "Gerd Albartus ist tot" ist offensichtlich geschrieben worden. um eine tiefe emotionale Reaktion hervorzurufen: eine Reaktion, die die/der LeserIn (zumindest dieser Leser) überwinden muß. um sich objektiver und politisch mit dem, was folgt. auseinanderzusetzen. Das ist nicht fair.

3.

Ich stimme mit der RZ überein, daß der momentane Triumphalismus der kapitalistischen Länder keine Entschuldigung dafür sein kann. Kritik und Selbstkritik abzublocken. Es ist wichtiger, daß wir uns in dieser Zeit stärken, als daß wir uns darüber Sorgen machen. daß wir angesichts der Gegner geschwächt werden. Ich glaube, daß alle Bewegungen, einschließlich der palästinensischen Bewegung, wenn nötig in einer konstruktiven Weise kritisiert werde können und müssen. Ich habe selbst einen Artikel in einer linken US-Zeitschrift veröffentlicht. in dem ich diejenigen. die für den Angriff auf die Achille Lauro und die Ermordung von Klinghoffer verantwortlich waren. Wegen Antisemitismus kritisiert habe und bestimmte Angriffe auf Fluggesellschaften und Flughäfen als terroristisch in ihrer Gleichgültigkeit. gegenüber dem Leben von ZivilistInnen kritisiert habe.

4.

Ich habe eine Kritik an der RZ für die Art und Weise, wie sie die Ermordung von Gerd Albartus diskutieren. Er scheint ein wundervoller Genosse gewesen zu sein, und ich trauere um seinen Tod. Aber ich weiß immer noch nicht, wer ihn hingerichtet hat. Die RZ sagen, daß sie keine konkreten Zusammenhänge diskutieren können. Ich finde das sehr problematisch. Wessen Sicherheit schützen sie, indem sie sich weigern, einfach die Gruppe zu spezifizieren? Angesichts der Abwesenheit dieser einen konkreten Information ( keine andere detaillierte Information wäre notwendig), stimme ich der Kritik zu, daß dieses emotional beladene öffentliche Papier ein schlechtes Licht auf den gesamten palästinensischen Widerstand wirft. Ich stimme mit dem Statement der RZ "...weil fast niemand im Stande ist, das Geflecht der palästinensischen Organisationen und Fraktionen zu durchschauen..." nicht überein und bin darüber eigentlich verärgert. Ich hatte auch den Eindruck, daß es in dem Papier eine Andeutung gab, daß Gerd getötet wurde, weil er schwul wal. Andererseits gibt es seitens der RZ in dem Papier eine nominelle Weigerung, über Motive zu spekulieren, die dann von Spekulation gefolgt wird."...dort stoßen Ansichten und Verhaltensweisen, die nicht mit den gewohnten Mustern übereinstimmen, auf Mißtrauen und Ablehnung" und "... und daß in einer solchen Welt eine schwule Identität per se auf Argwohn stößt.. .". Wenn die RZ glauben, daß Gerd getötet wurde, weil er schwul war. dann sollten sie das sagen und klar machen. daß sie sich nicht sicher sind. Wenn Homophobie in dieser Gruppe (des palästinensischen Widerstands) so extrem ist. dann müssen wir das wissen. Andeutungen jedoch führen zu Mißtrauen, aber geben uns keine Informationen oder Möglichkeiten zur Auseinandersetzung. Das schwächt politisch und persönlich.

5.

Den Statements, daß es oberflächlich und kurzsichtig wäre, bewußte Entscheidungen mit dem Zwang der Situation, in denen sie getroffen wurden, zu entschuldigen, stimme ich zu. Wir müssen diese Zwänge verstehen, um zu verstehen, warum ein schreckliches Unrecht verübt wurde, aber wir werden unsere Fehler niemals dadurch korrigieren, wenn wir uns nur an den Bedingungen orientieren. Es stimmt auch, daß es viele Organisationen gibt, die unter brutalen Bedingungen gekämpft haben und trotzdem der Brutalität nicht erlegen sind.

Aber ich denke, daß die RZ die Unterscheidung zwischen den zwei Arten von Organisationen zu rigide trifft, wenn sie z.B. die Schuld der Männerherrschaft oder dem leninistischen Organisierungsmodell zuschreibt. Organisationen, wie auch Individuen, haben die Fähigkeit sowohl große Fehler zu begehen als auch, sie zu berichtigen. Um einen großen deutschen Denker zu zitieren (Goethe): "Ich habe niemals von einem Verbrechen gehört, von dem ich mir nicht vorstellen könnte, es selbst zu begehen."

Es dient der breiteren politischen Argumentation der RZ, diese rigiden Unterscheidungen zu treffen, aber ich bin nicht sicher, ob das mit den Lehren aus der jüngsten Geschichte übereinstimmt. Es war sicherlich kein Zufall, daß die RZ ein Zitat von einem revolutionären Dichter, der von seiner eigenen Organisation getötet wurde, benutzt hat. Ist die ERP dazu verdammt " die Sprache der zukünftigen Diktatoren zu sprechen" ? Sollten wir nicht der Tatsache Beachtung schenken, daß Commandante Villalobos die Gelegenheit seiner ersten öffentlichen Rede an das Volk von EI Salvador dazu nutzte, um eine Selbstkritik seiner Organisation für die Ermordung von Roque Dalton abzugeben? Sicherlich wurde die FLP in EI Salvador durch die internen Morde ziemlich zerrüttet, und trotzdem scheinen sie in der Lage gewesenen zu sein, sich zu verändern lind eine positive Rolle im Kampf der Menschen zu haben. Ich kann die Zukunft in EI Salvador nicht vorhersehen, aber ich bin zuversichtlich, daß die ERP und FLP weder die Revolution verraten werden noch romantische Verlierer sein werden.

Mein Punkt ist einfach Organisationen und Bewegungen sind komplex. und ihre Aktionen und ihre Politik können sich mit der Zeit und als Ergebnis sowohl von internen Auseinandersetzungen als auch durch Auseinandersetzungen mit Anderen verändern. Die RZ vermittelt wenig von der Art und Weise der Auseinandersetzung zwischen den Organisationen, die stattgefunden hat.

6.

Ich habe einige Erfahrungen im Aufbau von Beziehungen zwischen antiimperialistischen Gruppen und Organisationen aus nationalen Befreiungsbewegungen gemacht, obwohl meine Erfahrung wahrscheinlich sehr begrenzt ist im Vergleich zu denen der RZ.

Ich fand diese Erfahrungen wichtig, politisch und persönlich bereichernd, manchmal frustrierend und fast immer schwierig.

Als RevolutionärInnen aus den Metropolen vertreten wir weder viel von einer sozialen Bewegung, noch haben wir ausgedehnte Erfahrungen in vielen Bereichen des Kampfes. Es gibt sowohl auf einer strategischen als auch auf einer taktischen Ebene oft eine große Diskrepanz zwischen unseren Organisationen und denen unserer GenossInnen aus den nationalen Befreiungsbewegungen. Wir können leicht dazu kommen, daß wir das Gefühl haben, daß wir wenig anzubieten haben. außer bestimmten Arten von materieller Unterstützung. Im Bewußtsein unserer eigenen Unerfahrenheit und vielleicht unseres eigenen Rassismus oder nationalem Chauvinismus neigen wir dazu, Vorschlägen. die gemacht werden, unkritisch zuzustimmen.

In meiner Erfahrung gibt es mindestens zwei Hauptfehler in dieser Art von Verhältnis. Der erste ist, daß wir und die GenossInnen aus den nationalen Befreiungsgruppen auf einer politischen Ebene alle als RevolutionärInnen in unseren jeweiligen Ländern handeln. Das macht unsere Kämpfe nicht gleich. aber es macht *uns zu GenossInnen und schafft eine Basis für Beziehungen mit hohen Prinzipien, die auf gegenseitigem Respekt und Kritik/Selbstkritik basieren. Der zweite Fehler ist, daß wir selten "unkritisch" sind; vielmehr halten wir unsere Kritik zurück und führen keine offene Auseinandersetzung mit der anderen Organisation. Stattdessen wächst die Ablehnung und bricht oft an einem kritischen Punkt abrupt und übertrieben heraus. Anstatt daß wir unkritisch waren, waren wir tatsächlich ohne Prinzipien, indem wir die Auseinandersetzung um die Fragen nicht geführt haben. Organisationen in den Metropolen müssen für unsere Politik und unsere eigene Sicherheit verantwortlich sein. Es kann gut sein, daß in Beziehungen zwischen Organisationen Unterschiede und Differenzen aufkommen, .und sie können entweder an einem bestimmten Punkt in der Geschichte gelöst werden oder eben nicht. Wenn nötig, können Beziehungen auf einer organisatorischen Ebene beendet werden, aber ich würde das nicht als ein Ende unserer antiimperialistischen Verantwortlichkeiten oder als Unfähigkeit zu Veränderungen über eine längere Zeit ansehen. Unsere und ihre Organisationen können sich verändern. In meiner eigenen Erfahrung habe ich gesehen, daß Gruppen in Bezug auf gesellschaftliche Fragen wie Frauenbefreiung und Rechte von Schwulen und Lesben ihre eigenen tief verwurzelten Positionen kritisiert und in der Praxis verändert haben.

Es ist oft sehr schwierig, gemeinsame Projekte durchzuführen, oder Kader aus einer Gruppe direkt unter die Führung einer anderen Gruppe zu stellen. Dafür müssen Richtlinien aufgestellt werden, die so detailliert wie möglich sein sollten. Es ist jedoch meine Feststellung, daß oft die Handvoll Kader, die an einem solchen Unternehmen beteiligt sind, qualitativ mehr zu internationaler Solidarität beitragen könnten, indem sie in den Metropolen bleiben und dort kämpfen. Das muß nicht auf gelegentliche Einzelpersonen mit besonderen Fähigkeiten zutreffen, und das sind die Fälle, wo klare Obereinkünfte notwendig sind.

7.

Ich habe gehört, daß einige Leute die Fakten, wie sie von der RZ zu Entebbe dargestellt werden, in Frage stellen. Ich weiß nicht, was ich von der Selbstkritik halten soll, wenn die Tatsachen falsch sind, so daß ich für mein Anliegen, sie so akzeptieren werde, wie sie ( in dem Papier) dargestellt werden.

Zuerst, Entebbe:

Wenn es eine "Selektion" von jüdischen Passagieren gab, war sie antisemitisch und muß von Menschen mit Prinzipien abgelehnt werden. Aber ich habe Schwierigkeiten mit der Selbstkritik der RZ in Bezug auf Antisemitismus. Irgendwie wird die "Besonderheit" der Beziehung der Deutschen zu den Juden und zum Holocaust zu der moralischen Grundlage für die politische Unterstützung des theokratischen ( auf Religion basierend, Anm. d. Ü.) Staats Israel. Dieses "besondere Verhältnis" ist vom deutschen Staat für seine massive Unterstützung für Israel benutzt worden; jetzt benutzt eine revolutionäre Gruppe die gleiche Begründung, um zu fast (nicht völlig) der gleichen Schlußfolgerung zu kommen. Das scheint nicht richtig zu sein.

Meiner Ansicht nach müssen progressive Menschen aller Nationalitäten Antisemitismus ablehnen, weil Antisemitismus eine Philosophie und Praxis ist, die Haß gegen eine bestimmte religiöse Gruppe fördert, der alleine auf Religionszugehörigkeit und zu einem gewissen Ausmaß auf genetischer Abstammung basiert. Wir kämpfen für Gleichberechtigung und ein Ende von allen Formen von Diskriminierung und Unterdrückung; wir glauben. daß Individuen aufgrund ihrer Handlungen und nicht ihrer Rasse, ihres Geschlechts. ihrer Religion, und ihrer sexuellen Zuordnung beurteilt werden sollen. D.h.. wenn Antisemitismus von Deutschen abgelehnt werden muß, dann muß er genauso von AmerikanerInnen, von PolInnen. von PalästinenserInnen etc. abgelehnt werden. Weil Antisemitismus moralisch falsch und verabscheuungswürdig ist. und nicht wegen des Holocaust. Gleichzeitig kann ich verstehen, daß Antisemitismus ein akuteres Problem in Deutschland sein mag. während Rassismus gegen Schwarze Menschen ein akuteres Problem in den USA sein mag. Es gibt jedoch bestimmte politische und kulturelle Grundsätze, die sowohl Rassismus als auch Antisemitismus zugrunde liegen, und es überrascht mich nicht, die wachsende rassistische Gewalt in Europa und das Wiedererstarken von Antisemitismus in den USA zu sehen.

Das Papier der RZ führt diesen Grundsätze einen Schritt weiter, um politische Unterstützung für den momentan bestehenden Staat Israel zu rechtfertigen. Wieder denke ich, daß die "Besonderheit" irreführend ist. Wenn es stimmen würde, daß es richtig ist, daß es einen theokratischen jüdischen Staat gibt, dann ist genauso richtig für mich in den USA wie für die RZ in der BRD, diesen Staat zu unterstützen.

Viele Jahre lang hatte ich den Eindruck, daß die israelischen Aktionen - Aktionen eines aggressiven und unterdrückerischem Staats - aus der Tatsache stammen, daß Israel eine Siedlerkolonie ist. Daher war die palästinensische Forderung nach einem säkularem, demokratischen Staat qanz klar die korrekte und progressive Lösung für das Problem. Wenn das für mich jedoch die korrekte Lösung war, dann war sie auch für die RZ korrekt. Und wenn der PNC (Palästinensische Nationalkongreß) eine Zweistaaten- Lösung verlangt, würde ich sagen, daß es für uns alle richtig ist, dies zu unterstützen und die Realität zu erkennen, daß der israelische Staat real physisch existiert und der palästinensische Staat nicht. Wenn die RZ nicht die Israelis gegenüber den PalästinenserInnen privilegieren wollen, dann sollten sie erkennen. daß das Thema immer noch Unterstützung für die PalästinenserInnen ist. Genauso wie sie erkennen konnten. daß wir auf der Linken nicht zu sehr darüber besorgt sein sollten. denjenigen "Munition zu liefern", die ohnehin nicht schlecht bewaffnet sind, so sollten sie auch erkennen können. daß die Israelis dieser Tage ziemlich gut bewaffnet sind und die Unterstützung der RZ wirklich nicht benötigen.

Ich verstehe die Begründung der RZ nicht; so lange wie Euro- AmerikanerInnen Antisemitismus nicht "ausrotten" können, hat Israel als ein theokratischer Staat das Recht PalästinenserInnen auszuweisen und zu unterdrücken. Ich weiß. daß es das alles sehr einfach macht, aber dies scheint mir ihre dem zugrundeliegende Position zu sein .Selbst wenn ich für einen Moment ihre Maßstäbe akzeptiere, ist es denn wahr. daß Israel als ein theorkratischer und expansionistischer Staat die Fähigkeit der Juden zu überleben gesichert hat? Wenn die BRD und die USA Israel nicht massive militärische und wirtschaftliche Unterstützung geben würden, würde Israel in einer relativ kurzen Zeit zusammenbrechen.

Wie die RZ, bin auch ich von der Stärke des Nationalismus überrascht; die Ereignisse in Mittel- und Ost- Europa sind ,sicherlich auffallend gewesen. Trotzdem kommt es mir so vor, daß die RZ unter dem Deckmantel des "Realismus" einem tiefen Zynismus zum Opfer gefallen sind. Während sie einerseits behaupten. daß sie ihre Kritik nicht auf den gesamten palästinensischen Befreiungskampf verallgemeinern, scheinen sie andererseits ziemlich sicher zu sein, daß die PalästinenserInnen sich in "Monster" verwandeln würden, sobald sie als ein Nationalstaat zusammengeballt wären. Ich nehme dann an, daß die RZ auch nicht den Republikanischen Kampf in Nordirland unterstützen kann, weil siegreiche RepublikanerInnen LoyalistInnen auf die gleiche Art behandeln würden, wie sie selbst behandelt worden sind. Aber ist das wahr? Selbst bei der Durchführung des bewaffneten Kampfes versuchen die RepublikanerInnen ihre Ziele politisch und nicht sektiererisch zu halten. Es sind Fehler gemacht worden, aber sie werden eingestanden und kritisiert. Und umgekehrt tun das die Briten und Loyalisten auch ? Haben die AfrikanerInnen in Zimbabwe. Angola oder Mosambik die EuropäerInnen auf die gleiche Weise behandelt, wie selbst während der Kolonialzeit behandelt wurden?

Ich habe den Eindruck. daß die RZ und ich in einigermaßen unterschiedlichen historischen Zeiten gelebt haben. Ich weiß. daß in kürzlich befreiten Ländern tiefe soziale Probleme weiterhin existieren, aber ist es nicht klar, daß sie niemals gelöst werden können, während die Herrschaft durch andere Staaten weiter existiert? Die RZ hat ein Recht auf ihr eigenes politisches Leben, unabhängig davon wie beschränkt und besonders es in Bezug auf die ."Besonderheit" von Deutschland sein mag, aber es scheint mir, daß sie nahe daran sind, eine gesamte historischen Realität zu negieren.

Ein Letztes Wort zum Thema Antisemtismus: Ich bin mir überhaupt nicht sicher. daß die RZ das inzwischen verstanden hat.

Bei dem Versuch zu erklären, wie ihre Kader jüdische Passagiere "selektieren" konnten. führen sie" historische Amnesie" und moralischen Desintegration an. Das kann sein aber vielleicht war der Grund Antisemitismus, unabhängig davon, wie "antifaschistisch" die GenossInnen waren. Wenn du ihn (Antisemitismus) bekämpfen willst. dann mußt du ihn erkennen und ihn als das benennen, was er ist.

Zweitens, die Entführung von Schleyer:

Die RZ kritisiert die Entführung der Lufthansa Maschine. Ich stimme ihrer Kritik zu. Wie ich schon vorher angeführt habe, habe ich ähnliche Aktionen öffentlich kritisiert. Obwohl die letzendlichen Motivationen und Ziele der Linken humanistisch sind, denke ich, daß etwas Wahres an der Beobachtung ist, daß Gewalt Sensibilitäten abstumpfen kann. Selbstgerechtigkeit, ein Verständnis der schrecklichen Ungerechligkeiten. die vom imperialistischen System verübt werden. und eine tiefe Überzeugung, daß wir für die Zukunft kämpfen! müssen, kann manchmal zu der "das Ergebnis rechtfertigt die Mittel" Philosophie führen, wie sie von der RZ diskutiert wird. Ich bin inzwischen zu der Ansicht gekommen, daß es wahrscheinlicher ist. daß "die Mittel das Ergebnis gestalten werden".

Ich möchte jedoch auch darauf hinweisen, daß mehrere der wichtigsten palästinensischen Organisationen Flugzeugentführunqen als eine Taktik auch abgelehnt haben. Ich denke, daß es wichtig ist, auf diese Tatsache hinzuweisen. Seit einer Anzahl von Jahren ist es die offizielle Politik des Exekutivkomitees der PLO, das extra- territoriale Aktionen gegen Israel nicht von mit der PLO verbundenen Gruppen ausgeführt werden. D.h. es scheint, daß das Verständnis der RZ von revolutionärer Moral von den meisten palästinensischen Gruppen geteilt. wird.

8.

Ich möchte nur noch eine weitere Anmerkung machen. In der Mitte des Papiers scheinen die RZ zu sagen, daß. die Grundlage für ihren Antiimperialismus ein Verständnis war, daß nationale Befreiung und soziale Befreiung ein gemeinsamer Prozeß wäre. Es ist klar, daß dies nicht immer der Fall war. obwohl ich ihr Statement, " daß die Machtübernahme den sozialen Gehalt der Revolution in fast allen Fällen eher zerstörte als entfaltete für übertrieben und irreführend halte. Stammt. diese Beobachtung aus Diskussionen mit den Frauen aus Nicaragua, Cuba oder Vietnam?

Ich stimme nicht mit der Analyse der RZ über die Grundlage von Antiimperialismus überein. Selbstbestimmung ist weltweit als ein Menschenrecht anerkannt und sollte allein auf dieser Grundlage unterstützt werden. Ich denke auch, daß das Erreichen von Selbstbestimmung von unterdrückten Nationen in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg zumindest zeitweise die US- geführte imperialistische Koalition und das gesamte Modell kapitalistischer Akkumulation geschwächt hat. Es mag vielleicht einen erfolgreichen Versuch der Bourgeoisien geben, dieses Modell zu reformieren, aber dies ist mehr unsere Verantwortung in den Metropolen als eine Reflektion auf (die Fehler) der kürzlich. befreiten Länder. Schließlich glaube ich im Gegensatz zu der RZ nicht, daß nationale Befreiung. "in fast allen Fällen" zu Rückschritten im Prozeß der sozialen Befreiung geführt hat.

Das Papier wirft noch viele andere Fragen auf, die Anmerkungen verdienen, und könnte Diskussionen über die komplexen ungelösten Fragen bei der Zusammenführung von internationaler Solidarität mit Befreiungspolitik in den Metropolen anregen. Ich habe weder die Energie noch die politische Klarheit, mich in diese Fragen hinein zu stürzen, aber ich kann sagen, daß ich von der Kontinuität des Konzepts von "Selbst"- Bestimmung beeindruckt bin, das so vielen sozialen Kämpfen in den Metropolen zu grunde liegt und der "Selbstbestimmung'" von unterdrückten Nationen. Was alle diese Kämpfe mit "Revolution" zu tun haben, ist etwas, das wir alle sowohl in der Theorie und in der Praxis herausfinden müssen. .Ich bin nicht sicher. ob wir in dieser konkreten Zuspitzung zu einer Antwort kommen können, und ich denke nicht, daß wir uns damit lähmen sollten "revolutionäre" Strategien herauszufinden. Hoffentlich ist unser Verständnis für Recht und Unrecht, Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit intakt, und kann uns in einer düsteren Zeit, in der alte Theorien und Strategien sich als ernstlich fehlerhaft erwiesen haben, den Weg weisen.

ein US-amerikanischer politischer Gefangener aus dem weißen anti- imperialistischen Widerstand

im April 1992

Anmerkung der ÜbersetzerIn: Dieser Text bezieht sich auf das RZ- Papier "Gerd Albartus ist tot". Da es unmöglich ist, die gesamte Papierflut zu diesem RZ- Papier zu übersetzen ( das gilt auch für andere Erklärungen), können GenossInnen aus anderen Ländern - so wohl in den Knästen als auch draußen - Diskussionen hier immer nur bruchstückhaft vermittelt werden.

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