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Der Hunde- Artikel der RZ hat mich vor allem wütend gemacht
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Der Hunde- Artikel der RZ hat mich vor allem wütend gemacht,
und diese Wut bestimmt auch (vielleicht zu sehr) das folgende. Was
ich vor allem so schlimm finde, ist dieses stumpfsinnige "Denunziert
den Denunzianten!" als einzige Reaktion auf Kleins Interviews.
Anstatt seine zugegebenermaßen oft konfusen und fragwürdigen
Enthüllungen zum Anlaß zu nehmen, etwas umfassender und
offener als bisher Selbstkritik zu üben, auch im Hinblick auf
das totale Scheitern des Konzepts der Metropolenguerilla hier und
anderswo, wird wieder in altbekanntem militaristisch- arrogantem
Jargon gegen die Linke zu Felde gezogen. Ich will mal einige Punkte
aus dem Artikel herausgreifen, an denen sich das Dilemma der Guerilla-
Ideologie am deutlichsten zeigen läßt.
Ich möchte es mal ganz provokativ formulieren: Staatliche
Repression und Guerilla sind beide darauf angewiesen, daß
der Staat als allmächtiges Ungeheuer erscheint, daß sich
Angst, Ohnmachtsgefühle und das Gefühl des Verfolgtseins
bei der Linken einstellen. Sobald man im Staat nur noch den Dämon
sieht, die faschistoide Vernichtungs- und Repressionsmaschine, erübrigt
sich jedes Eingreifen und Einmischen, ist jeder Versuch hoffnungslos,
vielleicht einzelne Fraktionen und Sektionen zu unterwandern, gegeneinander
auszuspielen etc. Wer sich auf so etwas einläßt, ist
schon korrumpiert. Resultat eines solchen Denkens in Kategorien
von Panik und Paranoia sind dann entweder ohnmächtige Lethargie
oder der bewaffnete Rundschlag; beides für den Staat recht
willkommen, das erstere stört nicht, das zweite liefert die
höchst erwünschten Vorwände zur Proklamation des
Belagerungszustandes, der "Einheit der Demokraten" usw.
Dieses Denken in den Extremen Resignation oder militärische
Eskalation schien mir früher vor allem eine Domäne der
RAF zu sein, aber der Artikel bezieht da ja ganz klar Stellung (S.
23 links unten).
Analog dazu halte ich auch die ständige Beschwörung eines
heraufkommenden Faschismus in der BRD und einer bevorstehenden Illegalisierung
der Linken für Unsinn. Angesichts der einmaligen Staatsloyalität
in diesem Land ist so was überhaupt nicht nötig.
Aber wenn wir uns einmal die Ereignisse des vergangenen Jahres
ansehen, fällt doch auf, daß in dem Moment, wo Behörden
und Medien aus Mangel an Terroraktionen keinen
permanenten Belagerungszustand mehr verhängen können,
auf einmal wieder Themen wie Filbinger, Berufsverbote und Umweltzerstörung
im Vordergrund der politischen Diskussion stehen. Die" Stadtguerilla
sieht da natürlich nur perfide Tricks der Herrschenden und
Scheinkonzessionen - ich meine, daß die oben genannten Themen
durch massiven Druck von unten so akut geworden sind, und daß
dieser Druck einige kleine Veränderungen erzwingen konnte,
ist ermutigend. Was jetzt kein Loblied auf die ach so pluralistische
FDGO sein soll, sondern der Nachweis dafür, daß es eben
keine lineare Entwicklung zurück zu 33 gibt, sondern daß
es auf uns und unsere Aktivitäten ankommt, ob wir es schaffen,
Sympathien und Unterstützung bei gesellschaftlich relevanten
Gruppen zu finden.
Es gab dazu in letzter Zeit etliche Lektionen: Wir konnten sehen,
wie Regimes ohne Massenloyalität auch ohne bewaffneten Aufstand
in sich zusammenstürzten (Spanien, Griechenland, Portugal).
Im Iran schafft es ein unbewaffnetes, aber weitgehend einiges Volk,
das Subjekt Pahlevi zu verjagen; die Armee, größtenteils
Wehrpflichtige, kann es nicht verhindern. Andererseits wurde in
Argentinien und Uruguay eine hochorganisierte Guerilla, die sich
offenbar zu wenig um die realen Machtverhältnisse geschert
hat, die Geister, die sie rief, nämlich die militärische
Repression, nicht mehr los und wurde mitsamt einem Großteil
der Opposition vernichtet. Und gerade bei den Tupamaros fing der
Niedergang genau in dem Moment an, wo sie von listigen Enteignungs-
und Aufdeckungsaktionen zu Attentaten und blutigen Entführungen
übergingen, die großen Teilen der Bevölkerung nicht
mehr einsichtig waren. Heute gilt mehr denn je angesichts der enorm
entwickelten Waffentechnologie, gegen die ein paar verbuddelte MP's
und Handgranaten nicht das geringste ausrichten, daß revolutionäre
Bewegungen dann erfolgreich sein können, wenn sie ein Volk
in seiner ganzen Breite erfassen, so daß auch in den Repressionsorganen
Polizei und Armee Unruhe entsteht und Sympathien aufkommen. Und
bis es bei uns eine breite Sympathiebewegung für freiheitlich-
sozialistische Politik gibt, muß sich noch sehr viel tun -
oder besser gesagt, müssen wir sehr viel tun. Falls es dann
im Laufe von Aktionen, die von breiten Sympathien der Bevölkerung
getragen werden, wirklich mal notwendig und vermittelbar sein sollte,
z.B. an einer Konzernzentrale bauliche Veränderungen vorzunehmen
oder eine unbeliebte Baustelle abzuräumen oder pseudo- amtliche
Flugblätter zu drucken (alles Sachen, von denen ich gemäß
§ 88a nur abraten kann), bedarf es dazu keiner verzweigten Untergrundorganisation
und keiner "politisch- militärischen Kerne". Die
Behauptung der RZ, ihre Aktionen stünden "in einem genauen
Verhältnis zum öffentlichen Bewußtsein" und
wirkten verbreiteten Ohnmachtsgefühlen entgegen, finde ich
absurd. Eben die Unvermittelbarkeit und der abgehobene. Charakter
der meisten Aktionen degradiert einen zum ohnmächtigen Zuschauer,
je nach dem hilflos, wütend oder klammheimlich -froh. Die Freude
vergeht dann spätestens, wenn man aus seinem Getto rauskommt
und in der Kneipe oder am Arbeitsplatz das vielbeschworene Volk
nach dem Strick rufen hört. Daß die "Bestrafung"
(in wessen Namen, möchte man diese selbsternannten Scharfrichter
fragen) von sogenannten Volksfeinden eher das Gegenteil von Einschüchterung
bewirkt, halte ich auch für erwiesen. Es steigen zwar Unsicherheit,
Angst und Panik, aber ebenso Haß, Brutalität und allgemeine
Repression. Wohin das Walten solcher selbsternannten Volksgerichtshöfe
und ihrer Schergen führt, sieht man am Beispiel Italien.
Eine Anmerkung noch zur Konspiration. Sie gehört natürlich
in die Guerilla- Logik mit rein, aber ich habe oft den Eindruck,
ganz abgesehen von der Show, die manchmal dabei ist, daß sie
den fatalen Effekt hat, daß man sich nicht mehr öffentlich
und persönlich zu seiner Politik bekennen und sie rechtfertigen
muß, sondern daß alles in der Gruppe ausgemauschelt
wird und die Öffentlichkeit dann halt anonyme Statements vorgeknallt
kriegt. Und da ja um keinen Preis über Hintergründe, Strukturen
und Strategien geredet werden darf, geschweige denn so kompromittierende
Sachen wie persönliche Schwierigkeiten oder politische Zweifel
öffentlich geäußert werden dürfen, bleibt es
beim Korpsgeist, bei Pamphleten im Kommandojargon. An Selbstkritik
kommt in dem Artikel praktisch nur, daß man so blöd war,
auf den Klein reinzufallen. Warum chauvinistisch- militaristisches
Gehabe so faszinieren kann, bleibt unerwähnt. Aber was mich
eigentlich an den ganzen Publikationen dieser Art am meisten auf
die Palme bringt, ist diese schweinische Taktik der moralischen
Erpressung. Ihr Schlaffärsche sitzt da und tut nichts, während
wir an der Front stehen, für euch und für die ganze Menschheit!
Wenn wir auch nicht wissen, ob das ganze überhaupt sinnvoll
ist, ist es doch besser als gar nix. Und wir hier sollten uns wenigstens
schämen, wie der Meister B.B. uns heißt. Es wäre
interessant, sich mal genauer zu überlegen, wo solcher Heroismus
seine Wurzeln hat. Ein Ernst Jünger würde sich über
solche Auslassungen bestimmt freuen. Diese zynische Verachtung von
Leuten, die in beschissenen Zusammenhängen wie Schulen und
Behörden beispielsweise mit ungeheurer Energie versuchen, fortschrittliche
Art zu machen, die halt wieder hinter ihren Büchern oder in
ihren Zirkeln sitzen, weil sie mit so viel Unklarheiten im Kopf
keine Politik machen können, das ist es, was jeden Dialog,
jede vernünftige Auseinandersetzung so schwer macht.
Trotzdem - die Fragen, die am Schluß des Artikels gestellt
werden, sind berechtigt und weisen darauf hin, daß die Linke
da in einer gewissen Verantwortung steht. In Gesprächen mit
Leuten, die mit dem Absprung in die Illegalität liebäugeln
oder im Knast sitzen, kommt man schnell an den Punkt, wo es heißt:
"OK, an dem Guerillakonzept mag manches faul sein, aber was
gibt es für Alternativen? Was machst du zum Beispiel?"
Wir müssen auf solche Fragen wieder überzeugende Antworten
geben können, wir müssen in der Lage sein, eine konkrete
Strategie des Übergangs zu entwerfen und zu verfolgen und zu
mehr Einheit unter uns finden. In diesem Land mit dieser Vergangenheit
bleibt uns nichts anderes, als mit unglaublicher Geduld und Beharrlichkeit
(unpopuläre Eigenschaften, ich weiß) ganz unten ansetzen,
in den Betrieben, Gewerkschaften, Unis, wegen mir auch Stadtparlamenten.
Betrieben, Gewerkschaften, Unis, wegen mir auch Satdtparlamenten.
Außerdem müssen wir von Anfang an ehrlich sagen, was
wir wollen, sofern wir uns überhaupt selber im Klaren darüber
sind, damit wir auf die alten immer wiederkehrenden unangenehmen
aber berechtigten Fragen "Was wollt ihr eigentlich? Und wie
wollt ihr das erreichen?" endlich plausible Antworten geben
können. Jedenfalls werden die Forderungen vom Peter Paul Zahl
im letzten Pflasterstrand, die ich voll unterstütze, nur durchsetzbar
sein, wenn die Linke als politischer Faktor wieder an Bedeutung
gewinnt und dafür was tut.
Ralph
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