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für den grossraum nürnberg - fürth - erlangen
Nr. 0 Juli 2000
Kurze Geschichte der "Revolutionären Zellen" bzw.
"Roten Zora"
Erstmals in Erscheinung
getreten sind die "Revolutionären Zellen" im November 1973
mit Anschlägen gegen den US-Konzern ITT in Berlin und Nürnberg,
um gegen die Beteiligung dieses Konzerns am Putsch in Chile zu protestieren.
Im Rückblick bezeichnen
die RZ in ihrer Zeitschrift "Revolutionärer Zorn" von 1981
ihre Form der Organisierung als "Konzept bewaffneten Kampfes, in
dem die Stärkung der Masseninitiative durch klandestin operierende,
autonom und dezentral organisierte Gruppen der erste Schritt eines
langwierigen Angriffs auf die Macht sein sollte". Sie verweisen
auf ihren 1975 formulierten Anspruch: "Was wir wollen, ist die
Gegenmacht in kleinen Kernen organisieren, die autonom in den verschiedenen
gesellschaftlichen Bereichen arbeiten, kämpfen, intervenieren,
schützen, die Teil von der politischen Massenarbeit sind. Wenn
wir ganz viele Kerne sind, ist die Stoßrichtung für die
Stadtguerilla als Massenperspektive geschaffen".
Aber auch vor dem Hintergrund,
dass 1972 fast die gesamte Kommandoebene der Rote Armee Fraktion
verhaftet war, entwickelten die RZ ihr Konzept. Als bester Schutz
vor staatlicher Verfolgung und politischer Isolation wurde die gänzliche
Anonymität ihrer Mitglieder und eine dezentrale, nicht hierarchische
Arbeitsweise angesehen. So machten sie sich nicht zur Projektionsfläche
für den Staat, sondern wurden eher als "Feierabendterroristen"
abgetan, und die unbekannten Militanten konnten weiterhin an Diskussionen
und legalen Aktionen der radikalen Linken teilnehmen. Weiterhin
sollte durch diese Struktur eine Verselbständigung ihrer Politik
vermieden werden. "Alle müssen alles können", war der
selbstformulierte Anspruch der RZ. "Jedes Herz ist eine revolutionäre
Zelle" ihr Motto. Die Vermittelbarkeit der militanten Aktionen stand
im Mittelpunkt ihrer Konzeption.
In der ersten Ausgabe
des "Revolutionärer Zorns" von 1975 benennen die RZ selbst
ihre Aktionsfelder in drei Bereiche: "antiimperialistische Aktionen,
Aktionen gegen die Filialen und Komplizen des Zionismus in der BRD
und Aktionen, die den Kämpfen von Arbeitern, Jugendlichen,
Frauen weiterhelfen sollen". Das starke sozialrevolutionäre
Element des letzten Punktes zeigte sich vor allem in den frühen
Aktionen gegen Fahrpreiserhöhungen. Bald kamen der Widerstand
gegen die Startbahn West sowie der Anti-AKW-Kampf dazu. In den 80er
und 90er Jahren richteten sich die Aktionen der RZ mit ihrer Kampagne
"Für freies Fluten" verstärkt gegen die staatliche Flüchtlingspolitik.
1974 fand erstmals ein
Sprengstoffanschlag der "frauen der rz" statt. Auf dem Höhepunkt
der Debatte um den § 218 war das Ziel ihres Angriffs das Bundesverfassungsgericht
in Karlsruhe. Ab 1977 agierte die "Rote Zora" überwiegend
autonom und richtete sich verstärkt gegen frauenfeindliche
Zustände und Einrichtungen, insbesondere gegen Sextourismus,
Frauenhandel, Gen- und Reproduktionstechnologie sowie Bevölkerungspolitik.
Mit dem Anschlag auf die
Stromversorgung des BGS in Frankfurt/Oder traten die "Revolutionären
Zellen" zum letzten Mal in Erscheinung. 1995 erfolgte der letzte
Anschlag der "Roten Zora" auf eine Werft bei Bremen, in der Kriegsschiffe
für die Türkei hergestellt werden.
Nach Erkenntnissen der
Bundesanwaltschaft (BAW) haben sich die "Revolutionären Zellen"
bzw. "Rote Zora" zu mindestens 186 Anschlägen bekannt. Es
ist aber davon auszugehen, dass die tatsächliche Anzahl der
RZ-Aktionen wesentlich höher liegt. Trotzdem tappten die Ermittlungsbehörden
bis vor kurzem fast völlig im dunkeln. Zwar gab es im Zusammenhang
mit den RZ bisher unzählige Durchsuchungen und einige kurzzeitige
Festnahmen, doch wurden seit ihrem Bestehen erst fünf Verfahren
gegen 8 Personen wegen angeblicher Mitgliedschaft nach § 129a
StGB durchgeführt.
Im Dezember 1987 kam es
im Rahmen der "Aktion Zobel" zu bundesweiten Durchsuchungen und
der Festnahme von Ingrid Strobl und Ulla Penslin; mehrere Gesuchte
entzogen sich der Verhaftung und gingen in den Untergrund. Die Beschäftigung
mit sogenannten "anschlagsrelevanten Themen" wie Gen- und Reproduktionstechnologie,
Bevölkerungspolitik und Flüchtlingspolitik wurde nun mittels
der Gesinnungsparagraphen 88a und 129a verfolgt. Jedoch schlug dieser
Kriminalisierungsversuch eher ins Gegenteil um, eine breite Solidaritätsbewegung
zur Unterstützung der beiden inhaftierten Frauen entstand.
Ingrid Strobl wurde letztendlich zu 3 Jahren Haft verurteilt.
Die RZ hatten auch Opfer
zu beklagen, hervorgerufen zum Teil durch tödliche Unfälle
bei Aktionen. Lebensgefährlich verletzt durch die vorzeitige
Explosion eines Sprengsatzes wurde 1978 Hermann Feiling, er verlor
beide Augen und Beine. Obwohl der behandelnde Arzt seinen Zustand
noch für lebensgefährlich erklärte, und trotz seiner
offensichtlichen Vernehmungsunfähigkeit und durch starke morphinhaltige
Schmerzmittel eingeschränkten Wahrnehmungsfähigkeit verhörte
die BAW Feiling schon am Tag nach dem Unfall stundenlang. Sie benutzte
die 1.300 Seiten umfassenden angeblichen Aussagen für einen
Prozess und weitere Haftbefehle.
Die Aktionen und Erklärungen
der "Revolutionären Zellen" bzw. "Roten Zora" hatten nicht
geringen Einfluss innerhalb der Linken, so mancher Anschlag stieß
auf einhellige Zustimmung.
Aber auch Kritik blieb
nicht aus: So wurde 1981 im Zuge der Proteste gegen die Startbahn
West der hessische Minister für Wirtschaft und Verkehr Herbert
Karry erschossen. Die Tatsache, dass Karry jüdischer Abstammung
war und auf einer schwarzen Liste von Neonazis stand, ließ
rechte Urheber wahrscheinlich erscheinen. Erst sehr viel später
übernahm eine "Revolutionäre Zelle" die Verantwortung
für den Anschlag und bezeichnete ihn als Panne. Geplant sei
gewesen, dem für die Startbahn mitverantwortlichen Minister
in die Beine zu schießen. Doch auch diese "Knieschüsse"
blieben umstritten.
Der Vorwurf des Antisemitismus
ging einher mit der Kritik an der antiimperialistischen Politik
der RZ und ihrem Verhältnis zum Befreiungsnationalismus. Besonders
heftig kritisiert wurde die "Entebbe-Aktion" Dabei hatte 1976 ein
internationales Kommando unter RZ-Beteiligung ein Flugzeug entführt,
um Gefangene aus überwiegend israelischen und westdeutschen
Gefängnissen zu befreien. Bei der Erstürmung durch eine
israelische Spezialeinheit wurden alle Kommando-Mitglieder getötet.
Hauptvorwurf gegen diese
Aktion war, dass jüdische von nichtjüdischen Passagieren
abgesondert wurden. Aufgrund der "Entebbe-Aktion" brachen politische
Gegensätze innerhalb der Gruppen auf, was zu einer faktischen
Spaltung führte. Teile der RZ stellten das sozialrevolutionäre
Moment in den Vordergrund und waren um dessen Vermittlung in der
BRD bemüht. Der andere Teil verstand es als Notwendigkeit,
den internationalistischen und antiimperialistischen Kampf weiterhin
schwerpunktmäßig zu betreiben.
Anfang der 90er Jahre
gaben einige Gruppen der RZ ihre Auflösung bekannt. In ausführlichen
Erklärungen unterzogen sie ihre bisherige Politik einer umfassenden
Kritik. In dem Papier "Gerd Albartus ist tot" von 1991 äußerte
sich eine "Revolutionäre Zelle" selbstkritisch zu der damaligen
antizionistischen Politik. Dabei nahm sie Bezug auf die "Entebbe-Aktion"
und auf die Ermordung ihres Genossen Gerd Albartus, der 1987 ihren
Angaben zufolge von einer palästinensischen Gruppe liquidiert
worden war.
In ihrem Papier "Das
Ende unserer Politik" stellte eine andere Gruppe Anfang 1992 ihre
Auflösung und die Defizite der RZ-Politik verstärkt in
den Kontext des allgemeinen Niedergangs linksradikaler Politik und
erklärte insbesondere die Flüchtlingskampagne "Für
freies Fluten" für gescheitert.
Heute kaum mehr vorstellbar
verstanden sich die RZ nur als ein - bewaffneter - Teil innerhalb
der radikalen Linken. Die militante Variante war noch tief verwurzelt
in der politischen Bewegung insgesamt, das Konzept "Stadtguerilla"
breit diskutiert bzw. akzeptiert. Anders als die RAF waren die RZ
viel stärker eingebettet in linke Strukturen und Diskussionsprozesse
und verstanden sich nie als eine revolutionäre Avantgarde,
losgelöst von anderen sozialen Bewegungen. Vielmehr verhalf
ihnen gerade die Bandbreite ihrer Aktionsformen vom Fahrscheinfälschen
zu Sprengstoffanschlägen dazu, dass sie bis heute als Mythos
weiterleben. Beweis dafür ist nicht nur das erste Plakat, das
nach der Repressionswelle der vergangenen Monate auftauchte, und
auf dem zu lesen ist:
"Die RZ haben
- AKW-Betreiber sabotiert -
Rassistische Richter bestraft - Soziale
Bewegungen unterstützt und mit
vielen anderen Aktionen Leuten aus dem Herzen gesprochen.
Unsere Solidarität gilt den vier Genossinnen
und Genossen, die seit Ende 1999 als angebliche RZ-Mitglieder im
Knast sitzen. Bei allen Differenzen: Ihr Widerstand ist auch unser
Widerstand. Und Aussagen bleiben Verrat."
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