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"Ich habe plötzlich die harte Einsicht, daß wir,
die politischen Flüclhtlinge, die gehetzten Revolutionäre,
dreifach besiegt sind, weil manche von den "Unsrigen"
nicht mehr die -Unsrigen- sind, da sie bis auf den Grund ihrer Seele
demoralisiert sind; und daß in unserer Mitte ein schmutziger
Kampf um die Plätze im letzten Rettungsboot des sinkenden Schiffes
beginnt."
(Victor Serge auf seiner Flucht vor dem Faschismus)
FRAGMENTE ZU DEN KLEIN- INTERVIEWS
Vieles mutete in den Artikeln zu Klein wie ein Philosophieren um
die Kategorien 'Verrat' und 'Verhindern' an. Gerade der Vorwurf
Verrat wird von den Gegnern der Guerilla begierig aufgegriffen,
erinnert er doch an Volksgericht - Urteil - Vollstreckung, verbreitet
Angst. Die grausame Aktion gegen Ulrich Schmücker vom 4.6.74
bietet dazu den Stoff. Keiner von uns wünscht Joachim Klein
Schmückers Schicksal. Jedoch haben hier Mächte die Bühne
betreten, auf die wir keinen Einfluß haben. Sie reichen vom
israelischen Geheimdienst Mossad, deren Killer im lautlosen Töten
geschult sind, über arabische bis zum persischen Geheimdienst.
Sicher auch verbliebene Mitglieder der Gruppe um Wadi Haddad aus
dem Irak. Hinzu kommen die deutschen Staatsschützer. Es grenzt
an Wunder, daß Joachim Klein bisher unerkannt bleiben konnte,
berücksichtigt man seine Naivität, die darin gipfelte,
nach OPEC wäre ein Sprung zurück in die Frankfurter scene
möglich.
Jenseits der Philosophie von Verrat und Verhindern steht jedoch
das folgende:
Laut Klein, so der Spiegel in seinem RZ- Report, werden die Zeillen
in der BRD noch mächtig unterschätzt. Was bedeutet denn
Kleins Hinweis gegenüber dem Spiegel anderes, als die Aufforderung
an die Staatsschützer, die RZ's künftig realistischer
einzuschätzen, sie schärfer ins staatliche Visier zu nehmen
als bisher?
Kleins zweites Spiegelinterview war der sensationsjournalistische
Aufhänger, die Vorbereitung des RZ- Reports, der von der Anklage
im sog. Düsseldorfer Entebbeprozeß gegen Gerd Albartus
und Enno Schwall herangezogen wurde. Der Prozeß in Düsseldorf
bereitet den Staatsschutzbehörden Schwierigkeiten und zieht
sich seit Januar 78 hin, weiß der Spiegel zu bemerken. Interviews
und 'Report' sollen nun Prozeßschwierigkeiten der Anklage
beseitigen. Ob das Material das hergibt, was sich die Anklage davon
versprich ist für uns eine andere Frage.
Vorweg: Wir sind für den ins deutsche übersetzte Abdruclk
des nun einmal produzierten Liberation-Interviews mit Klein, der
Hoffnung wegen, daß es eine politische Auseinandersetzung
in der durch Sprachlosigkeit gekennzeichneten Linken - über
bestehende Fraktionen hinweg - zur Gewalt, damit Widerstand und
zu den Gefangenen in der BRD und den Befreiungsbewegungen der Dritten
Welt möglich wird. Berücksichtigt werden muß, daß
das Interview in Frankreich und der Abdruck in Lotta Continlua in
Italien breite Diskussionen unter den Linken in diesen Ländern
auslöste "Exemplarische Beschlagnahmeaktionen " des
Interviews in Frankfurt während der hier stattgefundenen an
tiimperialistischen Woche sind vor diesem Hintergrund nicht nur
lächerlich, sondern Ausdruck der Hilflosigkeit, eine politische
Antwort zu finden.
Wir haben einen Tag nach dieser "exemplarischen Aktion"
versucht, mit den Akteuren zu diskutieren. Feststellbar war, daß
die wenigsten das Interview überhaupt gelesen haben. Warum
auch "Staatsschutzprodukte" gehören vernichtet und
nicht gelesen.
Es erscheint uns aber zu billig, schlägt man verbal auf die
Akteure dieser Aktion ein und Die Liberation veröffentlicht
ein Interview von Hans- Joachim Klein mit Jean Marcel Bourgreau.
Der Pflasterstrand übersetzt diesen Artikel und veröffentlicht
ihn in einer Auflage von 5000. Wir fragen uns, was dieses Interview
so interessant macht.
- soll es vielleicht den Niedergang des genossen Klein dokumentieren?
- oder vielleicht den bankrott des linken Journalismus?
- oder vielleicht den Konkurs des Konzept Stadtgueilla?
Normale Bewertungskriterien lassen sich hier nicht finden.
Es sei denn: Emotionen.
Der Stinknormale frankfurter Typ, als der sich H.J. Klein bezeichnet,
hat sich auf die Rolle des prinzipiellen Verrates begeben. Prinzipiell
an seinem Prinzip.
Er will, was das BKA auch will, nämlich Genossen davon abhalten
in die Stadtguerilla zu gehen; dabei greift er zu der gleichen Methodik,
die das BKA auch anwendet. Nämlich: ein Brei aus hören
und sagen, aus subjektiver Einschätzung, und nicht zu letzt
aus Denunziationen, zunächst denunzieren- der Schock!
Als der erste Brief im Spiegel erschien, wo er seine Knarre abgibt
und seinen Ausstieg aus der Guerilla zu erklären versuchte,
um seine Ernsthaftigkeit unter Beweis zu stellen, in dem er die
Anschläge auf Galinsky etc. platzen ließ, ist unter dem
Eindruck von Entebbe schon zu erklären. Uns interessiert dieser
Aspekt zunächst nur beschreibend.
Uns wird gruselig, denken wir an die Steigerung, die die Interview-
Serie Kleins erfahren hat.
An Anfang stand das "ehrenhafte" Motiv, wo es um die
"Sache" und nicht um Personen gehen sollte. Doch schon
im nächsten Interview ging es um die Person eines arabischen
Kämpfers (wie sie genannt werden), der zwar nicht genannt wurde,
doch wovon jeder wußte, wer gemeint war. Klein hatte die "noble
Geste" des "ich sage nichts" drauf. Schon im nächsten
Interview fallen die ersten Namen. Eine erschreckende Tatsache,
wenn wir die Geschichte bis hinten durchdenken. Fiktiv. Zuerst verbrät
H.J.K. die Namen von Genossen außerhalb Deutschlands; dann
diejenigen die bereits tot sind (Boese und Kuhlmann) und nebenbei
fällt - ach verdammt - ein Name eines Genossen, der noch -
dem droben seis gedankt - unter uns lebt. Ein perfider Aspekt? Bei
der Perspektive, daß wenn Klein so weiter macht, auch die
Namen von Genossen fallen, die bereits jetzt schon sitzen ( teilweise
sogar für den Rest ihres Lebens) kriegen wir Angst.
Klein steht unter Zuzwang, sein "Publicity" wird sich
nur durch die "neue Qualität" durchziehen lassen.
An diesem Punkt unterscheidet sich linker Journalismus wenig von
dem des bürgerlichen, die Sensation machts. Welche Sensation
hat Klein denn noch zu bieten? Sein Wert auf dem Markt ist gesunken,
er muß sich eine neue Storry einfallen lassen, auf wessen
Kosten? Auf unsere, aber auch vor allem sind Namen, Namen, Namen
wichtig. Alle Welt, die bürgerliche oder die Linke, warten
darauf. Und er, er ist der Mittelpunkt. Das kann aber nur der erste
Aspekt sein. Es gibt noch einen anderen, z.B. die Frage: wie geht
er mit Informationen um? Während er sich im ersten teil des
Interviews als der Insider gibt, der alles weiß, tut H.J.K.
in der Geschichte, was z.B. Stammheim angeht, als wäre er direkt
nebenbei gesessen. Er mißbraucht sein Wissen, um Sachen, die
für ihn nur Spekulationen sein können, um anderen Leuten
Sensationen bieten zu können, das nennen wir Verkommenheit.
Es wäre falsch, H.J.K. die Schuld allein dafür aufzubürden,
denn das hieße seinen Interviewer aus der Kritik herauszunehmen.
Er ließ es zu, daß eine Geschichte herauskam, die in
ihrer Machweise sehr an Boulevard- Journalismus erinnert. Ein Machwerk
aus überdrehter Emotionalität (d.h. nicht, daß wir
gegen Emotionen sind), wo die Priorität nicht auf einer analytischen
Aufarbeitung subjektiver und objektiver Faktoren, die Klein in die
Stadtguerilla gebracht haben, besteht.
Objektiv in dem Sinne: wo liegen die politischen Tatsachen z.B.
auch in einer Scene, aus der sich Cowboy- Verhalten entwickeln kann?
(etc.) Statt dessen kommt ein Konglomerat heraus, dessen Wert sich
in den Überschriften manifestiert. Übel! Also, über
H.J.K.'s Kindheit sind wir bereits informiert, über die Brutalität
dreier Bullen gegen eine Frau auch, das Vietnam AUCH Völkermord
war, wissen wir Bescheid. Daß die Bundeswehr Scheiße
ist ebenfalls, daß es zwei Fragen der Gewalt gibt, wissen
wir auch nicht erst seit dem Kein- Interview. Ebenso wissen wir,
daß Klein ein anständiger Klopper war.
Wie viele in Wien dabei waren, ist ein Frage, die ihm nicht die
Linke stellt, sondern andere. Daß es in der OPEC- Aktion um
politische Geschichten ging, müssen wir dankbar zur Kenntnis
nehmen.
Daß Carlos nur via Übersetzer mit H.J.K. babbeln konnte,
ist vielleicht auch nicht besser, denn wer weiß, was er noch
hätte alles mißverstehen können. Er hat geschossen?
So naiv kann doch Joachim nicht sein, denn er muß sich im
klaren darüber gewesen sein, daß dies hätte passieren
können. Zumal bei einer solch dicken Nummer.
Es gibt die Verflechtungen, die uns eigentlich nicht neues sind,
Veröffentlichungen darüber gibt es mehr als genug. Dies
allerdings als Funktionalisierung darzustellen, besonders in solch
abstrakter Weise, halten wir für sonderbar, denn genau an diesem
Punkt wäre es an dem Begriff proletarischer Internationalismus
in seiner konkreten Ausprägung bis hin zur tatsächlichen
Funktionalisierung zu diskutieren gewesen.
Den Interviewer hat dies wahrscheinlich nicht sonderlich interessiert.
Verdammt. Leben wir hier im informationspolitischen Disneyland,
wo sich nur Schatten- oder Lichtseiten von Politik aus allem herausfixen
lassen.
Nur gut, daß wenigsten der stink normale Typ, an der Entebbeaktion
nicht teilgenommen hat. Er deutet sein Unverständnis in Bezug
auf Boese und Kuhlmann an, sagt aber nichts dazu, welche Strukturen
die Bedingung dafür waren. Wir sind uns keineswegs sicher,
ob H.J.K. nicht auch auf die Selektion der Passagiere eingestiegen
wäre. Denn wir glauben, daß unreflektierte Revolutionsträumereien
AUCH mit ursächlich für solche Geschichten sind. Daß
Joachim auch ein Revolutiosträumer war oder auch noch ist,
entnehmen wir dem Interview. Wir zweifeln an seiner Glaubwürdigkeit,
wenn ein Genosse aus Blindheit an einer Aktion wie OPEC teilnimmt
und sich so ganz selbstverständlich hinsetzt und so tut, als
wäre es für ihn ein Unding! Denn mit der gleichen Blindheit
hätte er möglicher weise an der Selektion teilgenommen.
Er soll an sich selbst hinterfragen, was in Entebbe passiert ist!
Wir werden uns ersparen, noch weiter auf seine Schreibe einzugehen,
uns würde vielmehr interessieren, was er nicht (gefragt) oder
gesagt hat; so wie er schreibt oder schreiben läßt, hört
es sich nach dem naiven, politisch unnützen Klein an. Das Opfer,
das beschreibt was er nicht wollte - aber nichts von dem herausläßt,
was er überhaupt wollte oder will.
Des weiteren: kein Blick auf die Kämpfe im Nahen Osten. Kein
Wort davon, wie die Menschen in Palästina Tag für Tag
um ihr überleben fighten müssen. Auch wird nichts von
den Massakern, denen die Palästinenser seit Jahren (10 und
mehr) ausgesetzt sind. Ob H.J.K. versteht, worauf wir hinaus wollen?
Wenn er dazu nichts zu sagen hat, kann er sich in Zukunft alles
schenken. Wir haben keine Lust mehr, Gesabber zu vernehmen, bzw.
zusehen zu müssen, wie er sich vermarktet.
Nächste Seite: in Frankfurt findet ein "anti- imperialistische
Kongreß statt, wo sich "Anti- Imperialisten" aus
ganz Deutschland und dem nahen Ausland treffen.
Als bekannt wird, daß die Klein- Dokumentation raus ist;
wird die Karl- Marx- Buchhandlung Ziel einer Beschlagnahmeaktion,
der die Klein- Dokumentation und Bommi "Wie alles anfängt"
zum Opfer fallen; das Gleiche soll im Druckladen und Pflasterstrand
passieren. Die Aktion fällt auf Unverständnis und der
bogen von Bullenaktion bis faschistisch gezogen. Wir glauben, daß
die Aktionisten einfach die Verhältnismäßigkeit
aus den Augen verlohren haben. Von allen Paralelen halten wir alle
zum Teil berechtigt.
Ein wenig erinnert die Aktion an etwas "volkssanitäres",
was besagt, daß einfach bestimmte Auseinandersetzungen mit
allen Mitteln verhindert werden müssen. Im Faschismus wurden
öffentlich Bücherverbrennungen abgehalten, in den letzten
Jahren verhindert der Staat Auseinandersetzungen durch den § 88a
und aller neustens werden die Sachen gleich vin den Linken selbst
beschlagnahmt. Deutlich muß gesagt werden: wer sich als Bulle
aufspielt, wer entscheidet, was gelesen werden darf und was nicht,
muß sich gefallen lassen auch als Bulle bezeichnet zu werden.
- Hier als linker Bulle oder?
Mit keinem Wort ist von den Beschlagnehmern bisher klar gemacht
worden, wie sie die Broschüre einschätzen bzw. und wo/
wie eine Auseinandersetzung politisch zu führen sei.
Vereinzelt ist von "exemplarischer Aktion" die Rede.
Ansonsten tun sie so, als wäre die Klauaktion für sich
genommen schon politisch genug, und keine diktatorische Angelegenheit.
Wollen sie aufzwingen was wir zu lesen haben? Das hieße, Mäuler
zu nähren und Gehirn abschalten. Hier fällt die Doppelbödigkeit
der Aktion auf, sie begreifen nicht die Dimension ihres Verhaltens.
Sie reden von desorientierung der Gefangenen (deren Interessen
sie zu vertreten uns vorspiegeln, weil sie laut BKA, "die Zellen
dicht gemacht" kriegen. Darunter fällt auch die zensur
von Büchern, linken Zeitschriften. Sie verweisen auf Begründungen,
die fadenscheinig sind und das gleiche beinhalten "die Sendung
ist tendenziös", "stört sie Sicherheit und Ordnung
der Anstalt"....."hat einen unguten Einfluß öauf
die Gwefangenen und verhindert ihre Sozialisierung". Frage
liegt auf der hand: meint ihr das Klein- Interview hätte ungünstige
Einflüsse auf uns Leser - oder haltet ihr uns für unmündig,
so daß ihr uns vorschreiben müßt, was wir... oder
mit was wir uns auseinaderzusetzen haben. Diese Tendenz steckt in
eben eurem Leben. Wir denken, wenn ihr die artikel nur mit sorgfalt
gelsen hättet, die ihr vorgebt für die gefangenen zu haben,
wäret ihr davon abgerückt, ins Arsenal der Kriegsführung
gegen linke zu greifen
Diese Kritik berücksichtigt nicht das Klima in der Frankfurter
Linken, das solche Actions mitproduziert. Nicht- Abdruck etwa von
,Artikeln und Erklärungen zur und von der Guerilla, mit dem
lapidaren Satz, all dies würde der "Scene" eh zum
Hals raushängen, die Stadtguerilla als Killer und durchgeknallte
Cowboys denunzieren, den "Todestrip" in allen Varianten
für die Guerilla konstatieren, als wüßte jemand
in unser aller Hoffnungs - und Ratlosigkeit und Passivität
und Rückzug, was "'Lebenstrip"' wäre, Leben
um jeden Preis doch sicher nicht, Zum anderen Klatschgeschichten
und in Frankfurter Kreisen denunziatorische Listen, wenn nicht real
schwarz auf weiß, so doch in ihren Köpfen zusammengestellt.
Ist denn dies alles vergessen?
Neuanfang -nun gut, Idee einer Amnestiekampagne, sicher diskussionswürdig,
aber Genossen, doch nicht so! (siehe Tageszeitung Nr. 2), Amnestieforderung
für die Genossen, die sich von der Guerilla losgesagt haben
und die Perspektive Lebenslang für die anderen, unter Überwachung
der Haftbedingungen einer "unabhängigen" Kommission.
Selektion der Gefangenen - mehr als finster!
Nun zurück zum Klein:
Wesentlich für uns ist doch die Frage, wie es möglich
ist, daß ein Frankfurter Bub, ein Militanter, in die internationale
Guerilla reinpurzelt und erschreckt wieder heraustaumelt. Von dem,
was Klein in seinen Interviews zum 'besten' gibt, wird deutlich,
daß er vom palästinensischen Widerstand, auch wenn er
mit irgendwelchen Scheichs Tee getrunken haben will, nichts, aber
auch gar nichts begriffen hat. Und daß trotz dieser Begriffslosigkeit
ein Wadi Haddad in der Art mit ihm zusammenarbeitete, daß
Joachim Klein an der OPEC-Aktion teilnahm. Wenn eine internationale
Guerilla, und nicht nur die, mit einem "potentiellen Verräter"
zusammenarbeitet, so ist doch zu fragen, welche Strukturen dies
ermöglichten, denn Unwissenheit - folglich Unsicherheit und
damit angelegter Rausflipp ist doch eine Binsenweisheit. die Frage
also nach dem produzierten Verrat.
Weiter. Klein stellt die Beziehung der deutschen Guerilla zu der
palästinensischen Gruppe um Wadi Haddad als eine abhängige
dar, Sie soll sich derart niederschlagen, so Klein, daß bei
logistischen Problemen Hilfe erfolgt unter der Bedingung diktierter
Aktionen. Wer soll zu diesem mit Anekdoten angereichertem Vorwurf
etwas sagen? Haddad starb in Ost- Berlin, die palästinensischen
Genossen und Guerilla hier werden ihre Formen der Zusammenarbeit
nicht öffentlich zur Diskussion stellen - und wir waren nicht
dabei, Kleins Vorwurf der Funktionalisierung macht uns jedoch hellhöriger,
und das ist gut so.
Historische Beispiele über Abhängigkeit und Funktionalisierung,
etwa Komintern- Politik gegenüber den Anarchisten während
des spanischen Bürgerkriegs, sind bekannt. Verhängnisvoll
ist es jedoch, historische Ereignisse platt auf aktuelle Abläufe
zu übertragen. Wie rasch werden von vielen, die es besser wissen
konnten, Funktionalisierung durch Abhängigkeit, eiskalte Machtpolitik,
der Vorwurf des Stalinismus konstatiert, um ihre Ignoranz gegenüber
Befreiungsbewegungen der Dritten Welt zu kaschieren. Von Tel Al
Zaatar, Südafrika bis Persien und Nicaragua zieht sich in der
"Scene" ein roter Faden der Gleichgültigkeit und
Ignoranz, Es ist eher die Frage "Was hat dies alles mit mir
zu tun?" - zu hören als zumindest Betroffenheit zu fühlen.
Über eines sind wir uns doch wohl im klaren: Befreiungsbewegungen
sind keine Maffia- clans!
Während der antiimperialistischen Woche in Frankfurt wurde
in den verlesenen Beiträgen der weltweite Bogen gespannt. Etwa
so, daß der bewaffnete Kampf der Guerilla in den Metropolen
des Imperialismus als die 2. Front des weltweiten Antiimnperialistischen
Kampfes zu begreifen ist, Während die Befreiungsbewegungen
der Dritten Welt die 1. Front im Krieg gegen den Imperialismus bilden.
Diese programmatischen allgemeinen Aussagen lassen und ließen
auch während der antiimperialistischen Woche in Frankfurt alle
konkreten Fragen unbenannt.
Am Beispiel der palästinensischen Revolution versuchen wir,
einige wesentliche Unterschiede zwischen "1. und 2. Front"
zu benennen. was in diesem Rahmen nur verkürzt geschehen kann.
Zunächst ist davon auszugehen, daß sich der palästinensische
Widerstand aus den verschiedensten politischen Richtungen zusammensetzt,
worauf die Existenz der verschiedenen Gruppen und Organisationen
hinweist. Diese Gruppen operieren von verschiedenen arabischen Ländern
aus und unterhalten zum Teil unterschiedliche Beziehungen zu den
einzelnen arabischen Ländern und auch zu revolutionären
Organisationen in Europa. Die politischen Richtungen reichen von
Nationalisten- Nasseristen über ML'er. Aller Schattierungen
bis hin zu libertären Kommunisten, deren aller Gemeinsamkeit
in der Zerschlagung des zionistischen Staates Israel und der Wiedergewinnung
ihres besetzten Landes Palästina liegt. Die PLO als Dachorganisation
der verschiedenen politischen Gruppen führt einen Kampf auf
militärischer Ebene (bewaffnete Aktionen in den besetzten Gebieten),
sozialer Ebene (Aufbau von Schulen und Kindergärten in den
Lagern, Gesundheitsversorgung, Roter Halbmond, Unterstützung
der Familien von gefallenen oder gefangenen Genossinnen und Genossen),
in wirtschaftlichen Bereichen (Aufbau von Produktionsstätten
wie etwa Samed) und politischer Ebene (weltweite Anerkennung der
PLO).
Die palästinensischen Genossen knüpften zunächst
an nationalen Elementen an, etwa dem Flüchtlingsstatus und
der Rückgewinnung der verlorenen Heimat, mit dem Ziel der Mobilisierung
der in Resignation verfallenen und über verschiedene arabische
Länder zerstreut in Flüchtlingslagern lebenden Palästinenser.
Also: NATIONALER Befreiungskampf zur Zerschlagung des Staates Israel
mit dem Ziel Bildung eines unabhängigen und demokratischen
Staates in Palästina.
Die Unterschiede zur "2. Front" liegen nach diesem kurzen
Absatz auf der Hand. Massenhafter nationaler Befreiungskampf des
palästinensischen Volkes auf allen Ebenen, während in
den Metropolen die Stadtguerilla isoliert als INTElRNATIONALISTEN
bewaffnet kämpft und deren Aktionen im wesentlichen auf die
Befreiung gefangener Genossen abzielen, während eine Verbindung
von Guerilla und Massenperspektive noch in weiter Ferne liegt.
Die palästinensischen Genossen richten sich natürlich
nach ihren Zielen, verfolgen ihre Strategie, wie kompliziert sich
ihr Kampf darstellte, zeigt sich im Libanon, wo die Existenz der
palästinensischen Revolution auf dem Spiel stand. Ein Konglomerat
aus reaktionären arabischen Regimes, libanesischen Faschisten
und deren internationale Söldnereinheiten, hauptsächlich
französische Ex- Legionäre, zionistische Eliteeinheiten
mit US-amerikanischer und westdeutscher Unterstützung, versuchte,
den bewaffneten Befreiungskampf ein für alle Mal zu liquidieren.
Höhepunkt des Vernichtungswillens bildete das Massaker in dem
dem Erdboden gleichgemachten Flüchtlingslager Tel Al Zaatar.
Trotz ihrer relativen Machtposition und ihres Apparates ist des
den palästinensischen Genossen bisher nicht gelungen, mehrere
ihrer 6.000 Gefangenen aus den israelischen Knästen zu befreien.
Bei einem Blick auf unsere Möglichkeiten zur Befreiung der
Genossen aus bundesrepublikanischen Knästen bei vorhandenen
Kräfteverhältnissen und gleichzeitiger systematischer
Liquidierung der Gefangenen tritt mehr als Ratlosigkeit auf. Hier
hat die Diskussion weiterzugehen.
Absicht für unseren Artikel und die Hoffnung, die wir damit
verbinden, ist es, von den diversen Klein- Interviews und den bisher
geschriebenen Artikeln darüber wegzukommen hin zu einer Auseinandersetzung
über politische Intervention, die sowohl der Stadtguerilla
und unser Verhältnis zu unseren gefangenen Genossen als auch
die Befreiungsbewegungen der Dritten Welt zum Inhalt hat.
Früher hieß sowas 'Strategiediskussion' (proletarischer
Internationalismus). Notwendig für diese Auseinandersetzung
ist es, die von der Liberation abgewiesene RZ- Erklärung zum
Klein- Interview abzudrucken (über Liberation's Ablagekorb
habt Ihr im Pflasterstrand aufgrund eurer guten Beziehungen doch
sicherlich Zugang).
"Die russische Intelligenz hatte mir frühzeitig eingeschärft,
der Sinn des Lebens bestehe darin, daß man BEWUSST an der
Erfüllung der Geschichte teilnehme. Je mehr ich darüber
nachdachte, desto wahrer erscheint mir das. Es bedeutet: sich tätig
gegen alles zu bekennen, was die Menschen kleiner macht, und an
allen Kämpfen teilzunehmen, die darauf abzielen, sie zu befreien
und größer zu machen. Daß diese Teilnahme unvermeidlich
von Irrtümern befleckt wird, mindert nicht ihren kategorischen
Imperativ; es ist ein schlimmer Irrtum, gemäß den von
Unmenschlichkeit befleckten Traditionen nur für sich zu leben."
(Victor Serge "Erinnerungen eines Revolutionärs 1901
-1945)
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