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RZ / Rote Zora

RZ- BEWEGUNG UND WIR

"Die materialistische Lehre von der Veränderung der Umstände und der Erziehung vergisst, dass die Umstände von den Menschen verändert und der Erzieher selbst erzogen werden muß. Sie muß daher die Gesellschaft in zwei Teile - von denen die eine über ihr erhaben ist - sondieren. Das Zusammenfallen des Änderns der Umstände und der menschlichen Tätigkeit oder Selbstveränderung kann nur als revolutionäre Praxis gefasst und rationell verstanden werden." (Karl Marx, der jüngere)

Soweit Marx in den Dunstkreis realer oder eingebildeter Heiligtümer geriet, erwies er die ihnen gebührende Beachtung. Für uns hat sich daran nichts geändert; wir verhalten uns Heiligtümern gegenüber antagonistisch, besessen und getrieben von der Vorstellung, sie zu stürzen und zu zerstören. Gerät dann ein Solches (z.B. Politik oder RZ) ins Visier radikaler theoretischer Kritik, kann man an der Reaktion messen, wie's mit dem Zielwasser bestellt war.

Würden wir also die Antwort der hochnoblen RZ an der Qualität ihres Rundumschlages bewerten, könnten wir getrost - nach der Devise: der Hund bellt und die Karawane zieht weiter - zur Tagsordnung übergehen. Indes, wissend dass der Rundumschläger von der Fliehkraft seiner eigenen Bewegung von selbst aus dem Gleichgewicht gebracht wird, also nicht trifft, wollen wir versuchen, die Debatte in andere, inhaltliche Bahnen zurückzuführen.

Doch zuvor noch eine Nebenbemerkung zu den Heiligtümern. Der Umgang mit ihnen ist ja eine eigentümliche Sache. Man kann sie auch anbeten, verehren, pflegen und hegen und gegen alle Widerwärtigkeiten des menschlichen Alltags verteidigen. Dementsprechend dankbar und aufnahmebereit reagieren dann die Jünger/ innen, wenn endlich die ersehnte Botschaft kommt.

Doch bleibt Enttäuschung über den Inhalt der Weisung nicht aus - was bei einem echten Orakel nur logisch ist - und fordert eine Erwiderung (in modernen Zeiten will man mitreden, mitbestimmen nur wer entscheidet, bleibt die Frage) geradezu heraus, in solidarischer Form, versteht sich.

Wie dem auch sei, hiermit kredenzen wir die langerwartete Replik wenigstens einer RZ auf kritische Randbemerkungen der radi und ergänzen diese durch kritische Überlegungen eines Beobachters der radi- Zeitgeschichte.

Wir finden die Kritik an der Startbahn- Broschüre und an der RZ weitgehend daneben gegangen und konstruiert. Es wird verdreht, diffamiert, unterstellt und schon hat sich ein Feindbild (Führungsanspruch, Avantgardevorwurf, Rohrstockpädagogen der Bewegung) zurechtgezimmert, ohne inhaltlich Stellung beziehen zu müssen. Uns und den Autoren des Kreuzberger Häuserkampfartikels (Radi 120) wird vorgeworfen, Strategen zu sein, die sich erdreisten, aus Fehlern und Niederlagen zu lernen, die nicht wieder bei jeder "neuen" Bewegung bei Null anfangen wollen, die Kontinuität entwickeln wollen. Diese Vorwürfe ziehen sich wie ein roter Faden durch fast alle Artikel der Radi 121. Politische Zusammenhänge werden als "langweiliges Wiederholen von Altbekanntem" dargelegt oder die in der Karlsruher Stadtzeitung propagierten sozialrevolutionären Ansätze werden als politische Heilslehren

diffamiert. Das einzige. das noch zählen soll. ist der eigene Bauch. Wen interessieren schon die Strukturen und Erfahrungen von Bewegungen, die angeblich doch nur von "Mythen und Symbolen" zusammengehalten und bestimmt werden.

Militanz und Aktionen werden zwar noch für gut befunden, aber nur solange sie keine politischen Zusammenhänge herstellen bzw. Kontinuität beweisen. "Hingehen, abfackeln, abhauen". Alles was darüber hinausgeht, wird als potentielle Kaderpartei beschimpft und gipfelt in der Unterstellung vom Aufbau eines neuen Staates. Politik als schmutziges Geschäft - deshalb nie wieder Politik.

Was zählt ist die "neue Subjektivität". Wie fühle ich mich hier am wohlsten? Ausdruck ist das krampfhafte Suchen nach Nischen (Neue Kultur), in denen auf die nächste Bewegung gewartet werden kann, ohne daß eine Aufarbeitung der letzten Bewegungen überhaupt stattfand. Nachdem in Berlin die nicht verhandlungsbereiten Häuser geräumt oder in eine politisch ausweglose Situation gedrängt wurden, steigt die Zahl der alternativen Aussteiger kräftig an. Dazu werden die Verhandler- Häuser auch noch vom Senat subventioniert. Warum wohl? Die Spaltung hat wieder mal perfekt geklappt und wir sollen schon wieder nichts daraus lernen oder wie ihr das messerscharf formuliert: "Das Spektakel sucht nach neuen Rhythmen". Die "surrealistischen Träumer" in der Radi haben anscheinend endgültig die Oberhand gewonnen, oder wie ist das mit den zwei Fraktionen innerhalb der Redaktion und warum wird das nicht öffentlich diskutiert?

In der Radi 118/ 119 habt ihr euer Selbstverständnis noch so formuliert:"Wir machen also die Zeitung, um dieses unkontrollierbare Gebräu von Widerstand und Subkultur weiterbrodeln zu lassen und etwas Lebensnotwendiges zu garantieren, das Führen von Diskussionen und der Austausch von Informationen darüber... Die Radikal kann nur existieren als Bindeglied und Verbreiterungsmöglichkeit der beschriebenen Diskussionen. Ohne immer wiederkehrende Ansätze, sich und die vorhandenen Strukturen und Aktionen zu reflektieren, damit beweglich zu halten...kann die Bewegung und damit als Bestandteil dieser, auch wir, einpacken".

Soweit so gut. Die wesentliche Aussage in der Radi 121 zeigt jedoch genau das Gegenteil. Ihr "radikalster" Ausdruck ist die Forderung nach dem "leben jetzt", ohne politische Zusammenhänge miteinzubeziehen. Radikale Politik bzw. Widerstand orientiert sich nur noch an Alltäglichkeiten, ist subjektiv und wird so zur reinen Überlebensfrage innerhalb dieses Systems. Die Radi hat eine wichtige Funktion als Diskussionsforum des militanten undogmati-schen Widerstands und ist als legale Zeitung gerade jetzt verstärkt der Verfolgung, besonders dem § 129a, ausgesetzt. Aber anstatt sich Möglichkeiten zu überlegen, wie man/ frau dem Druck begegnen könnte, wird dieser offensichtlich zum Anlaß genommen, um intern einen anderen Kurs der Zeitung durchzusetzen, ohne daß dies öffentlich diskutiert wird.

Eine RZ

mit der Option auf ein zukünftiges Ministerium zur Abschaffung von Lust und Leidenschaft.

 

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http://www.freilassung.de/div/texte/rz/radi123a_1283.htm