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Der Kronzeuge als Märchenonkel

Der "Fall" Nonne markiert den traurigen Höhepunkt verfassungsdienstlicher Hybris

Der "Kronzeuge" der Bundesanwaltschaft im Mordkomplex Herrhausen, Siegfried "Siggi" Nonne, ist auch zum Kronzeugen gegen die Kronzeugenregelung und wider die Legende von der parlamentarischen Kontrolle über die sogenannten Dienste geworden. Beamte des hessischen Landesamtes für Verfassungsschutz sollen einen kranken Mann erpreßt haben, um der Öffentlichkeit nach Jahren der Erfolglosigkeit im Kampf gegen die sogenannte dritte Generation der RAF im Fall Herrhausen einen "Fahndungserfolg" präsentieren zu können. Nonne ist nach eigenen Angaben ein Opfer der Skrupellosigkeit von Verfassungsschützern geworden, denen die Verfassung nicht mehr das Schwarze unter den Fingernägeln wert scheint. Deshalb hatte der "Kronzeuge" Nonne - nach Angaben einer Autorin des ARD-Brennpunktes - mehr Angst vor den Agenten aus Wiesbaden als vor den Terroristen aus dem Untergrund.

Daß die Bundesanwaltschaft und der oberste Dienstherr des Landesamtes für Verfassungsschutz, Hessens Innenminister Herbert Günther (SPD), dennoch an der Legende von den Topterroristen in der Wohnung des psychisch kranken Nonne festhalten, obgleich es keinerlei Indizien gibt, ist Beleg dafür, daß in Karlsruhe und Wiesbaden ganze Welten wie Kartenhäuser zusammenzufallen drohen.

Selbst wenn Nonne erneut gelogen haben sollte, ist der "Kronzeuge" längst als notorischer Märchenerzähler diskreditiert - und noch der schlichteste Anwalt dürfte eine sich auf die Aussagen Nonnes stützende Anklage der Bundesanwaltschaft "mit links" zum Einsturz bringen.

Der "großartige Fahndungserfolg" (Günther) vom Sommer 1991 hat sich als größter Flop in der Geschichte der bundesdeutschen Dienste entpuppt - größer als das "Celler Loch". Wenn ein aufrechter Staatsanwalt demnächst den gerichtsfesten Nachweis dafür erbringen kann, daß sich der Verfassungsschutz mit den Methoden einer kriminellen Vereinigung tatsächlich einen "Kronzeugen" gebastelt hat, dürfte die sogenannte Kronzeugenregelung auf Dauer mehr als nur in Verruf geraten sein. Welche Konsequenzen die parlamentarischen "Kontrolleure" in den Geheimdienstausschüssen aus all dem ziehen, müssen die Abgeordneten mit ihrem Gewissen abklären. Zwei "Bauernopfer" im hessischen Landesamt für Verfassungsschutz werden nicht verhindern, daß aus der konstatierten Parteienverdrossenheit eine handfeste Staatsverdrossenheit wird.

Klaus-Peter Klingelschmitt

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