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RZ / Rote Zora

Schüsse aus dem Hinterhalt

Wir beziehen uns im folgenden auf eure Redaktionserklärung NUR TOTE SCHWEIGEN und auf den BRIEF VON JEMAND; die anderen Artikel der Nr. 10 zum Thema Klammern wir bewußt aus, nicht weil wir sie für belanglos halten, sondern weil sie dazu angetan sind, den Blick für das zu trüben, was ihr in der Erklärung und in dem Brief erschreckend offen sagt: ihr wollt erreichen, daß mit der Guerillapolitik in der BRD ein für allemal Schluß ist.

Das Ziel allein spricht Bände: Wer hätte derartiges jemals gegenüber einer anderen, vom eigenen Standpunkt abweichenden Position innerhalb des Spektrums linker Gruppen behauptet? Oder hat sich etwa einer von von euch 'Autonomisten' schon mal die Liquidation der K- Gruppen auf die Fahne geschrieben? Wir können uns jedenfalls nicht daran erinnern, daß aus den Sponti- Reihen bei aller Schärfe der Auseinandersetzung jemals eine offene Kriegserklärung gekommen ist.

Dies haben wir bisher wider Willen immer noch dem BKA überlassen. Es hat den Anschein, als seht ihr euch genötigt, in dem Maße gegen Genossen, Gruppen, die noch Widerstand leisten, zu schießen, in dem ihr euch in eurer eigenen Ratlosigkeit sonnt, euren Subjektivismus kultiviert. Daß ihr dabei gerade die Guerilla verbal aufs Korn nehmt, kann eigentlich kaum noch überraschen, erinnert man sich an eure Markigen Worte auf dem Pfingstkongreß des SB vor einem Jahr. Überraschend allerdings ist, daß ihr die Distanzierung von eurer eigenen militanten Geschichte zugleich zum Anlaß nehmt, um so heftiger gegen die Guerilla zu Felde zu ziehen. Eine Erklärung liefert ihr selbst: "Es ist schlimm, daß erst eine Erklärung von Klein- Klein uns stärker ermutigt hat, das zu sagen, was wir schon länger denken und vermuten". Wer sich jahrelang offensichtlich unter Druck, nicht aber, weil er die Politik richtig, notwendig gefunden hat, solidarisch gegenüber der Guerilla verhalten hat, kann auch in der Abkehr nur übers Ziel hinausschießen. Oder anders: die positive Besetzung der Guerilla, die Idealisierung, Überhöhung verkehrt sich zwar in ihr Gegenteil, setzt aber dieselben Mechanismen frei; an die Stelle der Glorifizierung tritt nun der nackte Rundschlag. Bloß wenn ihr jetzt behauptet, der Druck sei von denen ausgeübt worden, dann irrt ihr euch, versucht euch reinzuwaschen. Lest eure eigenen Artikel in der WWA ("Revolutionäre Politik aber heißt: Auseinandersetzung auf der Basis der Solidarität/Vorbehaltlose Solidarität mit den RAF-Gefangenen," WWA 22), vielleicht gehen euch solche Behauptungen dann nicht mehr ganz so Leicht über die Lippen. Solidarisierungszwang produziert der, der sich aus welchen Gründen auch immer um Entscheidungen herumdrückt. Der mystifiziert, ohne zu begreifen, um was es geht. Fast schlimmer noch als das Ziel sind die Mittel, derer ihr euch bedient. Da werden tatsächlich alle Register gezogen, von blanker Denunziation bis zu offener Erpressung. Nur ein paar Beispiele:

  1. Ihr schreibt: "Klein hat die Situation nicht mehr ausgehalten: er schloß sich der Stadtguerilla an." Will sagen: eine politische Entscheidung für die Stadtguerilla gibt es nicht, sie ist vielmehr ein Haufen ausgeflippter, durchgeknallter, haltloser, die zur Knarre greifen, weil sie sonst vor die Hunde gehen. Bewaffneter Kampf wird in die Rubrik "neurotische Fälle" eingeordnet.
  2. Weiter: "Die Stadtguerilla hat den 'Kämpfer' Klein für reklamiert." Die Wortwahl spricht für sich. 'Reklamiert', das ist die alter Leier von der Funktionalisierung, Inbeschlangnahme von Leuten, die sich äußert in der Aufsplittung von Genossen. Den 'Kämpfer' ausbeuten und den 'Menschen' abtöten! Eure, unsere geringfügigen Erfahrungen mit praktischem Widerstand reichen doch schon aus, um zu wissen, daß das nicht geht, daß das das Ende jeder Gruppe ist, um so mehr einer Gruppe, die sich in der Illegalität organisiert.
  3. Dann dieser widerliche Absatz: "In der Logik der Stadtguerilla liegt es ..., die sogenannten Widersprüche in den eigenen Reihen militärisch zu lösen. ...befindet sich Abweichung immer in-/ tödlicher Gefahr"...Liquidierungsdenken...revolutionäre Blutspur !.. in dieser Tradition steht voll und ganz die Stadtguerilla ...Hinrichtungsliste". Alles eure Sprache! Das ist übel, weil ihr mit einer Mischung aus Demagogie, historischen Verdrehungen, Lügen, Unterstellungen und Wortgeklingel arbeitet in der Hoffnung, das es keiner merkt. Ihr erinnert an Schmücker und unterschlagt Bommi Baumann. Ihr sprecht von Abweichung, wo es um Verrat geht. Ihr zitiert Kronstadt, wohlwissend, daß dies mit der Tradition der Stadtguerilla soviel zu tun hat wie der Anarchismus mit dem Stalinismus. Ihr sprecht von Hinrichtungslisten und verweist nicht auf eure Quelle: "Bild am Sonntag" als Begleitmusik zum Otto/Roth- Prozeß.
  4. Schließlich: "Aber das Operieren aus der Illegalität heraus hat auch furchtbar einfaches." Man ist der Diskussion, Auseinandersetzung und Veränderung entzogen, man schmeißt den Leuten bewaffnete Fakts vor die Füße." Der Söldner im Dienst des Terrorismus, stellt ihr euch Stadtguerilla tatsächlich so vor? Terroristisch nicht nur nach außen, sondern bis in die letzten Lebensregungen?

Ohne politischen Kopf, ohne Emotionen und eben deshalb nicht auf Reaktionen, Bestätigung, Kritik, Veränderung angewiesen? Ihr könnt nicht so blind sein, ernsthaft zu glauben, auch nur ein Genosse, eine Genossin würde unter dieser Voraussetzung länger als einen Tag in der Illegalität, im Knast durchhalten. Trotzdem schreibt ihr es.

Damit habt ihr euch auf eine schmal Gratwanderung begeben. Denn der Weg von dieser Sorte von Dennunziation bis zum offenen Verrat ist kürzer als ihr vielleicht denkt, noch begreift ihr die vermeintliche Namensliste als Lebensversicherung für H.-J. Klein, aber schon droht ihr damit: "Wir kennen viele Namen. Wir würden nicht davor zurückschrecken, sie zu nennen." Wer von euch will eigentlich die Garantie dafür übernehmen, daß ihr die - wie ihr selbst schreibt -"kreiselnde Spirale von Liquidation und Denunziation" unter Kontrolle behaltet, wer sicherstellen, das Klein oder irgendein anderer nicht doch vom "Prinzip der Kritik und Selbstkritik" (gemeint ist doch nicht etwa der Spiegel- Artikel?) Auf das "Prinzip "des Verrats" ausweicht, wenn sein Bemühen um die Liquidierung von Guerilla- Politik auf dem bisher eingeschlagenen Weg nicht Früchte trägt?

WIR FORDERN EUCH AUF, SÄMTLICHE LISTEN MIT NAMEN ZU VERNICHTEN, auch wenn wir uns keine Illusionen über den Zweck dieser Aufforderung machen. Daß ihr euch endlich nicht entblödet, uns dies alles unter dem Vorzeichen "neuer Verkehrsformen" "neuer Menschlichkeit" etc. verkaufen zu wollen ist eigentlich der dickste Hammer. emotionsbesetzte Wörter wie "liebevolle, aber auch traurige Grüße" allein machen noch keinen "neuen Menschen". Das Eingeständnis von "Angst" zeugt noch nicht von "Offenheit in Beziehungen", das Bekenntnis zur "Autonomie" und "Befreiung" erspart nicht den Kampf darum. Euer Artikel ist ein beredtes Zeugnis dafür, wie ernst ihr meint, was ihr schreibt.

  • Ihr schreibt: "dem Abgesprungen Genossen Klein wollen wir helfen, wir wollen mit ihm reden - wir wollen ihn aber nicht für uns reklamieren." Ihr betreibt das Gegenteil. Oder begreift ihr es etwa als Hilfe, einen Typen zum Sprachrohr eurer eigenen politischen Interessen zu puschen, der scheinbar noch vor kaum zwei Jahren mit derselben Energie OPEC gemacht hat wie er heute der Guerilla den Krieg erklärt. Das Nennen wir hier jedenfalls Funktionalisierung, sich der "Autorität" eines abgesprungen zu bedienen, um selbst glaubwürdig zu werden. Mag sein, daß man im hessischen dazu "neue Menschlichkeit" sagt.
  • Ihr schreibt: "Wir können euch nicht - wie ihr sehr wohl uns - drohen. Unserem Verständnis nach enthält eure ganze Erklärung nichts anders als Drohungen. Ihr spielt die Melodie der psychologischen Kriegsführung, auch wenn ihr dem durch die Behauptung des Gegenteils entgegenzuwirken erachtet. Ihr droht mit der Nennung von Namen, um von der Guerilla 'Zugeständnisse' zu erpressen. Eure 'Schüsse aus dem Hinterhalt' zielen auf nichts anderes, als die Guerilla unglaubwürdig zu machen. ihr die Basis zu entziehen.

Nennt ihr solch ein Vorgehen solidarisch? Wir jedenfalls nicht.

  • Ihr beruft euch auf neue Verkehrsformen und erweist euch als unfähig, sie auch nur einen Millimeter weit über euren Dunstkreis hinaus anzuwenden. Sensibilität gilt nur exclusiv. Oder wie ist es zu verstehen, daß ihr den Beitrag der Guerilla zum Zusammenhang von Leben und Kämpfen schlichtweg mit den Worten kommentiert: "Wir glauben davon kein Wort."? Ihr brüstet euch, mit euren Veröffentlichungen zu einer Diskussion über die Guerilla beigetragen, einen "ungeheuer wichtigen Prozeß" in Gang gesetzt zu haben und in der Tat: Euch gebührt der Verdienst, die Mittel der Denunziation und Erpressung neu in die Strategiediskussion eingebracht zu haben!

Ihr kündigt an: "Jetzt aber werden wir ganz entschieden kein Blatt mehr vor den Mund nehmen." Bevor ihr so weitermacht, Genossen, empfehlen wir euch, euch einen ganzen Busch zwischen die Kiemen zu stecken.

Einige Bochumer Genossen

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