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Frauenmilitanz und Stolpersteine
Im Laufe der Jahre hat es uns öfter verunsichert, daß
militante Aktionen mehr aus der gemischten Szene kamen als aus FrauenLesbenzusammenhängen.
Erfahrungsgemäß überlegen Frauen oft sorgfältiger
als Männer das Was, Wo und Wie ihrer Aktionen, weil sie ihren
Frauenstandpunkt deutlich machen und nicht in den gewohnt- gemischt-
männlichen Mustern agieren wollen - vielleicht sind es auch
deswegen weniger Aktionen. Oft werden Aktionen von FrauenLesben
auch nicht einer breiteren Offentlichkeit bekannt, so daß
ein "Weniger" auch ein Trugschluß sein könnte.
(Dabei wäre das Wissen über Aktionsideen für "Nachahmerinnen"
durchaus inspirierend.) Im Hinblick auf unsere eigene Praxis und
unsere geringe "Verbreiterung" haben wir immer wieder
diskutiert, ob unser Weg noch zu sehr von "traditionell männlichen"
Strukturen und Verhaltensweisen geprägt ist bzw. von FrauenLesben
von außen so wahrgenommen und deshalb vielleicht als Weg von
vielen abgelehnt wird. Es ging uns in unserem Zusammenhang und in
unserer Praxis auch immer darum, patriarchale Zuschreibungen von
männlichen und weiblichen Eigenschaften / Handlungsweisen aufzubrechen,
sie zu überwinden und jenseits von ihnen unsere eigenen - feministischen
-Möglichkeiten zu entwickeln. So wenig neu und so schwierig
das ist, so sehr bleibt es eine spannende Herausforderung, eine
ständige Gratwanderung: Verhaltensmöglichkeiten, die uns
vorenthalten werden, aufzugreifen, ohne in eine Übernahme "männlichen"
Verhaltens zu verfallen; im Bewußtsein als Frauen zu handeln,
ohne damit "Weiblichkeit" zu konservieren ...
Militanz auf verschiedensten Ebenen ist uns als Frauen sicherlich
nicht anerzogen worden. Fällt es Frauen deshalb schwerer, bestimmte
Aktionsformen aufzunehmen? Die meisten von Uns haben Schwierigkeiten
mit einer direkten gewaltsamen - physischen wie psychischen - Konfrontation
mit dem Gegner. List und "Heimlichkeit" sind dagegen altbewährte
Frauenmittel. "Heimlichkeit" ist auch ein Merkmal unseres
Agierens, aber damit verknüpfen wir Angriff und Sabotage -
das haben wir als eigenes Verhalten nun überhaupt nicht erlernt.
Es sind eher "männliche" Verhaltensattribute, die
mit unserer Politik und Organisierungsform verbunden werden könnten:
Abenteuer, Heldinnentum, Technikverständnis; vieles davon ist
verbunden mit einem Mythos, weniger mit der Realität. Spannend
ist es schon manchmal, ob etwas klappt, vieles ist aber eben von
Geduld, Ausdauer und Kleinkram bestimmt. Technikverständnis
prägt unsere Praxis ebenfalls nicht einschneidend. Meist sind
es begrenzte konkrete Anforderungen und Fragen, die frau erfassen
und lösen kann, wenn sie sich mit Interesse und einem Ziel
vor Augen daran begibt.
Weitere Zuschreibungen/Ansprüche könnten sein: Einzelgängerinnentum,
Sich- Heraushalten aus sozialen Verpflichtungen und Verbindlichkeiten
in Beziehungen und Freundschaften, die verminderte Bereitschaft,
sich auf diese einzulassen, Abstraktionsvermögen, nicht spontan,
"aus dem Bauch heraus" handeln, sondern langfristig planen,
keine kurzfristigen Erfolgserlebnisse und Aktionsmöglichkeiten,
Auseinandersetzungsbereitschaft über Theorien und Strategien
politischen Handelns ... Vieles davon hat Ähnlichkeiten mit
dem Lebensentwurf für Männer in dieser Gesellschaft: Leben
wird funktional geteilt, und man entledigt sich sozialer und reproduktiver
Verantwortungen aller Art, für möglichst effiziente Leistung
und Durchsetzung in voneinander isolierten Bereichen (Beruf, Freunde,
Familie, Politik, Freizeit...).
Ergebnis dieses Prinzips, in das auch wir Frauen eingebunden sind,
ist eine Zerstückelung des sozialen/gesellschaftlichen Lebens
in lauter Einzelbereiche, die alle den Maßstäben von
Funktionalität unterliegen (und die wir nicht mehr miteinander
verbunden kriegen).
Dieser Zustand unserer Gesellschaft prägt auch die Art, wie
hier Politik organisiert und gemacht wird: Persönliches, soziales
Leben und Politik sind häufig getrennt voneinander, die politischen
Anforderungen oft funktional: z.B. möglichst einplanbar und
fit zu sein (Krankheit stört).
Merkmale dieses Prinzips sind eindeutig in unserer Politik enthalten.
Die Bedingungen von Klandestinität zum Schutz vor Repression
verschärfen zusätzlich Trennungen zwischen unserem sozialen
und politischen Alltag und unserer Rote- Zora- Realität.
Aber das ist kein Zustand.
Natürlich versuchen wir, gegen diesen Strom zu schwimmen:
wir agieren kollektiv, mit einem guten Gefühl zueinander. Wir
stärken uns gegenseitig in unserer Frauenidentität. Und
unsere Frauenidentität bestimmt unsere Politik.
Wir leben alle möglichen persönlichen und politischen
Beziehungen, schaffen uns Raum für Persönliches, Lebendiges,
Schönes, Reproduktives in unserer Politik, die davon nicht
unbeeinflußt bleibt. All das läßt Aktionen gelingen.
Langfristige Planungen, Durchhaltevermögen und Geduld gehören
zu unserem politischen Selbstverständnis und sind gleichzeitig
zu unserem Schutz notwendig, was sich eindeutig öfter gegen
die Spontaneität richtet.
Sind diese Widersprüche, die zu unserem Leben gehören,
ein Grund, warum wenige FrauenLesben den Schritt zu uns oder zu
einer ähnlichen Organisierung machen? Widerspricht das einer
'ganzheitlichen' Vorstellung von Politik/Leben? und/ oder liegt es
auch daran, daß viele Frauen sich lieber in gemischten Zusammenhängen
organisieren, um den gewohnten durchstrukturierten Rahmen linker
Politik nicht zu verlieren, anstatt sich in FrauenLesbenzusammenhängen
auf neue Gleise, auf Auseinandersetzungen unter Frauen und einen
eigenverantwortlichen Umgang mit Unseren Zielen als FrauenLesben,
aber auch mit Unterschieden unter uns einzulassen?
Viele Fragen, die uns weiter beschäftigen werden, zu denen
wir uns Kommentare, Rückmeldungen, Ideen und Positionen wünschen
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