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Gerd Albartus: Offener Brief an Rudolf Raabe
Köln, 5
Gerd Albartus ist seit den 5. Januar 1977 in Haft, seit September
1979 in Köln Ossendorf. Gerd ist zu 4,5 Jahren KNAST, wegen
Mitgliedschaft in einer "Revolutionären Zelle", im
Zusammenhang mit einem Brandanschlag auf den "Entebbe-Film",
verurteilt worden.
Rudolf Raabe hat nach seiner Rückkehr aus Irland auf dem SB-Kongreß
"Großer Ratschlag" eine Rede gehalten, in der er
Gerd Albartus als einen der Gefangenen erwähnt, die krank und
in Vergessenheit geraten sind( Näheres im ID 341, in dem die
Rede abegdruckt ist).
Im Nachfolgenden veröffentlichen wir Auszugsweise die Antwort
von Gerd Albartus an Rudolf Raabe:
Rudolf,
hör auf damit, mich und andere in einer Kampagne zuverwursten,
die nicht geeignet ist, die nötige Solidarität mit uns
Gefangenen und Illegalisierten zu schaffen.
Sie schafft nur hilfloses Entstehen für diejenigen, die möglichst
unschuldig und möglichst krank sein sollten. Sie grenzt diejenigen
aus, die gesund sind und kämpfen wollen, die aufrecht bleiben,
weil das die Position ist, in der unsere Gegner gezwungen
sind, uns den Arsch zu küssen.
Du verweist auf die Kampagne, wie sie in Bezug auf dich geIaufen
ist, und stellst sie als Modell für weitere Kampagnen dar.
Du sagst, du hättest zum Glück Freunde und Genossen gekannt,
die deine Rückkehr ermöglicht haben. Diesen Selbstbetrug
kann sich heute keiner leisten: das BKA kümmert sich nen Scheißdreck
darum, ob einige tausend Unterschriften gesammelt werden. Das Kriterium
dafür, sich auf relativ freiem Fuß zu befinden wie du,
ist nicht Öffentlichkeit und auch nicht eine schwere Krankheit,
sondern Distanzierung von der Stadtguerilla und die Möglichkeit
für Baum/BKA, damit öffentlich Propaganda zu machen.
Und auch erst dann stehen die Prominenten hinter dir, dann kannst
du mit Solidarität rechnen...
Es ist kein Zufall, daß du Günther Sonnenberg, Irmgard
Möller, Hermann Feiling und mich im Zusammenhang mit noch zu
schaffender Solidarität erwähnst - es paßt in diese
Linie der 'Solidarität mit den Opfern'. Was mich betrifft,
stimmts zwar noch, daß Hermanns Aussagen gegen mich verwendet
wurden; was die schwere Nierenerkrankung betrifft, hättest
du dich besser mit mir oder den Anwälten oder dem Ruhrgebiet-
Komitee in Verbindung gesetzt: es gibt diese Nierenkrankheit zwar,
aber sie ist wohl nicht lebensbedrohend, wa. Und ein wichtiger Punkt
wird von dir unterschlagen, weil sonst deine Linie nicht durchzuhalten
wäre: im Frühjahr ging es mir bei meiner Nierengeschichte
nicht darum, sie als Vehikel für eine Entlassung zu benutzen,
sondern ganz schlicht um nicht mehr, aber schon gar nicht weniger
als um ein Minimum an Rechten für. Gefangene und ein Minimum
an fachärtzlicher Untersuchung. Da liegt auch der Unterschied
zu der Kampagne, wie sie bis zu deiner Rückkehr geführt
wurde, die mir zudem aber auch noch aus ganz anderen Gründen
Schwierigkeiten macht:
Zunächst wird ein Arzt vehement abgelehnt, weil er die rechte
Hand von Rebmann ist - bei dem darf es keine Untersuchung geben.
Kaum bist du wieder hier, läßt du dich von dem untersuchen,
ohne daß irgendwelche Kommentare abgegeben werden, warum deine
Einschätzung sich geändert hat.
Noch im Mai wird verkündet, daß du nie freiwillig zurückkommen
.würdest, wärest du nicht so krank. Auf dem Rebstock (beim
SB-Kongreß - d.Red.) bist du dann die Personifizierung des
aufrechten Ganges: man solle ja nicht denken, du seist nur wegen
deiner Gesundheit zurückgekommen.
Ich weiß nicht, wie schwer krank du bist/warst. Bloß
will ich nicht glauben, daß ausgerechnet die deutsche Medizin
so einen Fachmann hervorgebracht hat, der in ganz Europa oder sonstwo
als einziger. in der Lage gewesen sein soll, dich zu behandeln.
So was wie den Rebmann- Arzt wirste wohl nahezu überall finden.
Daß in wirklich jedem Artikel über dich/ von dir darauf
hingewiesen wird, daß du zum "Carlos 2" aufgebaut wurdest,
find ich nahezu peinlich. Entweder ist mir das alles im Knast entgangen
oder es ist nichts als eine blöde Kokettiererei mit dem Mythos
des Genossen Carlos. Daß deine Beteiligung an einigen Anschlägen
in Europa von der Presse lanciert wurde, ist doch nichts Besonderes:
kuck dir doch an, wie nach den Raf- Leuten gefahndet wird. Inge
Vieth als Carla 1? Und Christian Klar als Carlos 3?
Ich glaube, da willste dich selbst nachträglich als gefährlicher
hinstellen, als du sei bist nach BKA - Propaganda dargestellt wurdest.
Dein Hinweis, daß durch die Entwicklung bei dir die Arbeitsweise
und das Denken der Bundesanwaltschaft völlig entlarvt werden
könnten, ist eine ähnlich falsche Prognose. Bei Christina
Berster wars nicht anders; und solche Stöße wie Fritz'
Teufels Alibi, Astrid Prolls zurückgehaltene Aussagen der Bullen
vor Ort, Julianes Alibi in Bezug auf Drenckmann, der Zusammenbruch
der Vorwürfe gegen dich - die packen die weg wie nix –wobei
bei Fritze und Astrid wenigstens etwas Publizität da war. In
allen anderen Fällen - und es gibt Dutzende – interessiert
das kaum jemanden. Und was dich betrifft, war demzufolge Mittelpunkt
der letzten Presseberichte auch nicht, wie das BKA sich Terroristen
aufbaut, sondern daß du abgeschworen hast und demzufolge das
BKA dir "entgegengekommen" ist und du nicht einfährst.
Das wärs - wenn du dich in gleichem Stil nochmal zu so einer
Kampagne äußern willst, laß mich aus dem Spiel.
Gerd Albartus
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