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WAS IST PATRIARCHAT?
Anmerkung zu einem "Diskussionsbeitrag der Revolutionären
Zellen" in der Interim Nr. 42
Zunächst einmal: Es ist immer richtig eine Diskussion über
das Patriarchat anzuschieben - auf allen Ebenen, in allen Lebens-
und Arbeitszusammenhängen. Insofern ist auch das Patriarchatspapier
als ein erneuter Versuch der Wiederbelebung einer bereits totgeglaubten
Diskussion zu betrachten und nicht einfach mit Bemerkungen ( schon
dagewesen, alles abgeschrieben, etc. ) wegzuwischen. Für die
breiteren Massen ( also uns z.B. ) allerdings ist dieses Papier
nicht nur unverständlich sondern auch in der Antwort auf seine
Fragestellung ungeeignet. Doch dazu später mehr.
Bleiben wir in unserer Kritik erst einmal bei der "Form".
Anknüpfend an obig bemerktes scheint uns dieses Pamphlet vielleicht
eher eine Antwort auf interne Probleme von Euch denn eine generelle
Betrachtung zum Thema zu sein. Dies wird vor allem im zweiten Teil
deutlich:
Hier finden wir einen nahtlosen Übergang von einem so nicht
zu haltenden theoretischen Ansatz zur Reproduktionsarbeit der Frau
via Gleichheitsversprechen hin zu linken männlichen Herrschaftsidyllen.
Eine solche Herleitung klammert Frauen mit ihrer eigenen Geschichte,
Kultur und Beziehungen, also Identität, völlig aus. Es
bleibt alleine ungenügend, Frauen in einer solchen Untersuchung
lediglich als Opfer, als restlos entwertete "Geschöpfe" patriarchaler
Unterdrückungs- und Verwertungsmechanismen zu "erledigen".
Dies kann weder mit einer solche Ansätze von Analysen problematisierenden
Einleitung noch mit der Begründung, es handele sich ja um ein
Papier über "das Patriarchat", bzw. dem Verschwinden von Frauen
darin, entschuldigt werden. Zwar wird von der sexuellen Differenz
und dem "weiblichen Geschlecht innewohnenden Vermögen" gesprochen
- allerdings in einer ziemlich verobjektivierenden und versächlichenden
Sprache.
Wir würden daher sagen: Dieses Papier ist so geschrieben,
daß es eine beliebige Interpretation über männliches
Verhalten, insbesondere das des "revolutionären Mannes", zulässt.
Die Präzisierung der Forderung, der historische Mann gehöre
endgültig abgeschafft, wird vermieden. Eine solche Präzisierung
kann auch gar nicht in ein paar Zeilen geleistet werden, sondern
ist Aufgabe eines langwierige Lern- und Auseinandersetzungsprozesses
in sozialer Konfliktualität; ob in gemischten Gruppen oder
unter Männern sei erstmal dahingestellt.
Welche Erfahrungen ihr, die ihr als gemischter Zusammenhang vorgebt,
diesen Prozeß gemacht zu haben, dabei gesammelt habt, welche
Konsequenzen gezogen, bleibt der geneigten LeserInnenschaft verborgen.
Wird hier nicht unter dem Deckmantel einer absolut notwendigen
und existentiellen Auseinandersetzung versucht, einen internen Machtkampf
nach außen hin zu verkaufen?
Und so stellt sich letztlich nochmals die Frage: Für wen ist
dieses Papier eigentlich geschrieben worden?
Bleibt, die Form betreffend, die Kritik an der Sprache - ein Ausflug
in das Reich des Bedeutungsvollen, in die Sümpfe der Assoziationen
von schon mal Gehörtem, gerade noch verständlich für
einige "autochtone" Intellektuellenstämme. Für die breite,
gemeine LeserInnenschaft bedeutet es eher ein hektisches Nachschlagen
in diversen Fremdwörterlexika - mit mehr oder weniger Erfolg.
Kommen wir zur inhaltlichen Kritik.
Der erste Teil ist ein Versuch der Beschreibung des patriarchalen
Ausbeutungsverhältnisses, charakterisiert als Geschlechtsverhältnis
(Raumordnung als Geschlechtsordnung, Internierung, Reproduktion
der Gattung) , die dreifache Unterdrückung der "schwarzen Töchter
Afrikas". Mit der systematischen Zerschlagung ihrer Lebenszusammenhänge
und Deportationen wird die "eigentliche Arbeit von Frauen" - die
"Produktion der Gattung" - restlos kapitalistischen Verwertungsinteressen
untergeordnet. Am Beispiel Südafrikas soll eine analytische
Grundlage geschaffen werden, die als Maßstab für die
weltweite Unterdrückung von Frauen durch Reproduktionsarbeit
als gesellschaftliche Vernutzung dienen soll. Frauen verschwinden
darin, werden als Wesen unsichtbar gemacht, radikal und bis zur
Unkenntlichkeit entwertet. Sie sind fremd ihrer Arbeit gegenüber,
der Arbeit, die ihnen aufgrund biologischer Tatsachen "ins Fleisch
gebrannt" wurde, aus der Extraprofit gezogen wird, die immer und
ewig als existentielle Mehrarbeit besteht, "jenseits aller Herrschaftsverhältnisse".
So jedenfalls der zweite Teil , der als Konsequenz die Abschaffung
des historischen Mannes zur Befreiung von Frauen fordert. Oder etwa
nicht?
Genauso stimmt es nicht, führt es völlig vorbei an der
unterschiedlichen Realität von Frauen im Trikont und in der
Metropole.
Männer arbeiten, ob weiß oder schwarz, an der Unterwerfung
von Frauen in ihren Herrschaftsgefüge. Sie versuchen, die den
Frauen eigenen "biologischen Tatsachen" für Extraprofite zu
funktionalisieren. Und auch der emanzipatorische Ansatz von linken
Männern mit ihrem Gleichheitsversprechen ist letztlich ein
besitzergreifender, weil nach männlichen Masstäben formuliert.
Wer aber hier von dem "Verschwinden aller Frauen" schreibt, Frauen
als Opfer, letztendlich auch als ewige Opfer ihrer eigenen Körperlichkeit
begreift , der negiert, dass es gerade trotz alledem weltweit eine
soziale, politische und kulturelle Identität von Frauen gibt.
Eine Identität, die gerade aus dem Bewusstsein "sexueller Differenz"
entsteht, eine Identität, die das Gebären mit Sicherheit
nicht nur im klassisch reproduktiven Sinne oder aus Beauvoir's biologischem
Ansatz heraus begreift ( siehe auch das Kritikpapier in der Interim
Nr. 59 ). Eine Identität aber auch, die nicht aus dem ständigen
Verschwinden und Wiederauftauchen von Frauen gegenüber den
Wertmasstäben des Mannes entsteht, sondern vielmehr aus sich
selbst heraus, aus den Beziehungen auch nur unter Frauen. Dies ist,
wenn wir es richtig verstanden haben, die Bedeutung des "affidamento"
der Italienerinnen (Wie weibliche Freiheit entsteht, Libreria delle
Donne, Milano) , dies haben Angela Davis für schwarze Frauen,
Nawal el Saadawi in "Tschador" , schiitische weibliche Mullahs mit
ihren sozialrevolutionären Auslegungen des Korans (Autonomie
5/79), palästinensische und lateinamerikanische Frauen zu ihrer
Rolle und Bedeutung in revolutionären Bewegungen immer wieder
versucht zu beschreiben - ihre autonomen Beziehungen, Lebenszusammenhänge
und Kämpfe um ihre Befreiung.
Und es gibt eine klare Abgrenzung dieser Frauen zu westlichen oder
eurozentristischen Sichtweisen, die sie allein und ausschliesslich
als Opfer imperialistischer Männerkriegsschauplätze sehen
möchten. Keine uns bekannte feministische Theorie, ob über
die Parallelität von internationaler Verwertung und Hausarbeit
in der Metropole, ob über Reproduktionstechniken oder Bevölkerungskontrolle
oder internationalen Frauenhandel, geht so weit und deklassiert
Frauen dermaßen. Wieso sollte sie auch.
Ihr hingegen arbeitet an dem Verschwinden letztendlich mit. Kein
Wort über einen weltweiten Widerstand von Frauen gegen ihre
Unterdrückung. Aber noch viel auffälliger: keine Silbe
über Frauenwiderstand hier, noch nicht einmal über eine
offensichtlich mit euch "befreundete" Frauenorganisation, auch nicht
nachdem BKA und BAW am Verschwinden des Frauenwiderstandes arbeiten.
Wer, wenn nicht ihr, hätte darüber schreiben müssen.
Bleibt als Fazit: "Das Ende der Frauenausbeutung bedeutet das Ende
der Möglichkeit, aus der existentiellen Mehrarbeit der Frauen,
Männermacht zu schlagen". Und dazu gehört ebenso die Entlarvung
linker männlicher Herrschaftsidyllen - des Gleichheitsversprechens.
Sicher: "Der Mann ohne Macht - das ist das Ende des historischen
Mannes". Soweit einverstanden. Eine Notwendigkeit, an der Männer
untereinander zu arbeiten haben, wobei sie sich in ihrer Auseinandersetzung
auf autonome Frauenkämpfe zu beziehen haben. Diese Notwendigkeit
sollte ein Ergebnis einer radikalen Auseinandersetzung zwischen
Männern über Machtansprüche, Konkurrenzen, Lebensstrukturen
und ihre Sexualität sein.
Eine solche Auseinandersetzung zwischen Frauen und Männern
kann nie die Notwendigkeit von autonomen Frauenkämpfen ersetzen,
auch nicht Gegenstand von Diskussionen und Prozessen zwischen Frauen
sein.
Indem das Pat.-papier die Konsequenz umgangen hat, autonome Frauenkämpfe
zu erwähnen oder zu beschreiben, umgeht es einerseits eine
Auseinandersetzung, die noch zu Ende zu führen ist: Inwieweit
überhaupt Frauen in gemischten Gruppen arbeiten können,
oder nicht besser eine völlige Trennung erstmal die Konsequenz
sein muss. Andererseits entsteht der Eindruck, als ob mit diesem
Papier eine Konkurrenz zu den Frauenzusammenhängen aufgebaut
bzw. fortgeführt werden soll - eine Konkurrenz, die für
alle lediglich schädlich sein wird. Was wir nicht brauchen,
ist eine abstrakte Untersuchung über "das Patriarchat". Vielmehr
braucht die revolutionäre Linke eine interne und eine öffentliche
Auseinandersetzung und Selbstkritik über gemachte Fehler, die
nicht nur Ergebnis patriarchaler Strukturen gewesen sind, und Perspektiven,
wie die o.a. notwendigen Auseinandersetzungen in die Praxis umzusetzen
sind.
Zum Schluß:
Wir würden Euch gerne, wie schon so oft, nacheifern, aber
das WIE ist uns unklar. Nur eines ist uns klar:
Schafft viele verschwundene historische Männer!
Rank Xerox
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