Wenn das Kind mit dem Bade ausgeschüttet
wird...
In den letzten 6 Wochen haben zwei sehr unterschiedlich
und in der Vergangenheit
gegensätzlich politisch argumentierende
bewaffnete Gruppen, die RAF und eine Gruppe der RZ das(vorläufige)
Ende ihres bewaffneten Kampfes angekündigt.
Beim Lesen der beiden Erklärungen fallen
überraschende Parallelen in der Begründung ihrer Aufgabe
auf. Diese an vielen Stellen sehr pauschalen Argumentation provozieren
bei vielen von uns Widerspruch. Wobei. mir persönlich bei
der Lektüre des RZ- Textes in der 'konkret'
richtig die Wut hoch kam, während hingegen der Text der RAF
an einigen Stellen für mich richtig was Neues enthielt.
Beiden Texten scheint noch was gemeinsam zu
sein: Mensch kann nur zwischen den Zeilen erraten, warum sie jetzt
diesen Schritt tun, denn die politische Begründung für
die Einstellung ihrer bewaffneten Politik ist vielfach dünn
und widersprüchlich. Ärgerlich ist die Gleichsetzung von
revolutionärer Politik und bewaffnetem Kampf. Trotzdem: es
tun sich neue Möglichkeiten auf, über alte Fehler von
bewaffneten und militanten Gruppen jetzt schonungsloser und ohne
politische Scheuklappen zu diskutieren um vielleicht daraus ein
neues gemeinsames politisches Terrain uns zu erobern.
Zu der RZ-erklärung:
Die RZ schreiben, "daß die Form und Struktur
unseres Kampfes Ausdruck einer bestimmten Phase der Entwicklung
der gesellschaftlichen Widersprüche in der BRD nach 1968 war,
die unwiderruflich mit dem Zusammenbruch des Realsozialismus und
den darauffolgenden Zersetzungsprozessen, der deutschen Wiedervereinigung
und der im zweiten Golfkrieg skizzierten 'Neuen Weltordnung' ihr
Gepräge verändert haben". Zwei Sätze weiter sprechen
sie von "endgültigen Sprung Deutschlands zur Weltmacht". Diese
"objektive Analyse" erfordere "im Grunde eine ganz andere Stufe
der Organisierung des militanten und revolutionären Widerstande".
Und noch allgemeiner für die Linksradikalen stellen sie resigniert
fest: "Die Bedingungen linksradikaler Politik haben sich innerhalb
kürzester Zeit vollkommen verändert". Schließlich
beklagt diese Gruppe der RZ einen "Wandlungs- und Auflösungsprozeß
der Linken insgesamt."
Diesen globalpolitischen Einschätzungen
ist einiges entgegenzusetzen:
a) Wenn Deutschland nach dem 9.11.89 plötzlich
Weltmacht geworden ist, müßte schon gesagt werden durch
welche ökonomischen und militärischen Schritte dies erfolgt
ist. Meiner Meinung nach hat sich die wirtschaftliche Stellung der
BRD auf dem Weltmarkt -zumindestens für die nächsten Jahre
- eben u.a. wegen der... finanziellen Lasten der Wiedervereinigung
- eher verschlechtert. Die Wirtschaftsseiten der bürgerlichen
Presse sprechen auch nicht von einer Verbesserung für die großen
(west-)deutschen Multis durch die Wiedervereinigung, sondern warnen
eher im Gegenteil vor einer 'Vernachlässigung' der übrigen
Märkte. Ernüchterung ist auch bei den Herrschenden eingetreten,
was die neuen vermeintlich großen Absatzmärkte im Osten
angeht..
Militärisch gesehen ist zwar die NATO jetzt
ohne atomaren, gleichwertigen Gegner. Die Bedeutung der BRD innerhalb
der NATO ist jedoch noch keinesfalls die. einer 'Weltmacht'. Wie
der Golfkrieg gezeigt hat, ist die BRD Weltmeister im Zahlen geworden.
Zwar gibt es immer wieder neue Pläne der Bundeswehrspitze über
die möglichen 'out- of- area- Einsätze' und über
die Aufstellung einer sogenannten 'Schnellen Eingreiftruppe , mit
bundesdeutschem Adler. Aber innenpolitisch und gegenüber den
früheren Westallierten scheint das derzeit politisch nicht
durchsetzbar. Zumal in der BRD mehr und mehr Menschen, dies belegen
bürgerliche Meinungsforschungsinstitute, den Sinn und Zweck
der Bundeswehr in Zweifel ziehen.
Wenn es eine Weltmacht- Stellung der BRD gibt,
dann hat das BRD-Kapital diese schon seit längerem in bestimmten
Branchen inne und ist nicht erst durch die Wiedervereinigung in
diese Rolle geschlüpft. Ein gutes Beispiel dafür scheint
mir die Rolle der westdeutschen Banken bei den Umschuldungsverhandlungen
mit Polen und der UdSSR seit Mitte der.80er Jahre zu sein, denn
seitdem sind u.a. gegenüber diesen Ländern die drei westdeutschen
Großbanken die Hauptgläubiger. Aus den ökonomischen
und militärischen Veränderungen seit 1989 lassen sich
demnach unmittelbar keine negativen Veränderungen für
die Handlungsbedingungen militanter Gruppen ableiten. Eben weil
die sich gar nicht so sehr verändert haben die warn und sind
schon Jahre vor der Wiedervereinigung für uns ziemlich mies.
b) Was sich für die Linksradikalen vollkommen
verändert hat, liegt eher auf der ideologischen Ebne. Der Realsozialismus
- oder eben was die Bevölkerung darunter versteht: der Marxismus/
Kommunismus - ist am Ende. Politisch, wirtschaftlich und ideologisch
in sich zusammengebrochen. Wir können jetzt nicht mehr tun,
als sei für unser Handeln die. politische Landschaft von der
Elbe bis zum Ural für uns völlig unerheblich. Ober Jahrzehnte
war sie für uns wie ein weißer Fleck. Diese Versäumnisse
rächen sich jetzt bitter. Es war unser eigener Fehler, daß
wir die Gefahren der Zentralisation der Macht im Namen der 'Diktatur
des Proletariats' runtergespielt haben oder sie als notwendiges
Übel im Kampf mit dem inneren Klassenfeind und dem äußeren
imperialistischen Gegner eingestuft haben. Es war unser eigener
Fehler, zu wenig entschieden, zu ungenau den Stalinismus und seine
späteren Spielarten in Osteuropa schonungslos zu kritisieren.
Wenn überhaupt haben einige von uns das auf der theoretischen
Ebene vorgenommen und Stalin als Verfälscher der vermeintlich
'reinen Lehre' des Marxismus-Leninismus demaskiert
Aber über die tatsächlichen Herrschafts-
und Lebensverhältnisse in den realsozialistischen Ländern
hatten doch die meisten von uns keine Ahnung oder schlimmer noch,
interessierte uns überhaupt nicht.
Insofern ist die von den RZ beklagte "vollkommene
Veränderung" der Bedingungen für linksradikale Politik
nur das Ergebnis eigener, jahrelanger Versäumnisse -zumindest
auf ideologischer Ebene, und das gilt für uns alle. Von deswegen
sind wir auch zu Recht "von der Geschichte überrollt"
worden.
Wenn die RZ einen "Wandlungs- und Auflösungsprozeß
der Linken insgesamt" beklagen, so gilt das derzeit doch vor allem
für die sich auf den Marxismus-Leninismus berufende Linke von
DKP über KB bis hin zu der 'Radikalen Linken', die außer
Zeitungen produzieren und ellenlange Papiere über die Krise
zu schreiben in den letzten Jahren nix zustande gebracht haben.
Eben weil sie seit Gorbatschow nur noch dabei waren, die Trümmer
ihres eigenen ideologischen Gemäuers zusammen zu kehren. Diese
'Papierlinke' hat zurecht ihren politischen Abgang gemacht.
c) Darüber hinaus gibts doch aber noch
ein paar Linksradikale (der VS zählt allein Berlin "zum harten
Kern" 1000 ) Autonome, die sich nicht aufgelöst haben. Wir
stecken zwar schon seit mehreren Jahren in einer tiefen Krise, spätestens
seit dem Ende der IWF- Kampagne, seitdem die letzte große
politische Bewegung verschwunden ist. Wir hocken in einer tiefen
Identitätskrise und unser politischer Widerstand kocht eher
auf Sparflamme. Politisch sind die Autonomen und Antiimperialisten
aber durchaus noch ab und zu präsent - wie im Antifa- Bereich
oder lokal auch im FIüchtlingsbereich. Es ist schon äußerst
anmaßend, wenn die RZ uns mit ihrer These der "Auflösung"
der Linken insgesamt gleich mitaufgelost haben - nur weil es vielleicht
unter uns keine Promis gibt, die ab und zu auch mal in der 'konkret'
zu Wort kommen dürfen.
Was sich allerdings aufgelöst hat, ist
die Vision von Befreiung durch die sozialistische (Welt-) Revolution.
Das 'Gespenst des Kommunismus' hat sich in Europa verflüchtigt,
ist keine Bedrohung mehr für die Bourgeoisie. Im Gegenteil,
das 'Gespenst .des Realsozialismus hat sich als furchtbares Unterdrückungs-
und Ausbeutungssystem herausgestellt, mit einer verlogenen und amoralischen
Parteiführungsclique an der Spitze.
Die RZ beklagt, in den "Strudel der Auflösung
linker Utopien und kommunistischer Systeme" geraten zu sein. Erstmal
ist festzuhalten, daß dies ein Strudel der Auflösung
von Illusionen, von Ideologie, ist - und das ist gut so! Desweiteren
hat die RZ schon vor Jahren in ihren Papieren den Realsozialismus
vehement und richtig kritisiert. Wieso gibt's dann heute noch das
Gefühl des "Strudels"?
Die RZ reden vom "Abtritt der Linken als innenpolitischer
Faktor", weil sie "unfähig war, dem Nationalismus mit "internationalistischer
Perspektive" entgegenzutreten." Hier, finde ich, wird das Kernproblem
umschifft. Es wird nicht gesehen, daß die "internationalistische
Perspektive" schon Jahre vorher (vielleicht unterbrochen durch die
Libyen- Solidarität .und IWF-Kampagne) im Niedergang in der
BRD war bzw. seit dem Ende der Vietnam- und Chilesolidarität
Mitte der 70er Jahre nur noch einmal aufflackerte und an Breite
gewann, das war 1979-84/85 Nicaragua. Selbst die Salvador Bewegung
hatte schon nicht mehr diese Breite bis ins kirchliche/ sozialliberale
Lager hinein.
Die von der RZ im Zuge der Wiedervereinigung
eingeforderte internationalistische Perspektive hätte die Dimension
von gesellschaftlicher Breite haben müssen, welche sie aber
schon Anfang der 8Oer Jahre verloren hatte!
Bewaffneter Kampf und Revolutionärer Widerstand
Die RZ schreiben in ihrer Erklärung, daß
ihre Praxis zu einer "Vermassung unserer Angriffsformen"
geführt habe und es ihnen gelang "in den Teilbereichskämpfen
die Bereitschaft zum militanten Widerstand zu fördern". Beide
Aussagen sind anmassend und historisch falsch. Zudem schimmert wieder
die von ihnen früher abgelehnte Avantgarderolle durch.
Im Anti- AKW- Kampf hat u.a. die Radikalität
der Wyhler Bauern mit ihrer ersten Bauplatzbesetzung eine weitaus
größere Ausstrahlung gehabt und der Spruch "Wo Recht
zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht" wurde Mitte der 70
er Jahre in Brokdorf und Grohnde in militante, massenhafte Praxis
umgesetzt. Die ersten Hausbesetzungen in Berlin ( das kenne ich
aus den Liedern von 'Ton, Steine, Scherben') oder die in Frankfurt
1972 und deren militante Verteidigung liefen, da gabs noch nicht
mal den Namen RZ! Schließlich wäre auch noch zu untersuchen,ob
nicht die militanten Demos gegen Ende der Studentenbewegung (siehe
u.a. die 'Schlacht am Tegeler Weg') und die Wilden Streiks 1969
und ersten Betriebsbesetzungen das Selbstverständnis für
militante Gegenwehr entscheidend mit verbreitert haben, also so
was wie den Bodensatz für die spätere Massenmilitanz vor
den AKW- Bauplätzen gebildet haben. Aus dieser Militanz sind
u.a. die RZ hervorgegangen und nicht umgekehrt.
Darüberhinaus ist in diesem Zusammenhang
an die RZ die Frage zu stellen, wo für sie militanter Widerstand
anfängt, W0 der "qualitative Sprung/' zum bewaffneten Kampf
liegt, den sie ja wohl als höhere/revolutionärere Form
des Widerstands in ihrem Text darstellen? Die RZ hierachisieren
hier die militanten Mittel, was sie in den Jahren zuvor immer politisch
bekämpft haben.Immer wieder heben die RZ in ihrer: Erklärung
auf die eingesetzten Mittel ab und nicht auf die Beziehungen zur
angewandten Form (Massenmilitanz und Massenhaftigkeit bestimmter
Formen des Widerstandes sind in vielen Situationen politisch entscheidender
als drei Schüsse in die Beine von irgendeinem Schwein - so
haben es die RZ früher selbst formuliert) schließlich
geht es primär für die Revolutionäre um die Veränderung
und Eroberung der Köpfe und Herzen der Menschen, die in Widerspruch
zum System der Herrschenden geraten!
Besonders merkwürdig finde ich die Selbstkritik
der RZ am Ende ihrer Erklärung:
Sie kritisieren sich, der "Zersplitterung autonomer
Zusammenhänge" keine "vereinheitlichende Perspektive entgegen"-
gesetzt zu haben. Ich kann nur sagen: Ein Glück, das euch das
nicht gelungen ist. Das wäre dann bestimmt das Ende von den
Autonomen als politische Bewegung und Widerstand gewesen. Alle Versuche
in der Vergangenheit, den Autonomen eine Führung überzustülpen
sind gescheitert, weil dies zentral einem der wenigen allgemein
gültigen Prinzipien autonomer Politik widerspricht: Keine feste
Führung, kein Programm zu haben. Damit ist nicht gesagt, daß
in den Städten es ganz schön feste informelle Machtstrukturen
gibt!
An diesem Punkt sitzen die RZ, wie verschiedene
andere linksradikale Gruppen (Antifa-M, Göttingen, Fels Berlin
oder Autonome Kommunisten) der Illusion auf, in Zeiten des Bewegungsniedergangs
sei der Rettungsanker in einer straffen politischen Organisierung
unter einer bestimmten politischen Programmatik zu finden.
Die RZ kritisieren sich selbst auch in dem Punkt,
daß ihre "Mittel" kalkulierbar blieben, auch deshalb, weil
ein Klassenbezug sich nicht herstellen ließ. Meiner Meinung
sind die Klassenkämpfe auf breiterer, für die Herrschenden
bedrohlichen Ebene, in der BRD seit dem Ende der Streikbewegung
1973/74 nicht mehr vorhanden. Deswegen konnten die Aktionen der
RZ und der RAF sich auch nicht in Beziehung zu den Klassenkämpfen
stellen. Die Guerilla in der BRD war, höchstwahrscheinlich
von Anfang an, mit dem Mittel des bewaffneten Kampfes in bezug auf
die kämpfenden Teile des Proletariats politisch isoliert! Eine
passive Zustimmung oder stille Freude wie bei Schleyer war nie in
politische Unterstützung der Stadtguerilla umdeutbar.
Zum Schluß will die RZ der "Selbstaufgabe
revolutionärer Politik nicht das Wort reden". Ich finde aber,
genau das tun sie aber. Weil sie darunter nur das verstehen, was
die RZ, 2. Juni oder die RAF gemacht haben! Die RZ heften aa revolutionär
Politik das Mittel des bewaffneten Kampfes. Dabei wird mißachtet,
daß für revolutionäre Politik bewaffneter Kampf
nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen und in einem relativ engen
Zeitraum des revolutionären Prozesses eingesetzt werden kann.
Bewaffneter Kampf allein macht noch keine revolutionäre
Politik aus! Auch an dieser Stelle ist auffällig, daß
die RZ in ihrer Rückschau auf ihre eigene Politik ihre früher
propagierten Zielsetzungen und Formen des Kampfes jetzt auf den
Kopf stellen...
Die RZ müssen sich den Vorwurf gefallen
lassen, das Horn des Zeitgeistes" zu blasen: revolutionärer
militanter Widerstand, illegale Arbeit sei überholt, unmöglich.
Für sie mag das ja zutreffen, für ihr zuletzt geltendes
politisches Selbstverständnis -aber eben erstmal nur für
Sie. Warum sagen Sie das nicht.so deutlich? Das finde ich das eigentlich
Ärgerliche an der Erklärung. .
Daß wir viel langfristiger, illusionsloser
denken und handeln müssen, kommt bei
der RZ nicht vor, oder geht unter (nebenbei
könnten wir auch einigen verbal- radikalen Ballast über
Bord werfen). Nicht von ungefähr kann so eine Position deshalb
auch in dem Zynikerblatt 'konkret' erscheinen.
Zur Erklärung der RAF:
Auch die RAF führt als Begründung
für ihre Zurücknahme der "Eskalation" die "Tatsache, daß
wir alle vor einer völlig veränderten Situation im weltweiten
Kräfteverhältnis standen" an: "Der Zusammenbruch der sozialistischen
Staaten, der seine Ursache wesentlich in den im Inneren ungelösten
Widersprüchen hatte, hat katastrophale Auswirkungen für
Millionen Menschen weltweit und hat alle, die rund um den Globus
um Befreiung kämpfen, auf sich selbst zurückgeworfen."
Hier, wie bei der RZ ist zu fragen, ob tatsächlich
erst durch den Zusammenbruch des Realsozialismus es zu diesen katastrophalen
Auswirkungen für Mio. Menschen gekommen ist. Worin bestand,
vor dem Ende des 'Kalten Krieges', die Hoffnung für die Millionen?
Die UdSSR z.B. hat materiell Und waffenmäßig Kuba, Nicaragua
und Vietnam in den80 Jahren unterstützt. Für die meisten
Völker des Trikonts, die unter Diktaturen, Hunger und Elend
zu leiden haben, stellte der Realsozialismus in keiner Weise eine
Hoffnung dar. Eher im Gegenteil. Die UdSSR kooperierte z.B. mit
einigen Oligarchien im Trikont, dealte mit Südafrika um die
Aufrechterhaltung des Gold- und Diamantenmonopols und stützte
dadurch objektiv das Rassistenregime. Auch was den Handel mit den
Trikontländern betraf, verhielten sich die realsozialistischen
Länder, bis auf die Ausnahmen Kuba, Vietnam, Nicaragua, wie
die imperialistischen Staaten und deren Konzerne, das ist nachgewiesen.
Der endgültige Zerfall des Realsozialismus hat nicht bewirkt,
daß Millionen im Trikont jetzt in die Katastrophe stürzen.
In Lateinamerika hatte die kubanische Revolution, hatte der Kampf
von Che in Bolivien und hatte die Revolution in Nicaragua eine höchst
wichtige Vorbildfunktion, waren Hoffnungsträger. Aber die Linksradikalen,
Revolutionäre in Uruguay oder in Chile sind wegen der fehlenden
Unterstützung der UdSSR gescheitert (die so und so nie auf
der Tagesordnung stand, spätestens seit der sogenannten Kubakrise
1962) sondern vor allem an ihren eigenen Fehlern, so sagen es heute
jedenfalls u.a. viele Tupas. Und das die MIR in Chile politisch
nicht mehr existent ist, liegt nach dem Abtritt von Pinochet nicht
am Zusammenbruch des Realsozialismus, sondern an viel komplexeren
innenpolitischen Faktoren und am Zersplitterungsprozeß der
MIR- Restgruppen. Also, der 'Zusammenbruch' der UdSSR kann
an sich kein Grund sein für die RAF.
Für interessanter und wichtiger halte ich
den zweiten angeführten Grund der RAF für ihre Denkpause:
"Wir haben aus verschiedensten Gründen keine Anziehungskraft
mehr für die Menschen hier entwickelt, die gemeinsames Handeln
möglich macht."
Und: "Gefehlt hat die 'Suche' nach unmittelbaren
positiven Zielen und danach, wie eine gesellschaftliche Alternative
hier und heute schon anfangen kann zu existieren. Daß das
hier möglich ist, daß es geht, so etwas anzufangen, haben
uns die Erfahrungen, die andere erkämpft haben, gezeigt." Das
finde ich neu bei der RAF. erstaunlich gar ist, wenn die RAF zum
ersten mal sich auf die "Gegenmacht von unten" bezieht. Von Menschen,
die "eigene soziale werte im Alltag" entwickeln redet, die nicht
in Ohnmacht vor dem Imperialismus verharren sondern "ihre Bedürfnisse,
ihre Solidarität gemeinsam umsetzen."
Solche Formulierungen sind an sich eine radikale
Abkehr von dem politischen Selbstverständnis der RAF seit dem
Maipapier '82, seit der erstmaligen Erwähnung' des Frontkonzepts,
der Notwendigkeit des Aufbaus der revolutionären Front in Westeuropa.
Damals stand für die RAF der Aufbau der Guerilla an oberster
Stelle, alles andere war zweitrangig oder gar "sozialarbeiterisch".
In dieser Erklärung nimmt die RAF deutlich
ihre Avantgardeansprüche zurück und öffnet sich für
Diskussionen um andere Formen des Kampfes um Befreiung in der Metropole.
Festzuhalten bleibt an dieser Stelle, daß
wir Autonome auch keine große Attraktivität für
Menschen außerhalb des Scene- Ghettos haben, daß wir
derzeit auch keine positiven Ziele formulieren können, keine
gesellschaftliche Alternative den Unterdrückten, Armen hier
in der Metropole anbieten können. Insofern stehen RAF, Antiimps
und Autonome zusammen wieder am Ausgangspunkt.
Doch bleibt beim Lesen des Textes auch eine
gehörige Portion Skepsis.
Nämlich da, wo die RAF die Zurücknahme
der Eskalation mit dem Verhandlungsangebot an Kinkel verknüpft.
Gerade der HS 1989 hatte doch eine dermaßene
Breite (auf Kosten einer politischen Entschiedenheit und Klarheit,
was viele Autonome kritisiert haben) erlangt, ohne daß sich
nennenswert was im Staatsapparat bewegte. Woher nimmt jetzt die
RAF die Hoffnung, mit der Rücknahme der Eskalation aus der
Auseinanderstzung..."diesen politischen Raum aufzumachen"?
Die RAF stellt richtig fest, daß "sie
(die Schweine) an keinem Punkt freiwillig zurückweichen, dafür
wird immer gesellschaftlicher Druck und Kämpfe" notwendig sein.
Die Frage ist doch noch einmal, welcher Raum soll jetzt aufgemacht
werden, wo doch vor drei Jahren ein breites gesellschaftliches Bündnis
von kirchlichen Gruppen über Friedensgruppen, EX- Revis bis
zu Antiimps die Forderung nach Zusammenlegung nicht durchsetzen
konnte? Und vor allem, was ist denn tatsächlich das Druckmittel
der RAF?
Mit dem "Raum" können eigentlich nur die
im Staatsapparat gemeint sein, wo einflußreiche Kapitalisten
und Manager Zugang haben und die jetzt froh sind, daß die
RAF sie in Ruhe lassen will und die sich dann zum Dank für
die Haftunfähigen stark machen bei der Betonfraktion. Die RAF
setzt auf 'Verhandlungen, mit diesen Teilen des Herrschaftsapparats.
Doch was hat die RAF für diese Verhandlungen noch in der Hand,
nach dieser ihrer Erklärung? Der 'Spiegel' vermutet "zum Nulltarif"
mache die RAF diese Offerte an Kinkel.
Die RAF schreibt am Ende ihres Textes: "Jetzt
ist die staatliche Seite gefragt, wie sie sich verhält. Und
weil heute noch niemand weiß, wollen wir den Prozeß
von Diskussion und Aufbau schützen." Zu fragen ist, vor wem
soll der Aufbau geschützt werden? Daß die Bullen, der
Staatsschutz jeden Versuch, revolutionäre Strukturen, die eben
nicht auf die militante Praxis verzichten sondern sie neu bestimmen
wollen, bekämpfen, unterlaufen werden, ist doch sonnenklar.
Und zwar überall dort, wo im öffentlichen Raum, in den
Kämpfen der Frauen- , Antifa, Flüchtlings-, Stadtteilbewegungen
militante Praxis propagiert wird, taucht doch der Staatsschutz auf.
das ist doch unsere Erfahrung seit 2 Jahrzehnten. In München
gar, dürfen politische Gruppen, egal welcher linken Orientierung,
noch nicht mal über die allgemeinsten Formen des Widerstandes
diskutieren, ohne daß der Staatsschutz einreitet und die 129a-Keule
schwingt. Wie will da die RAF was schützen? Den Raum für
die Diskussion über neue Perspektiven revolutionärer Politik
müssen sich die Gruppen und GenossInnen schon selbst erkämpfen,
da nutzt keine alte und neue Avantgarde als Schutz vor der "Walze
aus Repression und Vernichtung", wie die RAF selbst schreibt. Die
kommt jetzt auch nicht zum Stillstand, nur weil die RAF eine Denkpause
einlegt. Siehe die immer wieder neuen 129aVerfahren gegen militante
Linksradikale oder gegen die Kurden.
Von daher ist auch die Drohung mit der Wiederaufnahme
des "Krieges" reichlich hohl. Zum einen weil die RAF selbst vorher
selbstkritisch von der Notwendigkeit der Neubestimmung revolutionärer
Politik im Zuge des Aufbaus von Gegenmacht von unten spricht ( und
das kann durchaus ein paar Jährchen dauern) und zum anderen,
weil wir davon ausgehen müssen, daß die Schweine mit
all ihren Mitteln versuchen werden, diesen Prozeß zu verhindern
- und da helfen auch nicht ein paar erfolgreiche Anschläge
auf irgendwelche Manager weiter. Sowas wäre kein "Schutz" für
unsere Diskussionen.
In der Argumentationslogik der RAF kann es auch
gar keine Pause an sich geben, denn wie die RAF selbst sagt, geht
der Krieg der Schweine doch weiter. Das ist keine überzeugende
Begründung für die Rücknahme der 'Eskalation'. Für
mich schimmert an dieser Stelle zwischen den Zeilen eine andere
Begründung durch: Sie haben keinen Bock mehr. Sie sehen derzeit
keine Perspektive für ihren Kampf, die Aussicht auf politische
Erfolge ist gleich Null.
Das wären für mich verständliche,
allzuverständliche Gründe. Das wäre ehrlich, würde
jede/r verstehen und keine große Fragen hinterlassen. Keine
neuen Illusionen und Mythen aufbauen! Davon haben wir alle in der
Vergangenheit zu viele produziert.
Pepone
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