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Kritik an der Distanzierung vom Pflasterstrand
Die Erklärung der Hochstrassenanwälte ist an dem Punkt
plausibel, wo sich in Verbindung mit dem Anschlag namentlich genannte
dagegen wehren, als Legitimation für einen Anschlag zu dienen,
den sie schwachsinnig finden. Es ist ihr gutes Recht, die Strategie
zur Verteidigung ihrer wackligen Position selbst zu bestimmen und
sich gegen ungewollte Helfer abzugrenzen.
Es ist auch ihr gutes Recht, als politische Individuen, Kritik
an solchen Aktionen zu üben. Es ist verständlich, dass
sie keine Lust haben, für eine Politik verschmurgelt zu werden,
die sie für falsch halten oder die ihrer Ansicht nach den Charakter
einer Staatsschutzaktion hat. Was solche Erklärungen in der
bürgerlichen Presse in Form von Mitteilungen zu suchen haben,
weiss der Teufel.
Es dürfte bekannt sein, dass bei solchen Erklärungen
die Presse lediglich ein Interesse daran hat, den distanzierenden
Gehalt zu publizieren, so dass es dann zu der peinlichen Situation
kommt, im gleichen Atemzug mit Dregger genannt zu werden. Es zeugt
von einiger Naivität zu glauben, dass irgendein bürgerliches
Presseorgan auch nur ansatzweise eine differenzierte Erklärung
in einer solchen Situation abdruckt, sondern dass da nur das Interesse
vorherrscht, sind sie dafür oder dagegen. Deshalb stellt
diese Erklärung auch ein Einflippen auf das alte Abfragespiel
dar, die verbale Demonstration des Wohlverhaltens, die Behauptung,
dass man nicht so ist, wie die Staatsschutzorgane behaupten.
Nicht einmal unter dem Gesichtspunkt der Schutzfunktion hat die
Erklärung irgendeinen Wert. Die politische Verteidigung der
Stadtguerillagruppen soll zerschlagen werden und deshalb müssen
alle mit diesen Prozessen befassten Anwälte Komplizen, Mittäter
und potentielle Bombenleger sein. Dieser Methode von Verunglimpfung
kann man schwerlich mit Pressemitteilungen entgegentreten. Vielmehr
geht ein Stück Terrain verloren, indem man diese These direkt
bestätigt. Selbst dem Staatsschutz ist bekannt, dass neben
diversen politischen Richtungen und Ansätzen es eine Stadtguerilla
gibt, die sich seit jeher einen Dreck darum geschert hat, was andere
Gruppen denken und machen. Sie haben immer davon abstrahiert was
wir oder andere gerade für wichtig halten. Das Problem der
Vielfältigkeit des linken Spektrums, im Prinzip von DDR bis
RAF, also alles, was rote oder schwarze Fahnen schwenkt, lässt
sich nicht wegwischen.
Dass gerade Anwälte, die seit Jahren dem mühseligen Geschäft
politischer Verteidigung nachgehen, und man deshalb davon ausgehen
müsste, dass sie ein wenig begriffen haben, nunmehr erklären,
dass ein Anschlag zum jetzigen Zeitpunkt nur darauf abzielen kann,
die Aufdeckung der Abhöraffäre zu verhindern, ist Kabarettreif.
Mit dieser Logik ist alles, was die Stadtguerilla bisher betrieben
hat, Staatsschutzaktion, die dazu dienen, widerliche staatliche
Machenschaften zu legitimiere.
Schon 1972 erklärte Oskar Negt auf den Angela Davis Kongreß,
dass die Desperadoaktionen der RAF die Legitimation für die
staatliche Aufrüstung seien. "Und weil diese Gruppen den Bedürfnissen
des Systems entgegenkommen, alle sozialistische Politik zu kriminalisieren,
sollten sie ihren aussichtslosen Kampf einstellen und ihre Niederlage
offen gestehe um nicht noch andere , vor allem Jüngere in selbstmörderische
Aktionen hineinziehen".
Mit der Logik, mit der Eure Erklärung abgefasst ist, wäre
es nur konsequent, den Spuren Negts zu folgen und euch von euren
Mandanten zu distanzieren. Genauso trübe ist es, wenn RA Heldmann
auf der Veranstaltung im Volksbildungsheim letzten Freitag von dem
Bombenskandal redete. Ich sehe keinen Unterschied zwischen der Bombe
auf Schmalz und der Bombe auf BGH- Richter Buddeberg. Die RZ ist
gleichsam nach der RAF und dem 2. Juni die dritte Guerillageneration.
Sie lässt sich vermutlich weder von euren Überlegungen
leiten, die wohl dahin gehen, dass im Augenblick eine reale Chance
besteht, die Situation der Gefangenen entscheidend zu ändern,
noch von unseren, die wir über Interventionspolitk meditieren.
Mir kommt es so vor, dass euch ein paar wilde Gestalten ins Geschäft
gepinkelt haben, sich dadurch eure Situation vermeintlich verschärft,
und ihr dann schnell das Staatsschutzetikett rauskramt. Sicher ist
die Bombe auf Schmalz ein Argument für die ungebrochene Gefährlichkeit
der Stadtguerilla, oder zumindest deren Existenz. Aber damit wird
man wohl lernen müssen zu leben, denn politische "Straftäter"
zu verteidigen ist das eine und Bomben zu legen das andere.
Seit Jahren gibt es einen gewaltigen Druck gegen Linke und Liberale,
die die Bomben als den Ausdruck von der Brutalität dieser Gesellschaft
begreifen, gleichsam ein Weg, in dem sich der Hass ausdrückt,
gegen eine gesellschaftliche Situation, die den Hass auch verdient.
Degenhard hat vor 10 Jahren gesungen, dass es besser ist, ein Kaufhaus
anzuzünden, als sich selbst zu verbrennen. Die Stimmen in diesem
Land, die so was versuchen noch auszudrücken, sind reichlich
verstummt. Stellt sich in Frankreich Sartre mit Zeitungen von Gruppen
auf die Strasse, mit denen er politisch weiss Gott nichts zu tun
hat, er aber dafür eintritt, dass alle Gruppen sollen reden
können, hat in Deutschland intellektuelle Feigheit Geschichte.
Und ich meine damit, dass es ein gewaltiger Unterschied ist, ob
man sich die Mühe macht, bestimmte politische und praktische
Positionen als Linker zu kritisieren, in linken Medien, oder ob
man sich die Mühe nimmt, bestimmte politische Nichtsnutze einreiht,
die mit aller Schärfe den üblen Charakter dieser Gesellschaft
analysieren, um sodann zu verstummen.
Wenn RA Heldmann auf der Veranstaltung erklärt, dass die staatlichen
Verfassungsbrüche ein Ausmass erreicht haben, dass jedem Bürger
das verfassungsmässig garantierte Widerstandsrecht entgegenwächst,
dann sollte man sich auch darüber Gedanken machen, was das
bedeutet und nicht mit der ausgelutschten Staatsschutzkiste ankommen,
die man sich beliebig um die Ohren hauen kann.
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