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Nach dem 18.12.1987
Über die Bedeutung des 18.12.87 wurde in den RZ selbst viel
diskutiert, und es gab unterschiedliche und wechselnde Deutungen.
Richtig ist, rückblickend betrachtet, dass es seither keine
geordnete Offensive mehr gegeben hat, große Pläne und
keine oder kleine Lösungen, viel Kleinmütiges und Katerstimmung.
Eigentlich hätte der 18.12. genauso gut zum Startpunkt einer
neuen Offensive werden können, und es gab ja durchaus Entwicklungen,
die dafür sprachen. Die Solidarität, ja geradezu die Welle
der Sympathie, die sich um die zwei damals verhafteten Frauen entfaltete,
war ja überaus ermutigend: im Mittelpunkt standen die "anschlagrelevanten
Themen" Gentechnologie, Frauenhandel, Flüchtlinge, internationale
Arbeitsmärkte: die Themen der Frauen und der gemischten Gruppen
wieder vereint, und zwar Themen von höchster Relevanz - was
lag näher, als diese Themen inhaltlich und mit Aktionen zu
"besetzen" und damit die eigene Politikform nachhaltig
aufzuwerten?
Hinzu kam, dass die Razzien vom 18.12. - man muss es ja heute sagen:
aufgrund einer Warnung aus dem Reich der Stasi, mit der niemand
je gerechnet hätte - nur zu zwei Festnahmen geführt hatten.
Es gab dafür jetzt abgetauchte Leute in ansehnlicher Zahl,
die nicht verloren waren, denn man hatte in den 80er Jahren gelernt,
auch in illegalen Strukturen zu leben, und eine qualitative Steigerung
des Konzepts wäre nun möglich gewesen. Was also waren
letztlich die Gründe für das Scheitern in den folgenden
Jahren?
Das vielzitierte Papier über "das
Ende unserer Politik", das 1991 entstand, und im dem über
diese Gründe sinniert wurde, hatte von Vornherein den Nachteil,
dass es den feststehenden Beschluss einer Gruppierung im Nach herein
legitimieren sollte. Daraus erwuchsen Schwächen in der Argumentation,
die andernorts schon benannt worden sind. Aus heutiger Sicht enthielt
das Papier richtige Vorahnungen, die vielleicht so formuliert
werden können:
- der Anschluss der DDR hatte die Situation in der Tat völlig
verändert. Man geriet zwar nicht in den Strudel des Bolschewismus,
wie im besagten Papier zu lesen war, hatte aber plötzlich
die Deutschen zum Gegner und nicht mehr das alte Bonner System.
Es rächte sich, dass die Rassismusdiskussion zwar nach 1981
gelegentlich angetippt worden war (Beethoven
gegen McDonald), aber nie tieferreichend geführt worden
war, und man stand den Phänomenen Nation und Rassismus relativ
hilflos gegenüber. Eine Bewegung, die "wir sind das
Volk" schrie, eignete sich nicht als Gegner, um BK zu machen
(von "Volk" hatten gab es vorher eine etwas andere Auffassung,
angefangen von Maos "Dem Volke dienen über den "Gang
ins Volk" der Narodniki und der lateinamerikanischen Bedeutung
von "el pueblo" -und jetzt sträubten sich bei diesem
Wort die Nackenhaare.);
- die Aussage, dass sich in Zeiten der Gewalt von Rechts Anschläge
zum Flüchtlingsthema verböten, ist missverstanden worden,
wenn etwa gefragt wurde, ob nun die RZ selbst nicht mehr zwischen
rechten und linken Anschlägen unterscheiden könnten.
So doof war in den RZ eigentlich keiner. Sondern neue Anschläge
hätten ein Klima der Gewalt anheizen können, das niemand
mehr hätte kontrollieren können, und schon gar nicht
die RZ selbst. Man konnte die Flüchtlinge vor der rechten
Gewalt nicht schützen, und man war sich der Wirkung der eigenen
Aktionen nicht mehr sicher. Eine Konfrontation mit dem Mob, der
nach 1990 eine viel größere Bedrohung für die
Flüchtlinge darzustellen schien als die Behörden, war
nicht vorstellbar und wäre nicht durchzuhalten gewesen.
Die Beschreibung, dass das Umfeld, ohne das ein Konzept wie das
der RZ nicht umzusetzen wäre, trotz aller Solidaritätsbeweise
weitgehend abgebröckelt war, entsprach mehr der Repression
im eigenen Kopf als der Wirklichkeit. So toll war das Umfeld ja
nun auch vorher nicht gewesen. Die Weckerfahndung hatte natürlich
Eindruck gemacht. Die Roma -Kampagne war zweifellos richtig, aber
sie litt unter der Zermürbung der Beteiligten. Das Verhältnis
von unsichtbarer zu sichtbar fruchtbringender Arbeit verschlechterte
sich weiter zu Ungunsten der letzteren, der Frust wurde größer.
Es bot sich an, neue Leute einzubeziehen, aber dazu fehlten die
organisatorischen Voraussetzungen, zumal unter dem höheren
Fahndungsdruck. Hinzu kam, dass Projekte zur Geldbeschaffung fehlschlugen,
und dass die Nachricht vom Tod von Gerd Albartus lähmend wirkte.
Dann Einbrüche in der Logistik - nach und nach wurde man mürbe.
Davon zeugt auch die nachlassende Qualität der Papiere, die
seit Anfang 1992 in Umlauf gebracht wurden. All dies sind natürlich
nur Details aus einer Krise der Subjektivität; der Gesellschaftsbegriff
war veraltet und man kam mit der Zeitenwende und der Durchsetzung
neuer Gewaltverhältnisse nicht mehr klar. Aber es waren natürlich
die Details, die so viel Zeit kosteten und so viel Mühe machten.
In dieser Atmosphäre war der Vorschlag zu einer Antipat- Debatte,
deren Stellenwert eigentlich allen klar war, ständig in Gefahr,
den Charakter autoaggressiver Innerlichkeit anzunehmen. Wie war
eine antipatriarchale Strategie offensiv umzusetzen? Die Vorschläge
waren noch wenig durchdacht; dagegen war die Selbstkritik am eigenen
Machismus vergleichsweise leichter zu haben. Allerdings war ein
Teil der Beteiligten inzwischen auch gesetzter geworden und nicht
mehr so leicht zu bewegen, die private Sphäre einer grundsätzlichen
Kritik auszuliefern. So gerieten diejenigen am meisten in die Kritik,
die ihre Situation ungeschützt preisgegeben hatten.
Trotzdem: es wurde ernsthaft diskutiert, "und es wäre
nicht überheblich, zu sagen, dass man in besseren Zeiten vielleicht
weiter vorangekommen wäre. Von der Kritik der Trennung des
Privaten vom Politischen und der Forderung, aus der Politisierung
des Privaten das "soziale Terrain'. begrifflich neu zu bestimmen,
und zwar primär durch eine Kritik der Gewaltverhältnisse,
war man dahin fortgeschritten, das Politische selbst als patriarchales
Konstrukt zu begreifen und vielleicht wäre man irgendwann da
angelangt wo die Zora-Frauen 1981 aufgebrochen waren: bei einer
Alltagsguerilla neuen Typs.
Aber so weit war es noch nicht, und die gerechtfertigte Verunsicherung
überwog die alten Gewissheiten. Wir wiederholen hier, was in
der Antwort auf "Das
Ende unserer Politik" Anfang 1992 formuliert wurde, denn hier
wird von dieser Verunsicherung berichtet:
"Angesichts der allgemeinen Rat- und Perspektivlosigkeit ist
die Versuchung groß, die Antipatriarchatsdebatte als Vehikel
zu benutzen, um der Krise HERR zu werden. Die Diskussion über
die schwarze Frau als "unterstes Klassensegment " war
ein Beispiel dafür, auf welche Weise durch den bloßen
Austausch der Subjekte ein im übrigen nicht angetastetes Gedankengebäude
hinübergerettet werden kann. Das erste Resultat einer konsequent
geführten Antipatriarchatsdebatte kann nur die Zerstörung
lieb gewordener Gewißheiten sein. Wir begeben uns bewußt
und sehenden Auges in einen Prozeß, dessen erklärtes
Ziel die Verunsicherung und Demontage männlich dominierten
Denkens und Handelns ist. Wenn es richtig ist, daß der Sexismus
mit unserer Ignoranz gegenüber patriarchaler Gewalt beginnt
und wenn es stimmt, daß wir auf diesem Auge blind sind, weil
es um unsere Interessen geht, dann werden uns erst mal die Felle
davonschwimmen...".
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