www.freilassung.de
Zurück zur Startseite  
Satire

GBA

An den
Ermittlungsrichter
des Bundesgerichtshofes
(...)

(...)

Betrifft:

Ermittlungsverfahren gegen Axel (...) wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung gemäß u.a.;

hier: Postüberwachung - Anhalten einer Postkarte an den Beschuldigten mit beleidigendem Inhalt

Anlagen

1 Bildpostkarte "Die sieben Todsünden / Völlerei" mit Absender "Roland"

2 beglaubigte Ablichtungen dieses Antrages

Die vorbezeichnete Anlage übersende ich mit dem Antrag,

die dem Beschuldigten H(...) mit dem Poststempel vom 26.Oktober 2000 und der Absenderangabe "Roland" zugesandte Postkarte mit dem Bildmotiv "Die sieben Todsünden / Völlerei" gemäß § 119 Abs. 3 StPO anzuhalten und zu den Akten zu nehmen.

Gründe:

I. (... Hier steht, daß Axel in Wuppertal sitzt usw.)

II. Die mit dem Poststempel vom 26. Oktober 2000 und der Absenderangabe "Roland" versehene an den Untersuchungsgefangenen gerichtete Bildpostkarte ist am 28. Oktober 2000 im Rahmen der Postkontrolle bei der Bundesanwaltschaft eingegangen. Die Postkarte zeigt auf der Vorderseite die karikaturartige Zeichnung eines fettleibigen Mannes, der mit herabgelassener Hose auf einer Toilettenschüssel sitzend gierig ein vor ihm auf einem Tisch liegendes gebratenes Schwein verzehrt. Auf der Rückseite der Karte befindet sich der Text:

"Lieber Axel, ich finde es erschütternd, dass unser Bundeskanzler A.D. jetzt auf Postkarten wie dieser dargestellt wird.Liebe Grüße Roland".

(Schreib und Zeichensetzungsfehler entsprechen dem Original)

III Das Anhalten der Postkarte ist zur Aufrechterhaltung der Ordnung in der Vollzugsanstalt notwendig (§ 119 Abs. 3 StPO). Das Schreiben enthält eine grobe Beleidigung des Altbundeskanzlers Dr. Kohl (Nr. 34 Abs. 2 Nr.2 Untersuchungshaftvollzugsordnung). Selbst wenn man in Rechnung stellt, dass für Karikaturen Übertreibungen "strukturtypisch" sind und Personen, die im öffentlichen Leben stehen in verstärktem Maße Zielscheibe öffentlicher, auch satirischer Kritik sind, überschreitet die Darstellung die Grenze des Zumutbaren.

Der Text der Postkarte setzt die Person des Altbundeskanzlers in Beziehung zu der entwürdigenden Darstellung eines auf einer Toilettenschüssel sitzenden, gierig schlingenden fettleibigen Mannes. Dem Verfasser ging es anders als in den üblichen Darstellungen nicht nur darum, bestimmte Charakterzüge oder die Physiognomie eines Menschen zu kennzeichnen oder zu überspitzen, beabsichtigt war offenkundig ein Angriff auf die personale Würde des Karikierten, Nicht seine menschlichen Züge, seine persönlichen Eigenarten, sollten dem Betrachter durch die gewählte Verfremdung nahegebracht werden. Vielmehr sollte gezeigt werden, dass er in seiner gesamten Persönlichkeit von Gier bestimmt sei. Dadurch soll der Betroffene als Person entwertet und seiner Würde als Mensch entkleidet werden (vgl. BVerf GE 75, 369 ff).

Der Text der Postkarte, wonach der Verfasser sich "erschüttert" über eine solche Darstellung des Altbundeskanzlers zeigt, kann nur als ironische Scheindistanzierung angesehen werden, zumal hierdurch die von dem Hersteller der Postkarte ersichtlich nicht gewollte - Verbindung zwischen der Person des Altbundeskanzlers und der Karikatur erstmals hergestellt wird.

Die Postkarte ist anzuhalten und zu den Akten zu nehmen. Ihre Aushändigung an den Untersuchungsgefangenen würde - auch zeitlich verzögert nach einer vorausgegangenen Zurhabenahme - zur Kundgabe der Beleidigung an einen anderen führen und damit den Tatbestand der Beleidigung nach § 185 StGB erfüllen. Die bisherige Kenntnisnahme durch die mit der Postkontrolle befassten Stellen genügt hierfür nicht, da die Mitteilung hierdurch noch nicht den Charakter einer vom Schutz der Privatsphäre (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) umfassten vertraulichen Äußerung verliert (vgl. BVerfGE 90, 255)

Im Auftrag

(Bruns)

Am 13.12.2000 hat der 1. Strafsenat des Kammergerichtes Berlin den Antrag von Bruns abgelehnt. (Beschluss)

MAIL
http://www.freilassung.de/div/satire/bruns1.htm