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VON MANN FÜR MANN
3. "In unserer Gesellschaft finden sich immer die hunderttausend
MÄNNER, die man (Mann!!) für ein Auschwitz, Gulag, oder
Vietnam braucht."
(Schwarze Protokolle Nr. 14, S. 64 - Hervorhebungen von mir)
Dieser Satz trifft genau ins Mark meiner und unserer Militantenidentität.
Nicht nur, daß er in dem dreifachen Grauen von Auschwitz,
Gulag und Vietnam die barbarische Identität der organisierten
Staatlichkeit faschistischer, sozialistischer und spätkapitalistischer
Herkunft aufzeigt, sondern daß er auch ein neues Wesensmoment
der Gewalt aufnimmt: ihren geschlechtsspezifischen männlichen
Charakter. Allzu lange galt Gewalt für uns als eindeutig festgelegt
durch die Klassengesellschaft und ihre Unterdrückung, war das
Mittel der Herrschaft der Wenigen über die Vielen und das einzig
materielle und daher legitime Mittel, diese Herrschaft zu bekämpfen
oder gar zu beseitigen. Revolutionäre Gewalt in einer Klassengesellschaft
war unumgänglich und nichts anderes als befreiend.
Freilich gab es da auch eine verzwickte Doppeldeutigkeit, Dialektik
auch geheißen. Auf den roten Oktober der russischen Massen
folgte die schwarze Nacht des Jossif Stalin, und auch Fidel Castro
und die seinen der der Vietcong nahmen sich nach der Machtübernahme
ganz anders aus. Sicher, die Bürokratisierung , die äußere
Bedrohung, die Zurückgebliebenheit, etc. Aber nie, nie ist
uns aufgegangen, daß sich dies alles nicht maschinengleich
vollzogen hat, nicht bloßes Resultat verkorkster Gesellschaftsstrukturen
war, sondern daß da Menschen, Subjekte aus Fleisch und Blut
gehandelt haben oder im Auftrag oder auf Befehl handelten - und
zwar immer nur "die schwarze Hälfte des Himmels", die Männer!
Das meint nicht die verdrängte Geschichte der Befreiung, die
Massenbewegungen, sondern die Subjekte im Apparat, die "Staatsmaschinen"
und herrschenden Klassen aus Fleisch und Blut bis hin zu den hunderttausend
uniformierten Killern - das sind alles Männer!
So selbstverständlich und allumfassend ist diese gesellschaftliche
Tatsache, so weit zurück in der Geschichte versteckt, und so
stark und global im gesellschaftlichen Alltag bis in die hintersten
Winkel hinein verfestigt, daß man sie nachgerade als biologisches
Faktum hinnimmt. Und hier unterscheiden wir Spontimänner uns
NICHT vom Rest von Mann. In unserer Scene hat derselbe sexistische
Mechanismus gewirkt, wie sonstwo (ich will hier jetzt nicht ,ja,
aber ..." argumentieren, sondern Grundsätzliches antippen)
und gipfelte dann schließlich im Militantismus. Da wurden
alle psychischen Attribute männlicher Gewaltsamkeit prägend
für die politische Aktion, Ich mein das nicht nur auf der Oberflächenebene
des "Django- Gehabes", sondern viel weitergehender: ich meine das
Einflippen auf eine grundsätzlich lebensvernichtende Gewalt,
auf eine zerstörerische Struktur, die nichts hervorzubringen
vermocht hat als Tod, Wahnsinn und eine Kultur des kollektiven Selbstmords
- kurz unser christlich kapitalistisches Abendland. Und unsere revolutionäre
Gewalt, unserer Typen- Militanz war davon ganz schön geprägt.
Am extremsten machten diese Erfahrung die Genossen im Untergrund,
aber ich glaube, daß dies für alle Formen des Militantismus
gilt. Bommi schreibt dazu:
"... das Ganze langsam Formen annimmt, die nichts mehr mit den
ursprünglichen Geschichten zu tun haben, weder was mit den
Kommunegeschichten noch mit unseren Dropouts in den 60er Jahren
noch mit dem Blues und den Haschrebellen, nichts mit den Drogenerfahrungen
noch mit den sexuellen Erfahrungen, nichts mit der neuen Sensibilität
und Zärtlichkeit und einem Verstehen, einem Eingehen auf den
anderen, damit hat das alles nichts mehr zu tun. Es wurde immer
IRRER, das wurde immer mehr zur SIEMENSFABRIKHALLE, das ganze Geschehen.
OBWOHL ES DIE GANZE ZEIT DARUM GING' DASS DU VON SIEMENS WEGKOMMST,
AUF EINMAL BIST DU GENAU WIEDER DA. Du stehst mit kurzen Haaren,
mit Anzug, mit allem wieder da, wo du hergekommen bist, und die
Leute drumherum reagieren auch genauso, sie sind genauso abgebrüht,
wie gehabt." (BB - wie alles anfing, S. 115 - Hervorhebungen von
mir).
Und weiter heißt's:
"Stalin war ja eigentlich so ein Typ wie WIR, der hat es dann geschafft,
einer der wenigen, die es geschafft haben, dann wurde es aber heavy
." (aaO, S. 132).
Stalin war also so ein Typ wie wir, nicht nur, daß er sich
auch als Revolutionär verstanden und gelebt hat, sondern er
war im wahrsten Sinne des Wortes eben auch ein Typ. Und mit ihm
all die vielen revolutionären Politbüros, Zentralkomitees,
Führer, Kämpfer, Helden, Märtyrer, etc. Es gibt also
offensichtlich einen Zusammenhang, ja mehr noch, eine Identität
von lebensvernichtender Kultur und Männlichkeit, der HERRSCHAFT
DER MÄNNLICHKEIT. Und wenn Mann diesen Zusammenhang, diese
Identität begreift und anerkennt, dann gerät er, auch
und gerade als Revolutionär, AUF DIE ANDERE SEITE DER BARRIKADE.
Dann, Brüder, nimmt sich unsere Militanz ganz anders aus: da
drischt die herrschende Männlichkeit in ihren VERSCHIEDENEN
FRAKTIONEN gegenseitig aufeinander ein, hoch oben über dem
festen Boden stehend auf den Schultern von Frauen und Kindern und
Ausgeflippten (zu denen wir, Mann, potentiell GOTT SEI DANK noch
gehören können, wenn uns anders die Befreiung von UNS
SELBST nicht gelingt). Und dieses Aufeinanderdreschen, dieser "revolutionäre
Kampf' mag viel für DEN Revolutionär verändern, läßt
aber den ganzen sexistischen, patriarchalischen Unterbau, läßt
seine Herrschaft als Mann unberührt.
Dieses AUF DER ANDEREN SEITE DER BARRIKADE STEHEN setzt sich bei
uns vor allem als unbewußte Erfahrung durch, als Unmöglichkeit,
so weiter zu machen, wie bisher, als Durchhängen, Phantasielosigkeit,
Fluchtvorstellungen und Todeswünschen. Sie ist einfach alles
Scheiße! Wir und ich haben in der Vergangenheit immer die
POLITISCHE Notwendigkeit der Frauenbefreiung eingesehen, nie aber
mit derselben materiellen Konsequenz, wie es die Frauen getan haben.
Für uns war's halt wesentlich eine Sache, dies THEORETISCH
einzusehen galt, PRAKTISCH STANDEN WIR UNS ALS MÄNNER DABEI
SELBST IM WEG. So ist es dann auch gekommen, daß vieles, was
in der antiautoritären Jugendbewegung bis hin zu den Spontis
an konkreter Befreiung aufgetaucht ist, an veränderten Lebensformen
und Verkehrsformen, - die REVOLUTIONIERUNG DES ALLTAGS - bei der
Frauenbewegung lebendig zu finden ist, während wir lederjackenschwer
vor uns hindumpfelten. Die haben die ganzen Befreiungsansprüche
der Neuen Linken einfach an ihrer eigenen Wirklichkeit gemessen,
haben sie dadurch radikal kritisiert, sich angeeignet und von ihrer
Situation als Unterdrückte und Ausgebeutete her weiterentwickelt.
Wir dagegen, in die Sackgasse gelaufene Revolutionspatriarchen,
fühlen uns am Ende. Was bleibt dir also anderes, wenn du daran
nicht ausflippen willst oder kannst, als dich auf diese, UNSER MÄNNLICHES
SELBST vernichtende radikale Kritik der Frauenbewegung und schweigenden
Kinder einzulassen, sich mit ihren Inhalten und Erfahrungen auseinanderzusetzen?
Diesmal aber nicht nur wieder über den Kopf, denn dadurch ändert
sich FÜR UNS gar nichts, sondern sehr materiell und existentiell.
Es gibt ja keine andere Wahl mehr, Bruder: entweder schaffen wir's,
die Macker und Gewaltmuftis, AUF DIE ANDERE SEITE DER BARRIKADE
ZU KOMMEN, zu den Frauen und Kindern, oder wir gehen an der Schizophrenie
unserer eigenen Befreiungsansprüche und unserer herrschenden
Männlichkeit zugrunde. REVOLUTIONÄR in der "großen"
Politik das hälst du auf die Dauer nicht durch, und es bringt
ja wohl auch nichts. Um aber die Kopflastigkeit dieser weisen Worte
abzubauen, von vornherein zu verhindern, gibts nur jenen radikalen
Weg, der sich für die Frauen als so irre produktiv erwiesen
hat: DIE REVOLUTIONIERUNG DES ALLTAGS. An den alltäglichen
Kleinigkeiten entscheiden wir über unsere Befreiung, weil wir
da die großen Unterdrücker sind.
REVOLUTIONIERUNG DES ALLTAGS, das sagt sich so leicht hin, aber
zwischen Papier und Wirklichkeit steht da unser Alltag als Männer
- und das reicht vollkommen. Denn' Mann muß sich nur als Mann
verhalten, selbst als Linker, als Sponti, muß also nicht einmal
ein offener Vergewaltiger, Schläger, radikaler Sexist, etc.
sein, sondern eben nur ein braver, "softer", aufgeklärter linker
Mann - das reicht trotzdem, damit die ganze Struktur von Männlichkeit
in deiner Beziehung, deiner Wohnung, deiner ganzen Gruppe oder Scene
wieder einrastet, so daß sich die ganze Scheiße am Leben
hält und reproduziert. Andererseits wär's aber absurd,
wenn ich und wir jetzt den braven Buben spielen wollten und aus
einem Anpassungsdruck heraus so tun würden, als wenn nichts
wäre -AN DER OBERFLÄCHE. Denn wenn das mit dem Sexismus
und der ganzen Kritik an uns zutrifft - und offensichtlich tut's
das -, dann müssen wir diese psychische Kaputtheit aus uns
endlich rauslassen, AUCH UND GERADE IN IHRER KAPUTTHEIT, und nicht
weiter verdrängen. Es ist unser und mein dunkelstes Kapitel,
ich weiß, oder ahne es besser nur, weil ich da selber wahnsinnig
Angst vor bestimmtet Sachen in mir habe. Bartsch und Honka sind
Extremfälle, aber irgendwo hängt das als Typ in dir drin.
Gerade im Zusammenhang mit der Militanz ist das öfters zum
Ausbruch gekommen, im Zusammenhang mit der Notwendigkeit sich zu
wehren, sich zu schlagen, da wurde dann leicht auch, ja, die LUST
am Schlagen draus, ein tendenziell sadistisches Vergnügen,
auch wenn's ein Bulle war. Aber jeder wird's ja in jeweils abgewandelter
Form wissen, wie Kaputt Mann wirklich ist, wie kaputt seine Sexualität,
seine Phantasie, seine Fähigkeit, gewaltfreie Beziehungen einzugehen,
auch und gerade unter Mann:
"Und ich weiß nur zu gut, daß es sich hier nicht um
lahmarschige Trägheit oder mieses Selbstmitleid handelt. Vielleicht
begreift das nur einer, der selbst zu Stein und Bein gefroren im
Käfig sitzt. Aber was soll's. Sogar ein verkrüppelter
Zwerg, den man hochheben muß, damit man seinen Kopf in die
Schlinge kriegt, kann noch einen Steifen kriegen. Und ich bin Mateo
Platch und Nichlos Combatz in einer Person, und die Sonne ist eine
abgehalfterte, eingeäscherte Möse. Und drüben auf
der Plaza zwischen dem Terminal Annex und der Union Station sitzen
die alten Männer im Kreis und schauen stundenlang den Tauben
zu, und im Grunde sehen sie gar nichts.
Vereist und versteinert werden wir uns weiter durch die Nächte
quälen mit unseren sinnlosen Träumen, wie schemenhafte,
paranoide Maulwürfe, die sich für nichts und wieder nichts
die Pfoten blutig schmieren und am Ende eines werden mit ihren Löchern.
Und das ist auch alles, was von uns eines Tages übrig bleiben
wird: sinnlose, blutende Löcher in der Nacht." (Aufzeichnungen
eines Außenseiters, Charles Bukowski, Ffm 1975, S. 187/188).
Kaputte Sprache, kaputte Typen, eine kaputte Scene und Gesellschaft,
die Bukowski da darstellt. Aber es haut einem auch ganz schön
rein, weil es du bist, den er da meint. "Sinnlose, blutende Löcher
in der Nacht", so weit entfernt davon fühl ich mich zur Zeit
gar nicht.
Wie aber davon runterkommen? Es fällt mir echt schwer, da
jetzt konkret zu werden und Mann sollte mir das nicht als Schwäche
auslegen. Ich will's erst mal etwas allgemeiner versuchen. Die Frauen
haben eine ziemlich radikale Konsequenz aus ihrer Kritik an uns
gezogen (und ziehen sie noch): sie lösen sich von uns, trennen
sich, wollen mit uns nichts mehr zu tun haben, kurz, ihr SEPARATISMUS
ist hier gemeint. Und wenn sie dir dann alles so an den Kopf knallen
und dir alles so schön klar ist mit deiner Unterdrückerrolle,
dann kommen immer die berühmten "Ja, aber. ..". Wenn irgendwelche
reformistischen SPD- Lurche oder sonstige etablierte Autoritäten
von den Eltern bis zum Betriebsrat und Professor Habermas so argumentiert
haben, dann hat's uns richtig geschüttelt vor Abneigung. Den
Frauen und Kindern gegenüber machen wir's jetzt selber so ("Es
ist halt so", "es geht nicht anders" und ähnlichen Käse
mehr). Es bleibt uns mit unseren revolutionären Befreiungsansprüchen
doch nur ein Weg: DIE TRENNUNG VON UNS SELBST, die Trennung von
unserem Selbst, das durch und durch Herrschaft der Männlichkeit
heißt.
All diese Dinge, die uns von den Frauen unter die Nase gerieben
werden, greifen zutiefst in unseren Alltag und in unsere Identität
ein: Sexualität als Vergewaltigung, als emotionale Ausbeutung
der Frauen in den Ehen und Beziehungen, als Verewigung des männlichen
Berufsverbots für Frauen, ja ihrer Sklavenexistenz (und wie
das in unseren Wohngemeinschaften trotz funktionierenden Koch- und
Einkaufsplänen und in den politischen Gruppen ausgesehen hat,
und aussieht, das weiß ja jeder selbst!) Ich meine, daß
wir da jeden einzelnen Punkt zum Gegenstand UNSERER REVOLUTION machen
müssen, daß wir da eine richtiggehende Arbeit und Kämpfe
darum organisieren müssen, unter uns Männern, denn es
ist zuerst und vor allem unsere Sache. Lassen sich da Wege finden,
die Therapie und neue Formen revolutionären Handeins und Lebens
vereinigen können?
Männergruppen also? Ich will's gleich vorneweg sagen, daß
ich mit denen einige Schwierigkeiten habe. Nicht nur, daß
ich ziemlich an den Typen aus der Spontiscene, Abt. Putz, hänge,
und daß mich eigentlich wenig an den Typen aus Männergruppen,
die ich kenne, begeistert, sondern weil ich finde, daß die
wieder den Spieß nur rumgedreht haben. Die schlagen sich jetzt
zwar bis zum Geht- nicht- mehr mit ihrer verinnerlichten Männlichkeit'
herum (was mich echt beeindruckt), vergessen dabei aber die ganze
VERÄUSSERLICHUNG dieser Männlichkeit, von Stammheim bis
zur Kernkraft!
Als Mann kann Mann eben nicht so tun, als wenn nichts wäre,
als wenn man sich nur zu lösen und radikal auf sich selbst
zu besinnen brauchte, wie es die Frauen getan haben. Wir leben in
einer MÄNNERGESELLSCHAFT , ja, in einer PATIARCHALISCHEN DIKTATUR,
und sind selbst davon infiziert und korrumpiert. Deswegen wird das
Moment des direkten Widerstands, der offenen Auseinandersetzung
auch und gerade mit dieser veräußerlichten Männlichkeit
wesentlich zu unserer Befreiung gehören. Nur -und da haben
die Männergruppen sicher recht - daß wir dazu in uns
selbst und zu anderen gewaltfreie Verhältnisse herstellen müssen.
Wenn's so gemeint ist, wenn der Bulle in uns und der in Stammheim
oder Frankfurt gemeint ist, dann ja, dann finde ich ne Männergruppe
wahnsinnig wichtig. Ansonsten fehlt mir aber was Entscheidendes
was meine revolutionäre Identität immer noch ausmacht.
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