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RZ / Rote Zora

Kritikpapier aus einem anti- imperialistischen Zusammenhang (3. Februar 1992) zum RZ Papier:

"Ich geh weg, ich geh weg, ich geh weg und such was Neues"

(Ton, Steine, Scherben)

Wir haben den Eindruck, daß die RZ in ihrem Papier 'Gerd Albertus ist tot' den Tod eines Genossen als Aufhänger dazu mißbrauchen, mit internationalistischer Politik, die auch Gerd's Politik war, abzurechnen.

Das Papier liest sich nur vordergründig als Kritik an eigenen Fehlern, diese Kritik läuft hierfür aber aus einer zu großen zeitlichen und politischen Distanz. Eine kritisch- konstruktive Auseinandersetzung sowohl mit nationalen Befreiungsbewegungen als auch mit dem eigenen Internationalismusbegriff gab es offensichtlich nicht. Alle politischen Inhalte von Entebbe wurden einfach aus dem Programm genommen: kein solidarisches Verhältnis mehr zu den Befreiungsbewegungen, keines mehr zu den revolutionären Gefangenen. Ein Rückzug auf metropolenzentristische Politik, als Flucht vor dem Erarbeiten eines neuen, kritischeren Solidaritätsbegriffs. Stattdessen erscheint der sozialrevolutionäre Schwenk der RZ als "logische" Konsequenz aus dem Ablauf der Entebbe- Aktion.

Die Internationale Solidarität wird auf die zwei Möglichkeiten reduziert: bedingungsloses Mitläufertum oder bedingungsloser Bruch.

Bei der Beschreibung des toten Genossen scheint es ebenfalls nur auf den ersten Blick so, daß die RZ sich um Fairneß bemühen. Durch den Rundumschlag gegen internationalistische Politik, die auch seine Politik war, entsteht jedoch beim Lesen der Eindruck einer gewissen Häme: Sein Tod als Folge seiner falschen Politik.

1. Nationaler Befreiungskampf

Charakter von Befreiungsbewegungen und Machtübernahme

Die RZ denunzieren den Ansatz nationaler Befreiungsbewegungen, die die soziale Befreiung an die Erlangung staatlicher Souveränität koppeln. Anhand der Entwicklung der "jungen Nationalstaaten" leiten sie ob, daß die 'Machtübernahme':

  • in fast allen Fällen den sozialen. Gehalt der Revolution zerstörte,
  • dazu führte, daß die Führer der. Befreiungsbewegungen sich als "Protagonisten brutaler Entwicklungsdiktaturen gebärdeten", daß das Massenelend anhält, und es dafür einer neuen Erklärung bedarf
  • 'kurz gesprochen - die ganze Dialektik von nationaler und sozialer Befreiung (sich) vor allem (für) die neuen Machthaber rechnete und daß dies keine Frage von Verrat oder Korrupter Moral war, sondern dem Wesen der Staatsgründung entsprach.'

Daraus ziehen sie folgende Schlüsse: "Wir mußten zur Kenntnis nehmen, daß das Spektrum sozialer Bedürfnisse und Interessen nicht in den Befreiungsorganisationen aufging und daß die Dimension des Geschlechter- und des Klassenkampfes selbst im Prozeß antimperialistischer Befreiung keinen Moment an Bedeutung verloren hatte. Wir durften uns mit den völkisch- ethnischen Parolen nicht zufrieden geben, auf denen das unartikulierte Miteinander von KämpferInnen und Kommandanten basierte..." (...)" Wir mußten den Mythos des Volkskriegs auf seine revolutionären Qualitäten hinterfragen und ihn in seiner Doppelheit als Moment der Befreiung und als eine Form zerstörerischer Rationalisierung neu begreifen, zu deren ersten Opfern die Flüchtlinge ebenso gehörten, wie die Frauen und Kinder in den Auffanglagern an den Grenzen zu den umkämpften Gebieten."

Unser Blick auf die Geschichte ist ein anderer: Die Revolutionen 'rechneten' sich für Millionen Menschen, die nicht verhungerten, die sich nicht als Sklavinnen und Tagelöhnerlnnen verdingten, sondern sozial gesicherter leben konnten. Und sicher zeigten sich - gemessen an Utopien und Idealen auch Grenzen.

Die RZ suchen Gründe für das Scheitern der 'jungen Nationalstaaten' ausschließlich in diesen selbst. Dadurch wird aus einer Analyse ein Psychogramm, dadurch werden einzelne richtige Kritikpunkte, falsch, weil sie als ausschließliche Erklärung für etwas herhalten sollen, was nicht ausschließlich durch sie bedingt und zu erklären ist: Sie schieben für ihre Verabschiedung von revolutionärer internationalistischer Politik und der von daher folgerichtigen Absage an Befreiungsbewegungen platte und ungenaue Argumente vor. Gänge es Ihnen wirklich noch um nationale Befreiung, so würden sie eine Kritik an den Befreiungsbewegungen einbinden in eine Analyse der objektiven Bedingungen, unter denen diese Bewegungen kämpfen, und sie müßten der Tatsache Rechnung tragen, daß diese Bewegungen organisierter Ausdruck der Kämpfe der Völker im Trikont sind.

Im Zeitalter des Imperialismus, der Aufteilung der Welt in Interessensgebiete, der absoluten Ausplünderung des Trikonts durch die Metropolen, ist es unmöglich, die Entwicklung im Trikont, in einzelnen Trikontländern, in einzelnen Befreiungsbewegungen, losgelöst von der internationalen Situation zu analysieren. Hierzu kommt von den RZ nichts. Weder die ökonomische Situation, die durch die imperialistischen Staaten bedingt ist, noch die permanente von ihnen aufgezwungene Kriegssituation wird untersucht.

Warum bedarf das Massenelend in den 'jungen Nationalstaaten' einer neuen Erklärung? Wo keine Mittel da sind, Krankenhäuser zu bauen, wo kein Geld für Schulen da ist und wo es nicht genug zu fressen gibt, findet die Utopie ihre Grenzen.

Es geht nicht darum, Fehler der jungen Nationalstaaten außen vor zu Iassen, aber es ist nunmal so,

  • daß die Machtübernahme die absolute Verelendung nicht beendet, daß Abhängigkeiten vom Weltmarkt bestehen, daß Schulden bezahlt werden müssen, weil die Kräfteverhältnisse es nicht anders zu lassen. Die vom Kolonialismus ausgeplünderten Staaten, deren Grenzen willkürlich festgelegt waren und und deren Ökonomie am Baden lag, hatten schlechteste Ausgangsbedingungen für ihre Entwicklung.
  • daß viele der jungen Nationalstaaten durch von den Imperialisten hereingepuschte Kriege geschwächt wurden und werden
  • daß es im Trikont Tendenzen gibt, die eigene Situation auf die eigene Unfähigkeit zurückzuführen und die Verhältnisse' in Europa und Amerika zum Ziel aller Ziele zu machen und die zur Versuchung führen, alles Westliche nachmachen zu wollen.
  • daß die Befreiungskämpferinnen Erziehung und Prägung unter den Werken erfahren hoben, die die alten Gesellschaftssysteme getragen und gestützt haben und der Prozeß der Entwicklung revolutionärer Werte unter härtesten materiellen Bedingungen und unter den Bedingungen des Krieges, der immer verhärtet, auch wenn es ein revolutionärer Krieg ist, stattfinden mußte.
  • daß die Sowjetunion, China etc. Befreiungskämpfe nicht aufgrund ihrer sozialen und revolutionären Inhalte unterstützten, sondern um ihre Einflußsphären auszubauen, was z.B. in Eritrea zu einem Andauern der Unterdrückung führte.
  • daß die Sowjetunion ihr falsches Großtechnologiedenken auf die jungen Nationalstaaten übertragen hat.

Das sind die Bedingungen, unter denen die Befreiungsbewegungen kämpfen und die bei jeder Kritik berücksichtigt werden müssen. Kritik ist wichtig und richtig, aber wer ausschließlich seine Werte und Utopien überträgt und zur Bedingung für Solidarität macht, gerät in eine Situation, in der seine Politik zum Kolonisationsfaktor gegen die Kämpfe im Trikont wird. Das Bewußtsein über die Ungleichheit der Bedingungen beinhaltet auch, daß die Völker der drei Kontinente ihre eigenen Organisationsformen entwickeln müssen, genau wie wir unseren Kampf unter unseren Bedingungen führen müssen. Und die Fehler, die sich nicht mit den oben genannten Punkten erklären lassen, sind Ausdruck von "Verrat und korrupter Moral" und eben nicht, wie die RZ schreiben im 'Wesen der Staatsgründung" begründet. Diese Position ist nichts anderes als kleinbürgerlicher Anarchismus.

"... Wir durften uns mit den völkisch- ethnischen Parolen nicht zufrieden geben. auf denen das unartikulierte Miteinander von KämpferInnen und Kommandanten basierte..." Eine solche Denunziation wie obige entlarvt eher die Verfasser als die Adressaten der Kritik. Der Begriff völkisch ist eindeutig faschistisch belegt durch den deutschen Nationalsozialismus, war Grundlage seines Vernichtungsprogramms gegen Millionen Juden, Jüdinnen, Roma, Sinti, Polinnen und Russinnen. Es kennzeichnet die Unaufrichtigkeit, daß zu anderen Themen, wo es opportun erscheint, so viel Wert auf dieses Kapitel der Geschichte gelegt wird, und hier gleichzeitig so leichtfertig mit den Begriffen, die durch diese Zeit geprägt wurden, umgegangen wird. Der Umgang, der in Befreiungsbewegungen miteinander geführt wird, ist natürlich nicht immer so, wie er lange in den idealistischen Vorstellungen der Metropolenlinken - als scheinbare Verwirklichung der eigenen Utopien. existierte, diesen ober als unartikuliertes Miteinander" zu bezeichnen, verrät eine tiefe rassistische Verachtung der RZ gegenüber den GenossInnen im Trikont.

Zum Metropolenmythos des Volkskrieges: Es stimmt, daß es revolutionsromantische Vorstellungen vom Volkskrieg gibt, die ein realitätsfernes Bild vom sauberen Krieg vermitteln, die Elend und Leid unter den Tisch kehren und Kämpfe im Trikont idealisieren. Es stimmt aber genauso, daß es revolutionsromantische Vorstellungen gibt, die davon ausgehen, es gäbe andere Wege zur Befreiung, als die bewaffnete Gewalt gegen den Imperialismus als Ausdruck des politischen Kampfes des Volkes. Aus dem Charakter der imperialistischen Staaten, aus ihrer Praxis von Vietnam über Korea bis zum Golfkrieg, kommt die Erfahrung, daß den Imperialisten jedes Mittel bis hin zum Völkermord recht ist, um politisch störende Faktoren zu bekämpfen.

Den Befreiungsbewegungen eine Mitverantwortung an "Frauen und Kindern in Flüchtlingslagern" etc. zu geben ist in höchstem Maße zynisch, wenn die Alternativen berücksichtigt werden, ein Leben in Elend, ohne den Funkender Hoffnung auf Zukunft (Jedes Jahr sterben mehr Menschen an Hunger und fehlender ärztlicher Versorgung, als im gesamten 2.Weltkrieg"). Wenn die RZ den Befreiungsbewegungen vorwerfen, den Sieg zu wollen und die Macht übernehmen zu wollen, ist es ein weiterer Ausdruck davon, alles aus dem Metropolenblickwinkel zu betrachten, in dem die Notwendigkeit des Sieges nicht in ihrer existenziellen Bedeutung begriffen wird, da die materielle Situation eine andere ist. Es sind eben nicht die Ausbeutungsverhältnisse in den Metropolen, die den mörderischsten Teil des Imperialismus darstellen, diese werden ja schließlich auf Kosten der Trikontvölker abgemildert und damit befriedet.

Zusammenarbeit mit Befreiungsbewegungen / Solidarität

Die RZ schreiben: "Es ist eine Kritik an falschen Harmonievorstellungen, wie wir sie lange Zeit gehabt haben und die hier vor allen von Seiten antiimperialistischer Gruppierungen ungebrochen genährt werden. Die Selbstverständlichkeit mit der jede revolutionäre Gruppe oder Bewegung internationale Solidarität auf ihre Fahnen schreibt, steht im Widerspruch, sie einzulösen. Existenz und Gewalt des gemeinsamen Gegners reichen nicht aus, um die Gegensätze und Konflikte in den eigenen Reihen einzudämmen. Immer wieder brechen auch hier Antagonismen auf, die ihre Ursache in der Unterschiedlichkeit von Interessen und Zielvorstellungen oder in selbst errichteten ideologischen Barrieren haben".

Ein aufschlußreiches Zitat mit vielen Unterstellungen. Daß die RZ mit ihren hier formulierten Positionen einen Antagonismus (unversöhnlicher Gegensatz) zu den Befreiungsbewegungen darstelIen, sehen wir auch so.

Die Harmonievorstellungen, die Gleichsetzerei der Kämpfe sind Erscheinungen, die kritisiert werden müssen. Natürlich ist der Kampf der RAF nicht mit dem z.B. der PKK gleichzusetzen, genauso, wie die Straßenschlacht in Kreuzberg einen grundsätzlich anderen Charakter hol, als die "riots" in Brasilien. Nur: die Tendenz, die Kämpfe gleichzusetzen verliert ständig an Bedeutung. Die meisten derjenigen, die so gearbeitet haben, machen heule nichts mehr. Die Genossinnen, die heute mit Befreiungsbewegungen zusammenarbeiten, tun dies in ihrer überwiegenden Mehrheil im Bewußtsein der Unterschiedlichkeit der Kämpfe. So ungebrochen wie die RZ tun, wird weder "genährt' noch "auf die Fahne geschrieben", das ist reine Polemik. Die Erkämpfung einer internationalistischen Position hier in den Metropolen ist ein Ergebnis aus der Geschichte der revolutionären Kämpfe seit ihrer Entstehung. Sicher gibt es auch immer GenossInnen, die unhinterfragt 'Hoch die internationale Solidarität" rufen, dies ist aber sowohl ein Problem des Metropolenstatus, des Verflachens der revolutionären Politik in den letzten Jahren, als auch ein Produkt der Schwäche der internationalistischen Kräfte, denen es oft nicht gelingt, ihr Bewußtsein so zu vermitteln, daß es andere überzeugt, begeistert, mitreißt und zu genauerer Auseinandersetzung anregt.

Auch geht es nicht darum, durch die Existenz des gemeinsamen Gegners Konflikte einzudämmen. Es geht darum sie auszutragen, sich gegenseitig zu kritisieren und trotzdem zu wissen, daß es einen gemeinsamen Gegner und gemeinsame Interessen, sowie auch punktuell unterschiedliche Interessen gibt.

Hier zeigt sich, daß die RZ ihr olles kritikloses Unterstützungsverhältnis zu Befreiungsbewegungen nicht aufgearbeitet haben, sondern nach dem Motto "Wirds schwierig, such ich mir was Neues", verdrängt hat. Klar ist dann auch, daß es keine Debatte über ideologische Fragen gibt, sondern "selbsterrichtete ideologische Barrieren". Es geht auch nicht darum, ob die Existenz des gemeinsamen Gegners für irgendwas ausreicht, sondern darum, daß es eine weltweite Situation gibt, die geprägt ist von der Existenz der imperialistischen Staaten und deren Interessen. Diese Situation führt dazu, daß Kämpfe, die sich nicht auf andere Kämpfe beziehen, perspektivisch in der Bedeutungslosigkeit verschwinden, wie Gerd Albartus richtig analysiert hat. Eine weitere Säule internationalistischen Denkens ist das Ablehnen unseres Metropolenstatus, weil er nur durch die absolute Verelendung des Trikonts möglich ist. Die revolutionäre Moral "Unter uns keine Sklaven über uns keine Herrn", beinhaltet die Solidarität mit den "Sklaven".

2. Entebbe, "Israel" und Revolutionäre Gewalt

Zur Aktion in Entebbe

Die Aktion um Entebbe stellt - so die RZ - einen Wendepunkt in ihrer Geschichte dar: Er löste den Rückzug aus den internationalen Kontakten aus. Zwar sei "Entebbe kein Einzelfall (gewesen), wohl aber der Kulminationspunkt einer Entwicklung".

Entebbe nimmt somit einen zentralen Platz nicht nur in der Geschichte der RZ, sondern auch in ihrem Papier ein: 'Kulminationspunkt' bedeutet, daß sich in dieser gescheiterten Aktion die politischen, strategischen und praktischen unüberbrückbaren Differenzen focusartig verdichteten und zum Ausdruck kamen und als solche dargestellt werden können. Diese Bedeutung wird Entebbe zumindest von den RZ zugewiesen.

Dies und die Tatsache, daß sich die RZ seit 1976 noch nie umfassend zu Entebbe geäußert hoben, erfordert zweierlei:

  1. Eine politische Stellungnahme zu dem bisherigen Nichtverhalten und eine politische Einschätzung der politischen Folgen eben der Tatsache, daß der imperialistischen Propaganda die politische Aufbereitung der mißglückten Aktion überlassen wurde und Entebbe seither als wunder Punkt, als 'irgendwie düsteres Kapitel der revolutionären Linken gilt.
  2. Heute eine mögIichst umfassende und politisch genaue (das bedeutet keine Offenbarung in praktischen Fragen) Darstellung der Aktion, ihrer ursprünglichen Planung, ihrer Entwicklung, ihres veränderten Ablaufs und der politischen Antworten darauf. Das ist nicht nur wichtig, um die im ersten Punkt angedeuteten von der RZ zu verantwortenden Fehler zu korrigieren, endlich eine produktive Auseinandersetzung mit dieser Aktion und v.a. ihrer Folgen für die Linke zuzulassen. Insbesondere müßte dies im Interesse der RZ heute sein, um die Diskussion über ihre politischen Erfahrungen, die an Entebbe 'kulminierten', über ihre politische Kritik und ihre Schlüsse daraus zu ermöglichen.

Nichts dergleichen zumindest im von uns verstandenen Sinne einer politischen Diskussion. geschieht, sondern:

Die RZ kolportieren die Propagandalüge von der 'Selektion jüdischer Menschen' von allen nicht- jüdischen durch das Kommando.

Seit 1976 dient diese Behauptung als 'Beleg' für den 'Antisemitismus der 'Linken' und hat sich mittlerweile so verfestigt, daß sie auch in linksradikalen Kreisen kaum mehr zurückgewiesen wird. Wenn eine Lüge hundertmal wiederholt wird, so wird davon nichts wahrer, aber sie schafft sich eine eigene Realität. Sie beginnt zu wirken - vor allem dann, wenn Name und Tonfall der VerbreiterInnen deutlich zu machen versuchen: 'Wir wissen mehr als ihr'. Eine Auswahl der Geiseln unter dem Kriterium Juden/Nichtjuden hat nicht stattgefunden.

Tatsächlich ließ das Kommando in Bengasi und Entebbe Menschen aus den Staaten aussteigen, deren Regierung keine der GenossInnen gefangen hielten, deren Freilassung erreicht werden sollte. Kriterium dafür waren die Personalpapiere. Weiter als Geiseln im Flughafengebäude festgehalten wurden israelische und französische Staatsbürger. ( Wir verweisen in diesem Zusammenhang auf die Stellungnahme der KB Mehrheit im ak 338 vom 13.1.92)

Die Vorgehensweise, einen Teil der Passagiere aus einer solch zugespitzten Situation wie einer Flugzeugentführung zu entlassen, beinhaltet das Kalkül, mit den verblichenen Geiseln weiter Druck auf deren Regierungen ausüben zu können. Damit werden sie objektiv einer Gefahr ausgesetzt, auch wenn subjektiv Anstrengungen unternommen werden, daß dies nicht geschieht.

Mit diesen Fragen, die den Kern des äußerst problematischen Mittels der Flugzeugentführung beschreiben, hat sich beispielsweise die RAF im Maipapier 982 auseinandergesetzt. Wie die palästinensischen Kräfte die Frage der Gefährdung von Menschen aus den Metropolen bei antiimperialistischen Aktionen diskutiert haben, wissen wir nicht. Seit den 70er Jahren ist uns jedoch kein Fall mehr bekannt, in dem linke Guerillakommandos Flugzeugentführungen durchgeführt haben.

Das heißt nicht, daß diese Diskussion abgeschlossen sein muß. Dafür leisten die RZ aber keinen Beitrag. Stattdessen übernehmen sie in ihrem Papier eine Falschmeldung, deren einzige Funktion es war und ist, den palästinensischen Kampf und den der beiden getöteten GenossInnen, Wilfried Böse und Brigitte Kuhlmann, als antisemitisch darzustellen.

Gerd Albartus saß 5Jahre im Gefängnis: Er habe - so die Justiz - versucht, ein Kino in dem der Film Entebbe lief, in Brand zu stecken. Was für ein Ziel dieses Anschlages ist denkbar? Doch nur das, die Verbreitung eines Filmes anzugreifen, der das Blutbad von Entebbe glorifizieren und die gefallenen Genossinnen und Genossen und ihren politischen Kampf denunzieren sollte.

Wie es zu einer Übernahme dieser Propagandageschichte kommen konnte, können nur die RZ klären.

Neben diese Falschmeldung fehlt es auch an weiteren Informationen, die Entebbe politisch diskutierbar machen. Was die RZ darlegen, sind Wertungen bestimmter Vorgänge. So lassen sie uns beispielsweise wissen, sie hätten schon damals kritisiert, "daß dem Kommando im Zuge der Operation die Befehlsgewalt entzogen worden war und die GenossInnen (...) bloß noch die Weisungen zu befolgen hatten, die an anderer Stelle und fernab des Geschehens ausgegeben wurden." Wer die Möglichkeit eröffnen will, aus der Aktion und den politischen Fehlern, die sich darin ergaben, zu lernen, der/die muß auch deutlich machen, ob z.B. die palästinensischen Genossinnen diesen Vorgang auch als "Entziehen der Befehlsgewalt" benennen und wenn ja, was die Gründe für diesen Schrill waren.

In Entebbe stießen weitere Guerillas zu dem Kommando. Waren dies die neuen 'Chefs', die Überbringer der 'Weisungen" von "fernab des Geschehens"? Oder sind nicht ganz andere Gründe möglich: Eine Verlagerung der Verhandlungen auf eine weitere Instanz ist als Möglichkeit denkbar, um dem Kommando in schwieriger Lage einen Raum zu geben und Druck von ihm zu nehmen. Es fehlt an jeder Grundlage solche Fragen zu diskutieren. Es wäre Aufgabe der RZ gewesen, die verschiedenen Begründungen und politischen Haltungen in irgendeiner Form öffentlich zu machen (ohne praktische Details offenzulegen), um den behaupteten Kulminationspunkt einer Entwicklung "in dem wir uns mehr und mehr von dem entfernt hatten, wofür wir mal angetreten waren" in beiden Aspekten - dem der palästinensischen Kräfte und der RZ - politisch greifbar zu machen. Dafür stellt der Entebbe -Teil des RZ-Papiers nichts zur Verfügung. Information wird wider besseres Wissen vorausgesetzt, um Meinungen verbraten zu können. Mensch kann den RZ nur glauben (oder auch nicht). Doch Glaube ist kein tragfähiger Boden für politische Bewertungen.

Entebbe - nicht die Tatsachen aus, nicht die politische Diskussion um Entebbe - sondern der nun jahrealte düstere Fleck "Entebbe" wird benutzt, um eine grundsätzliche politische Entscheidung daran aufzuhängen. Die Funktion ist eine rein illustrative: ein Bildchen, das die rechte Stimmung verbreitet, um im weiteren die Befreiungsbewegungen - nun plötzlich so ganz allgemein ... - im Licht obskursten "Ieninistisch-stalinistischen" Herrschaftsdranges erscheinen zu lassen.

2.2. zu "ISRAEL"

Politisch entwickeln die RZ ihre Position zu "Israel" an der Aktion in Entebbe und ideologisieren ihren eigenen Rückzug, wie soviele im Moment. Während die RZ keine Probleme damit haben, trotz der geschichtlichen Belastung aus der "deutschen Geschichte", den Begriff "völkisch" zu verwenden und damit Befreiungsbewegungen zu denunzieren, kommt es nun zu "Israel" scheinbar sehr genau: "Der schwarze September der Palästinenser, die israelischen Luftangriffe auf die Flüchtlingslager, das Massenelend in den besetzten Gebieten, das Regime des Schreckens, das die Besatzungsmacht dort ausübte, die Berichte aus den israelischen Gefängnissen waren uns Grund genug und zugleich Vorwand, unser Wissen über Auschwitz in den Hintergrund zu drängen. Wir machten uns die Losungen des palästinensischen Befreiungskampfes zu eigen und setzten uns darüber hinweg, daß unsere Geschichte eine vorbehaltlose Parteinahme ausschloß." (...) " Wir sahen Israel nicht mehr aus der Perspektive des nazistischen Vernichtungsprogramms. sondern nur noch aus dem Blickwinkel seiner Siedlungsgeschichte: Israel galt uns als Agent und Vorposten des westlichen Imperialismus mitten in der arabischen Welt, nicht aber als Ort der Zuflucht für die Überlebenden und Davongekommenen, der eine Notwendigkeit ist, solange eine neuerliche Massenvernichtung als Möglichkeit von niemanden ausgeschlossen werden kann, solange also der Antisemitismus als historisches und soziales Faktum fortlebt."

Es geht nicht um ein subjektives Empfinden,ob 'Israel' als Agent und Vorposten der Imperialisten in der arabischen Welt gilt, 'Israel' ist Agent und Vorposten der Imperialisten in der arabischen Weil (daß es in den arabischen Regimes auch noch andere Verbündete der Imperialisten gibt, schwächt dies nicht ab)!

Judenverfolgung und Antisemitismus, sind Fragen, die heute In den Köpfen sind, wenn über Israel diskutiert wird; aber 'Israel" als Zufluchtsort ist keine Lösung.

Die Shoa (Judenvernichtung), sowie Antisemitismus allgemein, können nicht dafür herhalten, daß den Palästinenserlnnen ihr Land geraubt wurde, und erst recht nicht dafür, daß Teile der Linken dies propagieren. In Deutschland wurden die Juden fabrikmäßig geplant vernichtet. Es gibt die Position, die Juden seien durch die Shoa zum Volk geworden. Die Vertreterlnnen dieser Position, die daraus das Existenzrecht "Israels' herleiten kommen aber bezeichnender Weise nicht auf den Gedanken, für einen solchen Staat einen Teil Deutschlands zu beanspruchen, sondern es ist das alte Muster daß Konflikte aus den Metropolen im Trikont ausgebadet werden müssen.

Unsere Konsequenz aus der Geschichte ist eine andere. Es geht darum, Rassismus, Antisemitismus, Verfolgung und Faschismus zu bekämpfen mit dem Ziel, gesellschaftliche Verhältnisse zu schaffen, in denen es keine Verfolgung und Unterdrückung mehr gibt. Dies schließt den Kampf gegen den Staat "Israel" und für Palästina mit ein.

Die RZ kritisieren sich: "Wo wir unter anderen Voraussetzungen auf der Unterscheidung zwischen oben und unten beharrten, sahen wir im Nahen Ostern vor allem gute und schlechte Völker". 'Oben und unten' gibts nun mal nicht als objektive Kriterien, weil sie sich Immer in Relation zueinander definieren. Es ist also notwendig, analytische Faktoren hinzuzuziehen: 'Israel' ist ein Staat mit einer kolonialen Siedlerstruktur, die die Vertreibung und Vernichtung der palästinensischen Bevölkerung zum Ziel hat. Die palästinensische Gesellschaft hat den Klassencharakter aller arabischen Gesellschaften. Die palästinensische Bourgeoisie hat nicht das Interesse, den antizionistischen Kampf in seiner antiimperialistischen Konsequenz zu führen, was einen Bruch mit den arabischen Regimen, mit dem sie kollaborieren zur Folge hätte. Die revolutionäre palästinensische Linke hatte immer die Position, den antizionistischen Kampf als Teil einer arabischen revolutionären Entwicklung zu führen. Dies ist der Kampf, den wir unterstützen.

Der Kampf des palästinensischen Volkes ist vergleichbar mit dem der afrikanischen und asiatischen Völker gegen ihre Kolonialherren. Es ist das Recht der kolonialisierten Völker, gegen ihre Kolonialherren zu kämpfen, das kann auch die untere Klasse des kolonialisierenden Volkes einschließen, wenn diese nicht bereit ist, gemeinsam mit dem unterdrückten Volk gegen die Kolonialisierung zu kämpfen. Jeder, der Land besetzt und raubt, muß mit dem Widerstand und Haß derer rechnen, die bestohlen wurden. In "Israel' ist eine jüdische antizionistische Position zwar vorhanden, die den Staat 'Israel' ablehnt, aber sie ist so marginal, daß es verwundert, wie sehr sich die PalästinenserInnen bemühen, auf diese einzugehen und mit diesen zusammenzuarbeiten. Nur eine Verschärfung des Kampfes gegen 'Israel' kann die zionistische Gesellschaft dermaßen polarisieren, daß es letztlich zum Bruch eines Teils der unterdrückten Klasse in 'Israel' mit dem Zionismus kommt.

Weiter behaupten die RZ tatsächlich doch "Wo zwei ethnische Gemeinschaften Ansprüche auf dasselbe Stück Land erheben, gibt es keine revolutionären Lösungen". Wer so denkt, kann keine revolutionären Lösungen finden. Wenn es nicht mehr darum geht, das Richtige durchzusetzen, sondern 'Ausgleich' zu finden, kann es nur reformistische Lösungen geben. Auch der bewaffnete Kampf verkommt dann zum bewaffneten Reformismus.

Das erklärte Ziel des palästinensischen Befreiungskampfes ist ein säkulares Palästina, d.h. ein Palästina, in dem Juden und Palästinenser gleichberechtigt leben können (und natürlich nur die, die das so wollen). Soviel zu den angeblich 'nicht vorhandenen revolutionären Lösungen'.

Der Charakter 'Israels', war den RZ "Grund genug und zugleich Vorwand", trotz Auschwitz gegen 'Israel' zu kämpfen. Wieso Vorwand? Es ist nun mal so: die Punkte, die die RZ aufführen, warum 'Israel' bekämpft werden muß, sind gute Gründe. Die zionistische Ideologie, die (unabhängig von den heutigen Kräfteverhältnissen in der UNO) rassistisch und die unabdingbare Grundlage des Staates 'Israel' ist, steht einer Lösung im Interesse der Völker entgegen: 'Israel' muß weg!

Wenn die RZ Ihre Positionen zu "Israel' ungenau entwickelt hatten, hätten sie diese genauer entwickeln sollen, statt dessen schieben sie Gründe vor, sich nicht mehr damit auseinandersetzen zu müssen. "Wir hatten allen Grund zur Zurückhaltung, wenn wir uns mit Motiv und politischem Gehalt des Antizionismus beschäftigten. (...) Das Dilemma der politischen Abstinenz, das sich daraus ergab. schien einigen von uns dahingehend auflösbar, daß wir den Begriff der NS-Kontinuität und unser Leben in diesem Land zu Anlaß nahmen, nach den Spuren jüdischen Widerstands gegen die nationalsozialistische Neuordnung zu suchen und uns darauf zu beziehen, als daß wir zwecks Legitimation und Befriedigung des eigenen Handlungsbedarfs politisch fatale Analogien zogen, wie dies in manchen Dokumenten des linken Antizionismus geschieht."

Der schwelende Vorwurf, linker Antizionismus sei antisemitisch geprägt, wird seit langem als Propagandaargument gegen die Solidaritätsarbeit zu Palästina benutzt. Und diese Anschuldigung wird von den meisten (so auch von den RZ) benutzt, um wie zuletzt im Golfkrieg. eine pro-israelische Politik zu legitimieren. Die Argumentation arbeitet mit der Gleichsetzung "Israels' mit den Juden und der Bezeichnung "Israels ',als Judenstaat. Diese Gleichsetzung, die sowohl von Zionisten als auch von Teilen des linken Spektrums vorgenommen wird, hat weitreichende Folgen. Durch diese Methode wird Antisemitismus gefördert. Antisemitismus ist wie jede Form von Rassismus durch nichts zu entschuldigen. Die Gleichsetzung "Israels" mit Juden und die des antizionistischen Kampfes mit Antisemitismus, leistet diesem aber Vorschub. Die Assoziierung "Israels" mit dem "Judenstaat" führt im Bewußtsein der Bevölkerung dazu, daß durch den Charakter und die Praxis Israels '"anti-jüdische Ressentiments" verstärkt oder sogar erzeugt werden. Eine Auseinandersetzung in unseren Reihen sollte immer das Ziel haben, genauere und bessere Positionen zu entwickeln und sie sollte solidarisch geführt werden. Das schließt das leichtfertige Umherwerfen mit Antisemitismus-Unterstellungen aus.

Die Frage ist auch, ab der Antisemitismusvorwurf häufig nicht nur vorgeschoben wird, sich nicht verhalten zu müssen. Hierzu nur ein Beispiel: In Hamburg bemalten Leute aus der Hafenstraße eine Wand aus Solidarität mit der Intifada mit folgenden Parolen:

"Boykottiert 'Israel'! Waren, Kibbuzin + Strände - Palästina das Volk wird dich befreien - Revolution bis zum Sieg"

Hierauf wurde sowohl von der bürgerlichen Presse, als auch von Teilen der GAL, von Reemtsma und anderen, der Vorwurf erhoben, die Hafenstraße vertrete antisemitische Parolen. Aus 'Boykottiert Israel" wurde 'Kauft nicht bei Juden'. Leute aus der Hafenstraße, aus ihrem Unterstützerkreis und aus der Solidaritätsbewegung zu Palästina, setzten sich sehr intensiv mit diesem Vorwurf auseinander. Ergebnis war eine Großveranstaltung, die von 600- 800 Leuten besucht wurde. Die Auseinandersetzung führte dazu, daß einige, z.B. viele GALier den Vorwurf zurücknahmen. Der Antisemitismusvorwurf war als Grund genannt worden, warum sie nicht mit auf die Straße gingen,um die Intifada zu unterstützen, oder warum sie die Boykottkampagne nicht mittrugen. Es ist bezeichnend, daß auch nach Ausräumen dieses Grundes keine Aktivitäten zur Unterstützung des palästinensischen Befreiungskampfes durch diese Kreise unternommen wurden.

Ein ganzes Stück ehrlicher finden wir das von der RZ proklamierte 'back to the roots' des bürgerlichen Antifaschismus: "Vergessen waren die Sätze, die Ulrike Meinhof knapp zehn Jahre zuvor aus Anlaß des Sechs-Tage-Krieges geschrieben hatte: 'es gibt für die europäiische Linke keinen Grund, ihre Solidarität mit den Verfolgten aufzugeben. sie reicht bis in die Gegenwart hinein und schließt den Staat Israel mit ein'."

Vergessen wollen die RZ heute, wie die Revolutionärin Ulrike Meinhof und andere Genossinnen und Genossen ihre frühere prozionistische , dem bürgerlichen Antifaschismus der jungen Oppositionsbewegung in den 60iger Jahren geschuldete Position theoretisch wie praktisch kritisierte und revidierte, indem sie den antiimperialistischen Kampf hier in der Metropole BRD auf die Tagesordnung setzten: (Wir empfehlen in diesem Zusammenhang das Papier der Genossinnen der RAF zum Schwarzen September, in dem ihre antizionistischen Positionen deutlich werden.).

Die RZ wollen - deutlicher läßt es sich nicht darstellen - zum Ausgangspunkt zurück: Zu der bürgerlichen Bewegung, die, da ihr antiimperialistische Analyse und Praxis noch unbekannt war, die von den Geschwistern Scholl wußte und deren integere individuelle Haltung bewunderte, aber der der kommunistische Widerstand noch unbekannt war - Zurück zu der Bewegung, die das Grauen vor den Verbrechen der "Vätergeneration" im Faschismus in eine zutiefst philosemitische Haltung den "Schutz Israels" als lebenslange Buße der "Kollektivschuld" - transferierte.

Augen zu und durch: Was den RZ bei diesem Gewaltmarsch zurück ins bürgerliche Lager alles unterläuft, scheint ihnen nicht mehr bewußt zu werden: Der selbstgezogene Verweis auf den Krieg 67 im Zusammenhang mit der proklamierten 'Solidarität mit "Israel" kann nur als Legitimation der zionistischen Expansion - der Besetzung des Sinai, der Golanhöhen, Gazas und der Westbank verstanden werden. Der "Schutz Israels" - nichts anderes war die zionistische Propaganda-Klammer für diesen Krieg im Juni 67. Dieser Krieg stürzte, wenn auch mit zeitlicher Verzögerung. die metropolitane Linke (20 Jahre noch den Massakern von 47) in erste Widersprüche zur eigenen, anerzogenen prozionistischen Haltung. Im Zusammenhang mit dem neu erwachten antiimperialistischen Bewußt. sein der jungen Linken (Vietnam.Solidarität) begann diese erstmals antizionistische Positionen einzunehmen.

Die RZ schreiben: "Daß wir seitdem (Entebbe) nichts mehr unternommen haben, was auf israelische Einrichtungen zielte, ist uns erst wesentlich später aufgefallen." Uns ist noch etwas aufgefallen: auch zu den revolutionären Gefangen hoben sich die RZ seitdem extrem zurückgehalten. So hoben sie es geschafft, zur Zeit des letzten Hungerstreiks der Gefangenen aus der RAF und dem "antiimperialistischen Widerstand" zwei Anschläge auf Gerichte durchzuführen und in der Erklärung mit keinem Wort auf den Kampf der Gefangen einzugehen, oder sie zumindest zu grüßen!

3. Revolutionäre Gewalt / Revolutionäre Gerichtsbarkeit

"Der Sinn der Veröffentlichung ist denkbar einfach: Wir wollen verhindern, daß ein Genosse, der uns wichtig ist,

spurlos verschwindet. Wir wollen uns dem Eindruck widersetzen, als könne einer der unsren ohne Widerspruch umgebracht werden, selbst wenn uns die Mittel fehlen, dies zu vergelten. Wir wollen jeglichen Funken an Zweifel auslöschen, daß es für diese Entscheidung irgendeine Rechtfertigung gibt, die mit unseren eigenen Maßstäben in Einklang steht."

Was tun, wenn ein solches Ziel verfolgt wird? Es muß eine Auseinandersetzung mit der palästinensischen Gruppierung geführt werden, die dieses Todesurteil verhängt hat. Werden die Fragen nicht beantwortet, ist es nötig, diese Fragen öffentlich zu machen. Wo aber bleiben die Fragen an die palästinensische Gruppierung? Stattdessen erfahren wir, daß für die RZ die Integrität von Gerd außer Frage steht und es keinen Grund geben kann, der seinen Tod rechtfertigt, Es ist wichtig zu wissen, daß seine Genosslnnen aus der RZ sagen, nein, wir stehen zu ihm und können uns keinen Grund vorstellen, der mit Gerd zu tun hat. Es ist wichtig, weil es die Notwendigkeit und Bedeutung einer Untersuchung unterstreicht.

Die Möglichkeit, daß ein Genosse oder eine Genossin zu Unrecht durch die eigen Reihen getötet wird, besteht, es ist auch richtig, daß die Revolution viele ihrer besten GenossInnen auf dem Gewissen hot, und daß sich Konterrevolutionäre es oft zunutze machen konnten, mir Verratsgerüchten und Intrigen zur Schwächung und Spaltung der revolutionären Kräfte beizutragen.

Die RZ fragen nicht öffentlich, welche Gründe es gab. Es ist wichtig, zu erfahren, was die Palästinenser in ihrer Entscheidung bewogen hat, rauszukriegen, ob es ein schwerer, bitterer Fehler war, ob es eine Geheimdienstintrige war, oder was sonst vorgefallen ist. Es geht hier nicht darum, irgendwelche Gründe aus den Fingern zu saugen, deshalb nun keine Spekulationen über diese Frage. Die RZ ziehen aber Schlüsse, ohne die Voraussetzungen dafür zu haben. So wird für sie Gerds Hinrichtung zum Tribunal gegen olle "Facetten des leninistisch-stalinistischen Verständnisses nationaler Befreiung"; und eben auch zum Tribunal gegen Gerds Internationalismusverständnis und gegen das, was ihm wichtig war: gegen den palästinensischen Widerstand.

Aus ihrem alten Verständnis "Unser Begriff von Solidarität verbot Kritik an den GenossInnen; eine Diskussion über Fehler lehnten wir ab..." ist das Erkämpfen eines kritisch-solidarischen Verhältnisses natürlich schwierig, die RZ haben das nicht geschafft oder nicht versucht und sich stattdessen auf andere Themen konzentriert und ihre Erfahrungen zum Allgemeingut erhoben. So kommt es, daß sie sich nicht vorstellen können, daß es auch anders geht; daß sie denken, daß alle, die andere Erfahrungen und Lehren gezogen haben, sich was vormachen. So kommt ihre Verachtung für Genossinnen, denen die Zusammenarbeit mit Befreiungsbewegungen wichtig ist, so kommt es, daß von den RZ nicht ihre eigenen Fehler selbstkritisch hinterfragt werden und sie es versuchen besser zu machen, sondern, daß die, mit denen sie einst gekämpft haben, zum Fehler erklärt werden, indem der Nationale Befreiungskampf zum Fehler erklärt wird.

Die Völker im Trikont schaffen sich die Organisationsformen, von denen sie sich am meisten versprechen. In vielen Ländern sind dies nationale Befreiungsbewegungen. Diese hoben das Recht, eine Gerichtsbarkeit zu entwickeln, die den Bedingungen ihrer Kämpfe entspricht, und die auch das Recht einschließt, als äußerstes Mittel mit dem Tod zu bestrafen. Unser Vertrauen, daß dieses Mittel nicht leichtfertig angewandt wird, schließt die Möglichkeit von Fehlern mit ein, Hinterfragen und Kritik durch uns ebenso. Mißbraucht eine Organisation ihre Gerichtsbarkeit, kann dies zum Bruch mit dieser Gruppe führen, nicht aber dazu, daß damit alle Befreiungsbewegungen in Mißkredit gebracht werden, wie faktisch durch die RZ: "Nein: die Bereitschaft zur Ermordung eines Genossen läßt sich nicht mit der Härte der Bedingungen entschuldigen. sie ist Ausdruck einer Programmatik, deren einziger Gehalt die Erringung der Macht und deren Sprache die der künftigen Despoten ist ...".

Später schreiben die RZ: "Die Auseinandersetzung, die die Ermordung von Gerd ausgelöst hat, spielt sich diesseits der Barrikade ab." Naja, diesseits ist relativ, es kommt drauf an, wo mensch sich befindet. Auseinandersetzungen auf unserer Seile der Barrikade jedenfalls laufen anders ob. Sie sind geprägt vom Willen, gemeinsam weiterzukommen.

Soziale Basis unserer Kämpfe

"1973 haben GenossInnen der RZ in einem Interview gesagt: 'Es gibt aber auch einen Teil unserer Politik, den (...) viele Genossen nicht verstehen und nicht akzeptieren, und den die Massen auch nicht verstehen und der sie vorläufig auch nicht interessieren wird. Wir halten ihn dennoch für richtig. Dieser Teil des Kampfes bezieht sich auf den Internationalismus, wo es primär um die Solidarität mit den Genossen ausländischer Guerillabewegungen geht und die Solidarität mit den kämpfenden Völkern anderer Länder. Was dort als Versuch formuliert wurde, eine Antwort auf die weltweite Ungleichzeitigkeit revolutionärer Entwicklung zu finden, war faktisch zugleich die Abkopplung vom hiesigen Sozialprozeß. Es war der Freibrief für eine Praxis, die sich um politische Vermittlung nicht einmal dem Anspruch nach zu bemühen braucht "

Solch ein Zitat alleine kann kein Freibrief sein, es ist die Frage, wie er verstanden wird. Es gibt in der BRD derzeit keine Analyse über den Charakter der Metropolenbevölkerung im internationalen Zusammenhang, und die daraus resultierenden Analysen über die Bedeutung der sozialen Kämpfe hier, über den Stellenwert, die Rolle und die Aufgaben revolutionären Kampfes hier fehlen. Das ist kein Problem einzelner Strömungen, sondern eine allgemeine Erscheinung. Es ist eine der wichtigsten Aufgaben, die anstehen, wenn wir nicht ewig vor uns hinarbeiten wollen, ohne zu wissen, was dabei rauskommt. Die Orientierung Ende der 70er/ Anfang der 80er Jahre auf die Anti-AKW-Bewegung, auf die antimilitaristische Bewegung; über das Entdecken der Arbeiter von Rheinhausen und die Definition einiger Stadtteile zu 'unseren Vierteln', haben eins gemeinsam: Es waren Versuche, eine soziale Basis zu gewinnen, ohne klar zu haben, was das hier sein kann. In Situationen, in denen eine richtige, die Befreiungsbewegungen miteinbeziehende Analyse fehlt, ist es durchaus legitim, in der Praxis danach zu suchen. Das Ergebnis davon ist aber mehr als mager. Es gibt keine Definition dessen, was hier 'Sozialprozeß' ist und es gibt insbesondere keine Einordnung des 'Sozialprozesses' in das internationale Kräfteverhältnis, keine aktuelle Analyse über die Bedeutung von Kämpfen hier im internationalen Zusammenhang. Im Zeitalter des Imperialismus gibt es keinen Sozialprozeß in den Metropolen, der unabhängig von seinen weltweiten Auswirkungen bestimmt werden kann.

Ausgehend davon,. daß der relative Wohlstand und die Befriedung in den Metropolen mit dem Blut und Elend der Menschen im Trikont erkauft ist, ist es nicht verwunderlich, sondern Ausdruck dieses Verhältnisses, daß internationalistische Aktionen und Positionen keine Massenbasis erreichen. Aber unabhängig davon ist eine solche Arbeit richtig und notwendig, wenn wir uns im internationalen Zusammenhang begreifen, was die Genossinnen aus den RZ 1973 noch bestätigen konnten.

Die RZ sollten untersuchen, ob es nicht eher an ihrer Rangehensweise im Konkreten.z.B. der großen Bedeutung der militaristischen Komponente in der Zusammenarbeit und der geringen Bedeutung der politischen Debatte darin lag, daß sie sich von Verantwortung für ihr Tun losgesagt hoben, als an einem solchen, bei richtiger Methode richtigen Zitat. Es gab und gibt einen Mythos von Militanz und dadurch eine Blindheit für politische Fragen, (leider wird auch zu dieser Frage wie zu vielen anderen das Kind häufig mit dem Bade ausgeschüttet.)

Das Ziel, unseren internationalistischen Kampf auf eine breitere Basis zu stellen und hier bei aller Schwäche effektiver eingreifen zu können, beinhaltet die Notwendigkeit, internationalistische Politik zu vermitteln. Es ist ein Ausdruck des falschen Politikverständnisses der RZ, wenn sie sagen: "... was wir auf internationaler Ebene machten, war nicht die antiimperialistische Dimension dessen, wofür wir in der B RD kämpften, sondern stand in krassem Gegensatz dazu." Es zeigt, daß die RZ es nicht versucht haben, daß was sie "in der BRD" machten, international einzuordnen, bzw. ihre lokale Praxis internationalistisch zu hinterfragen und die internationale Praxis an ihren Zielen zu hinterfragen. Die weltweiten Zusammenhänge und die Unterschiedlichkeit der Bedingungen in den Metropolen und im Trikont, sind der Grund dafür, daß die Kämpfe im Trikont nicht die direkte internationale Dimension der Massenkämpfe in den Metropolen (so sie denn stattfinden) sein können.

Weiter schreiben die RZ "Wir mußten uns entscheiden. Wer unsere Politik in den 80er Jahren verfolgt hat, weiß, wie diese Entscheidung ausgefallen ist."

Auch wir teilen die Position Gerds und anderer GenossInnen:

Der Preis, den ihr für die "Hervorkehrung Eurer Autonomie" bezahlt habt, ist, international betrachtet, das Verschwinden in der Bedeutungslosigkeit!

3. Februar 92

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http://www.freilassung.de/div/texte/rz/ai92.htm