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Meckern über die Guerilla ...
Von einer, die mal dabei war ...
Es ist immer einfach am Ende anzufangen, am Ende einer nicht geführten
Diskussion über Jahre hin zu sagen, ich hab's ja immer gewußt.
Einfach ist das für mich trotzdem nicht. Sechs Jahre hat es
mich gekostet, voll von Ängsten, schlechtem Gewissen, Trauer
und Magenkrämpfen, den RZ und den bewaffneten Gruppen zu sagen:
Eure Politik ist falsch, gefährlich, vernichtend und dumm.
1971 habe ich meine Konsequenzen nach einer einjährigen Bekanntschaft
mit dem, was sich später 2. Juni nannte, gezogen. Ich bin einfach
nicht in den Untergrund gegangen, sondern nach Frankfurt gezogen.
Ich war enttäuscht, verängstigt, erschreckt von dem Umgang
der Fighter untereinander. Liebe und Disziplin? Hustekuchen! Haß,
Hierarchie und Intrigen habe ich kennengelernt, eine brutalisierte,
versoffene, schwer bewaffnet sein wollende Horde, bis zum Hals voll
mit Zorn gegen alles und jedes. Den Mut, dies endlich einmal aufzuschreiben,
habe ich bekommen, als ich in der Badewanne den Abschiedsbrief von
Jochen Klein im Pflasterstrand gelesen habe. Der war der Auslöser,
denn geändert hat sich in den letzten Jahren, wenn ich dem
Jochen glaube, in der Scene der kämpfenden Genossen nichts,
aber auch gar nichts.
Ihr erinnert euch: Jene Berliner Fighter meine ich, die irgend
wann Anfang der 70er in den Kellerwohnungen hockten, und konspirativ
die Revolution vorbereiteten.
Ich beschreib sie auch: die Bilder vom Befreiungskampf. Da kommst
du in eine Wohnung. Machst die Klotür auf, weil du mal pissen
mußt. Und da hockt einer der Hauruckler auf der Schüssel,
schnarcht stockbesoffen, die entsicherte Knarre auf dem Schoß.
Krach, du haust die Tür zu und springst zur Seite.
Du kommst in eine Wohnung, da hauen sich die Fighter gerade die
Fresse voll, weil einer dem anderen gesagt hat, er wäre ja
vom Staatsschutz. Messer raus, rein in die Fresse.
Der Dings ist ein Spitzel, der hat gestern. ..Und nur er konnte
das wissen. Über einen Genossen: Der hat schon mal ein Auto
geklaut, der ist in Ordnung. Also auf. zum Autoklau. Wofür,
weiß keiner.
Aber das übt. Über den gleichen Genossen ein paar Wochen
später: nach erfolgtem neuerlichen Autoklau, bei dem Leute
erwischt wurden (Opfer des Imperialismus, CIA, Staatsschutzes).
"Der war doch ein Spitzel, das Schwein. Den machen wir rund."
Fertiggemacht hat so ziemlich jeder jeden. "Die Braut ist
doch bescheuert, die kann ja nich mal loofen. Un kurzsichtig isse
auch." Also untauglich für den bewaffneten Kampf. Und
damit: bescheuert.
Und wie sind wir da reingeraten, in diese Horror- Show? Wir aus
unserer Kleinstadt?
Angefangen hats damit, daß mal einer von uns in Berlin war,
in der Stephanstr., beim Fritz Teufel einen durchgezogen hat. Und
dann zurück in die Kleinstadt.
Und klar haben wir Terror gemacht. Alles mögliche, wofür
wir bei den heutigen Richter- Tarifen mindestens 10 Jahre einfahren
müßten. Gut, das waren wir.
Und Spaß hats uns gemacht. Wir haben gelacht, gekifft, geklaut
und sonst noch allerlei angestellt. Nur einfahren wollten wir nicht,
sondern im Gegenteil.
Und trotzdem haben wir begeistert die "Straßenverkehrsordnung"
vervielfältigt und auf Demonstrationen verteilt. Irgendwie
hat uns das mit dem Antiimperialismus schon eingeleuchtet. Klar,
nur die allerdümmsten Kälber suchen ihren Schlächter
selber. Und wir waren kluge Kinder. Nur ins Gefängnis wollten
wir nicht.
Schießen haben wir auch geübt - für den Ernstfall,
einer war mal bei der Bundeswehr, der wäre im Ernstfall der
Revolution der Führungsoffizier geworden. Und Zeugs gebastelt.
Meist gings nicht. Und wenn, dann eh nur gegen Sachen. Und nachts
haben wir Hölderlin- Gedichte gelesen und geraubdruckt und
gekifft und Aktionen geplant.
Aber jeder hat nur das gemacht, was er konnte. "Ich hab zwei
linke Hände" sagt einer zum Thema Einbruch. Ok. "Mir
machts Spaß" jemand anders. Bißchen "Räuber
und Schandy" schon. Nur gefährlicher und doch wieder harmlos,
gemessen an dem, was wir als Kinder nach TV-Serien gespielt haben.
Und befreiender.
Wir brauchten Geld für ne Druckmaschine ( die wir nachher
nie gekauft haben). Also ab, einen Reichen beklauen. Und ich sag
euch, dann dieser Sonnenaufgang, Und die Kleinstadt hat sich die
Augen gewischt und wir gehen über die Hauptstraße. Ach
wie gut, daß niemand weiß. .Alles schon mal gesehen,
im Western. Klar, in die sind wir auch reingerannt, und haben uns
die Ohren mit den Rolling Stones vollgeblasen. ..
Mit Politik hatte das herzlich wenig zu tun. Nur, daß wir
Marx gelesen haben und Bakunin. Uns Genossen genannt haben und immer
zum Abschied, und nicht nur da, geküßt. Und leben wollten
wir auch, wenn möglich gut, das gelang uns nie, weil wir nie
Geld hatten, aber gut gelebt haben wir trotzdem. Und das trotz der
hungernden Kinder in Indien.
Und dann kamen die anderen in diese kleine Stadt, die mich heute
noch nicht schlafen lassen. Die Schüler und Lehrlinge, ausgeflippt,
rausgeflogen. Und die Erwachsenen mit Wut im Bauch ohne Spaß.
Und wir haben uns um sie gekümmert. Mit ihnen Marx und Bakunin
gelesen. Und die haben das todernst genommen. Die haben gelernt
und gelesen, sich über die Absätze gequält. Dann
Eldridge Cleaver verschlungen. Und wir haben nichts dazu gesagt,
wir haben uns selbstherrlich gefreut, daß wir ein paar Leute
"bekehrt" haben.
Und dann ging das Theater los. Endlich, endlich wußten wir,
wo's langgeht. Nix Schule, Scheißeltern, Schweine alle miteinander.
Aber die Linken, zumal die Anarchisten, die wissen, wo's langgeht.
Mollis bauen. Knacken gehen. Das hatten sie zum Teil eh schon gemacht.
Aber jetzt, jetzt endlich gab es eine Rechtfertigung dafür.
Gab es sogar Genossen, die das toll fanden. Man gehörte zu
den "Guten ", die das beste für die Welt wollten.
Wer einfuhr, war ein Held der Bewegung. Er hatte für die "Sache"
gesessen.
Was Wunder, daß die Leute einfuhren, bei uns und in Berlin.
Reihenweise.
Ich erinnere mich noch gut, daß wir versucht haben, mit dem,
was wir da angezettelt hatten, fertig zu werden. Doch eben das war
vergebens, brachte uns blitzschnell in den Ruch feige zu sein, nicht
das richtige Bewußtsein zu haben. Als Intellektuelle abzuwiegeln.
Dabei waren wir auch keine Intellektuellen, sondern hatten eben
nur mal vorher den "Klau mich" gelesen, teils Abi nachgemacht,
durchweg kleinbürgerliche und bürgerliche Eltern.
Und da haben wir uns endlich durchgesetzt, abgewiegelt, die man
eben machen lassen. Und die haben gemacht. In Berlin und bei uns.
Manche Aktion hätte weiß Gott gleich auf dem Polizeirevier
stattfinden können. Ausgeschrieben war der Wettbewerb: Wer
sitzt am schnellsten hinter Gittern? Und wer macht dann keine Aussage?
Stärke war gefragt, Durchhaltevermögen bis zur schieren
Dämlichkeit.
Aktionen in Frage zu stellen war ein Sakrileg.
Und die sind verhaftet worden. Und haben ausgesagt. Was Wunder.
Warum sie sitzen war eh kaum einem klar. Und wehe wenn die, die
ausgesagt haben, wieder rauskamen. Im Trainingsfeld BRD wurde gespielt,
daß in Südamerika bei sowas immerhin das Leben von hundert
Genossen davon abhängen könne, also Verräter, du
Schwein. Das gipfelte in der Ermordung von Schmücker.
In Berlin: Gefragt war die größte Klappe. Der Macker,
der am dicksten auftrug.
Und heute? Will mir.. einer erzählen, daß das jetzt
alles ganz anders sei? Bei soviel gesammelten Schwachsinn. der noch
immer mit der alten abgelatschten Anti- Imperialismus- Theorie gerechtfertigt
wird? Da les ich, daß "Holger und Friedi" beim Üben
in der Kiesgrube (Molliwerfen nämlich) erwischt worden sind.
Mensch, schmeißt doch mit Steinen. Da krieg ich die dpa- Besetzer
mit. Vielleicht erinnert sich mal wer, daß das go- in gar
keine üble politische Aktion sein kann. Leute, zeigt euch doch
gleich selbst an!
Was hat sich denn geändert, wie ihr in eurer großkotzigen
Erklärung behauptet. Die bewaffneten Strategen sind noch unverfrorener
geworden in ihrem Stellvertreteranspruch. Sie beziehen sich auf
alles und jedes in der Linken. Und kämpfen als Avantgarde bewaffnet.
Und was tun sie? Sie werfen Mollies, klauen Geld oder entführen
es, schießen, um nicht erwischt zu werden. Sie fahren ein
für Autoklaus und Sachen, von denen sie geträumt haben,
die aber als Plan schon strafbar sind.
Wenn doch endlich mal einer von denen käme, einer dieser Bekenner,
der sagte: Na und. .Ich war sauer. Mir hats gestunken. Ich war in
Brass. Ich wollte was drehen, weil mich alles angekotzt hat und
mirs dann besser ging. Und Spaß hats mir auch gemacht.
Aber nichts da. Da stehen sie noch immer, die traurigen Helden
unserer Generation und trommeln sich auf die Brust.
Diesen Mollie habe ich für das chilenische vietnamesische/irische
Volk geworfen.
Heute so wenig wie damals glaub ich, daß viele von denen
wirklich das chilenische "Volk" meinen. Sie mißbrauchens
aber zu ihrer eigenen Aufwertung.
Und wie ist das mit der Diskriminierung derer, die da nicht mitmachen?
Laut eurer Erklärung sind die zu feige, sollen aber wenigstens
die Klappe halten. Mir kommt das Kotzen, weil ich das allzu gut
kenne. Daran sind schon eine Menge Leute gestorben, daß sie
sich unter moralischen Druck haben setzen lassen, euer Gehirnwäschespiel
vom schlechten Gewissen des aufrechten Linken, des David mit der
Schleuder gegen den Moloch Imperialismus, daß sie dann aus
eben diesem schlechten Gewissen doch in den Untergrund gegangen
sind. Weil ihnen nämlich die Kämpfer gedroht haben: Wenn
nicht, bist du keiner mehr von uns.
Und wie war das damals mit den Sympathisanten? Den nützlichen
Idioten. Den Bürger- Trotteln, die die Wohnungen mieten durften.
Wie war das, als einer sagte: "Bei den Genossen würd ich
mich nicht verstecken. Nur bei linken Liberalen, Lehrern, Professoren
und so, die haben ein schlechtes Gewissen und geben, was man braucht."
Hatte das etwa was zu tun mit der viel zitierten Verankerung im
Volk? Schlichtes Ausnutzen wars. Kommst zu nem Prof, machst den
Breiten, schließlich riskieren wir Kämpfer ja unseren
Hals, und jetzt rückt mal rüber mit der Patte. Wenigstens.
Wenn ihr sonst schon nichts tut, ihr Lahmärsche.
Über die Ruhlands und Handwerker, über die hat der Jochen
schon genug geschrieben. Mich wunderts nicht, daß so viele
ausgesagt haben. Und bezahlte Spitzel waren da wohl am seltensten
drunter.
Denen ist nur ein Licht aufgegangen, wer da wen beschissen hat.
Disziplin und Zärtlichkeit? Daß ich nicht lache! Von
Zärtlichkeit war da wohl kaum die Spur. Und wie war das mit
den Berliner linken Superbräuten, wenn so ein Arbeiter/Handwerker,
den sie angemacht hatten, mal was von der Zärtlichkeit abhaben
wollte'? Auf seine Weise, weil ers nicht besser verstand? Hat sich
da wer gerührt und geredet, geholfen? Warum habt ihr denn den
Knackis Wohnungen besorgt, eh? Ihnen auf dem Sozialamt geholfen.
..?
Gerlinde Brecht
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