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RZ / Rote Zora

Den Mythos vom Sockel stoßen

Ich möchte mit diesem wirklich sehr kurzen Beitrag ein Debatte wieder beleben, die in der Zeit der Auflösung vieler RZ- Gruppen 1991/92 sowohl in der "interim" wie in anderen sceneblättern damals geführt worden ist, und die bei der derzeitigen Soliarbeit offensichtlich in Vergessenheit geraten ist.

Denn so richtig ich die Forderung des Plakats "Revolutionäre raus aus den Zellen!" (siehe "interim" Nr. 491) finde, trägt so die bisherige Kampagne zu einer erneuten Mythologisierung der RZ und Roten Zora bei (siehe das Plakat "Jedes Herz ist eine revolutionäre Zelle" (interim-Titel in der Nr. 492).Nach jeder Reperessionswelle dominiert leider die Meinung, Kritik müßte in solchen Zeiten hinten an gestellt werden.

Die nachfolgende Fragen und thesenförmigen Formulierungen wollen und sollen zur Debatte unter den Linksradikalen anregen, welche Lehren wir aus der (eben in mancherlei Hinsicht auch falschen) Politik der RZ/Roten Zora ziehen.

In der Flüchtlingsdebatte sahen die RZ in den Flüchtlingen das neue revolutionäre Subjekt. Dies war eine plumpe Übertragung der Kampfformen von Migrationsarbeitern u.a. aus den Betriebskämpfen der 70 er Jahre in Westeuropa auf alle Flüchtlinge. Nebenbei sei daran erinnert, daß es schon vor der RZ- Flüchtlingskampagne in einigen Städten eine von vielen Linken mitgestaltete Flüchtlingspolitik gab (in Westberlin u.a. Asyl e. V.). Diese Debatte um das "revolutionäre Subjekt" wurde Ende der 80er Anfang der 90er Jahre unter den Autonomen und Linksradikalen geführt, wobei wir vom undogmatischen Flügel zum dem Schluß kamen, die Suche nach diesem Subjekt aufzugeben und einfach mit denen zusammenzuarbeiten, die sich wehren wollen und/oder was Neues aufbauen wollen. Stellvertreterpolitik sollte möglichst vermieden werden und bei "Bleiberecht für alle" ging es immer um' s Prinzip, alle Menschen haben ein Recht auf ein Leben in Würde - und zwar an jeden Ort der Welt.

Die Avantgarderolle ihrer miltanten Politik ist u.a. von Autonomen in der Vergangenheit oft kritisiert worden. Zumindest an einigen RZ- Gruppen ist das völlig vorbeigegangen, siehe das Auflösungspapier der NRW- RZ- Gruppe "Das Ende unserer Politik" (nachzulesen in der Sonderausgabe "interim 2000")

Anfang der 80er Jahre schrieb eine RZ- Gruppe "es gibt für uns kein hierachisches System von Aktionen, wo ganz unten das Flugblattverteilen steht und ganz oben die bewaffnete Aktion". Diese politische Haltung stieß auf große Symphatie bei vielen Linksradikalen. Nur blieb dieses Aussage offenkundig reine Spruchblase, wie u.a. einem Papier einer RZ- Gruppe vom März 1992 über den Militanzfetischismus in den RZ- Strukturen zu entnehmen war. Sie bleiben z.B. fast immer bei der Wahl des Sprengstoff als Mittel, was neben Waffen als Ausdruck des bewaffneten Kampfes steht.

Sie sind sozusagen selbst auf den Mythos reingefallen, bewaffneter Kampf bringt gesellschaftliche Prozesse in Gang. Dabei waren z.B. die nachgedruckten Fahrscheine damals in Westberlin und Frankfurt in den 70 er Jahren wesentlich bewegungsbezogener, aber eben auch nicht so medienmäßig aufgeplustert. Die RZ wollten eben einen Markennamen, damit ihre (häufig sehr guten) Stellungnahmen mehr politische Gewicht bekommen. Es ist leider so, wir sind selbst auch nicht weniger autoritäts fixiert aufgewachsen, aber das genau gilt es immer wieder zu durchbrechen und nicht immer wieder zu reproduzieren.

Ganz allgemein formuliert, verbietet es sich von den RZ zu sprechen, angesichts der völlig unterschiedlichen Fraktionen der RZ, Roten Zora, des sozialrevolutionären, des internationlistischen Flügels.

.Die RZ haben in den seltensten Fällen soziale Bewegungen unterstützt, siehe die Kritik der RZ- Gruppe vom März 1992.

Über die Debatten innerhalb, zwischen den Zellen kam selten was nach außen, erst in der Auflösungsphase einiger Zellen nach der historisch einschneidenden Ermordung von Gerd Albartus. Der Bruch kam u.a. zustande an unversöhnlichen Positionen zum antipatriarchalen Kampf und zu den internationlistischen, eher traditionell antiimperialistisch orientierten Gruppen, wie es im Gerd Albartus- Papier und der nachfolgenden Debatte zum Vorschein kommt.

Zu den RZ gehörte eben auch der internationalistische Flügel und deren höchst zweifelhafte und zu verurteilenden Aktionen wie dem Opec- Anschlag und der Entebbe- Flugzeugentführung bis hin zur Zusammenarbeit einzelner (damals schon ehemaliger?) RZ- Mitglieder mit politisch so obskuren Figuren wie Carlos und diverser Geheimdienste aus dem Ostblock. Auch wenn einige RZ- MitgliederInnen in ihrer Auflösungserklärung schreiben, daß etliche Mitglieder nichts davon wußten, weil sie mit den Geschichten von damals nichts zu tun hatten bzw. dem "sozialrevolutionären" Flügel angehörten, so kann doch kein Mensch so blauäugig sein, einen "Markennamen" trotzdem weiter zu benutzen, nachdem wie die RZ in den Albartus- Papier schreiben die ersten Gerüchte um die Ermordung von Gerd auskamen, bloß weil damit scheinbar ein wenig mehr Macht und Reputation verbunden ist.

Und zum Schluß ein ganz heikler, aber wichtiger Punkt: wir machen es uns zu einfach, wenn wir Verräter als Schweine abtun und nicht auch uns fragen, was hat der Verrat mit uns zu tun, mit unseren unzureichenden Strukturen, Diskussionen, dem Umgang mit dissidenten Positionen, mit unseren häufig nur sehr unterentwickelten Fähigkeiten, Gefühle und Ängste rauszulassen, unsere Kommunikationsunfahigkeiten zu hinterfragen, unserer mangelnden Befähigung psychisch einfühlsame Gespräche in politischen bzw. militanten Gruppen zu führen? Die Existenz eines Verräters oder Spitzels hinterfragt auch noch mal unser häufig funktionales Verhältnis in den Gruppen zueinander, wenn leise Zweifel an dem anderen aufkommen, uns was Komisches auffallt, wir das uns nicht getrauen zu sagen, oder wir generell gerade in Phasen hoher Aktivität das Private vom Politischen in unseren Strukturen strikt trennen. Bei Tarek zu sagen, wie in der letzten "interim", wir hatten es eigentlich schon immer gewußt (daß er gerne gegenüber FreundInnen aufschneidet) ist zu einfach und schlichtweg falsch.

Fernando & Co

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http://www.freilassung.de/div/texte/rz/int494_240200.htm